Mit Rishi Sunak vollzieht Grossbritannien die finanzpolitische Kehrtwende

Rishi Sunak versteht als ehemaliger Investmentbanker, wie Finanzmärkte funktionieren. (Bild: Shutterstock.com/ComposedPix).
Rishi Sunak versteht als ehemaliger Investmentbanker, wie Finanzmärkte funktionieren. (Bild: Shutterstock.com/ComposedPix).

Der frühere Hedgefonds-Manager und Ex-Finanzminister Rishi Sunak ist Nachfolger von "Instant"-Regierungschefin Liz Truss. Obschon in der gleichen Partei, vertritt der neue britische Premierminister die gegensätzliche Position seiner Vorgängerin. Steuern rauf statt runter und Stopp dem Ausgabenrausch. Dem unter Truss Amok gelaufenen Anleihemarkt dürfte es gefallen.

24.10.2022, 18:08 Uhr

Autor: Hanspeter Frey

Dem smarten 42-Jährigen dürfte bei seiner Kandidatur, die am Schluss die einzige war, zugute gekommen sein, dass er im Sommer vor exakt jenem Finanzchaos gewarnt hatte, das die abgetretene Premierministerin in ihrer kurzen Amtszeit mit ihrer Wirtschaftspolitik angerichtet hat. Tiefere Steuern ohne Kompensation, sondern im Gegenteil weiter wachsende Staatsverschuldung in einer Zeit, in der die Inflation aus dem Ruder gelaufen ist, eine Rezession sich ankündigt und ein Zinsschock Pensionskassen an den Rand der Verzweiflung getrieben hat.

Rishi Sunak wird entschlossen sein, den Anleihenmarkt nicht wieder ins Unglück zu stürzen, das die Finanzstabilität des Landes bedroht hat, sagt Susannah Streeter, Senior Investment und Marktanalystin der britischen Investmentgesellschaft Hargreaves Lansdow. Sunak hatte im Sommer, als Liz Truss das Rennen um Britanniens höchstes Regierungsamt gewann, den Kürzeren gezogen. Jetzt werde er sich darüber freuen, dass sein Plan mit höheren Steuern und gekürzten Ausgaben, den er damals im Wahlkampf vertritt, obsiegt hat.

Kehrtwende in der Haushaltpolitik

Sunak werde jetzt voraussichtlich eine noch härtere Linie in Bezug auf den Staatshaushalt verfolgen, schätzt Marktexpertin Streeter. Er werde auch zeigen wollen, dass er mit der Bank of England zusammenarbeitet und den Kampf gegen die Inflation zu seinem obersten Ziel mache.

Die Analystin erinnert an rekordhohe Finanzierung von Technologie-Start-ups während Sunaks Zeit im Finanzministerium. "Mit seiner Erfahrung als Hedgefonds-Manager und der Zeit, die er in Kalifornien, mitten im Herzen der Big-Tech-Industrie, verbracht hat, wird von ihm erwartet, dass er einheimischen Tech-Talenten einen massiven Schub gibt." Dies werde allerdings keine schnelle Lösung sein. Neue Tech-Notierungen dürften angesichts der hohen Risikoprämie, die britische Vermögenswerte schon vor dem Misserfolg von Liz Truss' unüberlegter Wachstumspolitik aufgewiesen hat, nur zögerlich erfolgen, meint Streeter.

Gegen einen schnellen Erfolg spricht auch, dass der neue Vorsitzende der regierenden Konservativen und Premierminister bei weitem nicht die gesamte Partei und Fraktion hinter sich hat. Viele Tory-Mitglieder kritisieren, mit seinem Rücktritt als Finanzminister den Sturz des an der Parteibasis beliebten Boris Johnson ausgelöst zu haben.

Harter Brexetier

Es werde ihm schwer fallen, das "Verräter-Etikett" abzuschütteln, das zum Zeitpunkt von Johnsons Sturz angebracht war, sagt auch die Strategin von Hargreaves Lansdow. In einer gespaltenen Partei Unterstützung für höchst unpopuläre Ausgabenkürzungen zu gewinnen, werde eine schwierige Aufgabe sein.

Sunak werde wahrscheinlich weiterhin stark auf die Unterstützung des harten Brexit-Flügels in der Partei angewiesen sein. Das würde bedeuten, dass die Hoffnung auf einen weicheren Ansatz in den Gesprächen mit der EU über den Handel mit Waren und Dienstleistungen Wunschdenken sein dürfte. Ebenso dürfte er eine harte Linie bei der Einwanderung verfolgen, trotz der Schwierigkeiten von Unternehmen, die mit einem intensiven Arbeitskräftemangel zu kämpfen haben.

Kritiker weisen auf das grosse Vermögen des wohl reichsten britischen Abgeordneten hin. Der 42-Jährige frühere Investmentbanker, der jetzt doch noch am Ziel ist und sich einer beispiellosen Blitzkarriere rühmen darf, ist mit der Tochter des Gründers des indischen Softwarekonzerns Infosys verheiratet. Sie soll einen Hunderte Millionen Pfund schweren Anteil an dem IT-Giganten besitzen.

Zurückhaltender Finanzmarkt

Umgekehrt dürften ihn seine indische Herkunft und die verwandtschaftliche Bindung dazu motivieren, in Sachen Freihandelsabkommen mit Indien vorwärts zu machen. Dieses war nach einem Streit um Studentenvisa auf Eis gelegt worden. Es sei wahrscheinlich, dass er auf einen Durchbruch drängen werde, da es an positiven Nachrichten für Grossbritannien an der Handelsfront mangelt, hält Investmentexpertin Streeter fest.

Die Reaktion am Finanzmarkt auf Rishi Sunaks Ernennung war positiv, aber nicht euphorisch. Der Aktienindex FTSE 100 gewann 0,6% auf 7’014. Zehnjährige UK-Gilts rentierten 3,74%, das Pfund rückte zum Franken auf 1.13 leicht vor.

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