Leitsätze auf dem Weg durch die Krise

07.04.2008, 15:43 Uhr

Angesichts der Stärke der Finanzmarktkrise und der Kursausschläge müssen die Anleger versuchen, einige fundamentale Fragen zu beantworten, bevor sie eine überstürzte und allzu emotionale Entscheidung treffen. Der langfristige Erfolg eines Anlegers beruht auf seiner Fähigkeit, zu seinen Überzeugungen zu stehen und sich regelmässig gewisse fundamentale Fragen zu stellen, sagt Yves Bonzon, Chief Investment Officer im Private Banking von Pictet & Cie.

Eine dieser Fragen könnte so lauten: Verfügt der Anleger unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen, der Struktur seines Portfolios und seines Zeithorizonts über einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz an den Finanzmärkten? Wenn ja, von welcher Art ist dieser Vorteil und wie lässt er sich nutzen?

Bei der Beantwortung dieser Frage sind einige Überlegungen zu berücksichtigen. Erstens führte die Entwicklung der Finanzmärkte in den letzten zehn Jahren zu einem konvergierenden Zeithorizont für einen Grossteil der Anleger. So dulden viele unabhängig von der Anlagekategorie selbst vorübergehend keine negativen Renditen mehr. Dies erklärt den Erfolg von Absolute-Return-Anlagevehikeln und Hedge Funds.

Die praktische Folge dieser Entwicklung ist, dass anteilmässig nur noch wenige Beträge verfügbar sind, für die eine ausreichende Risikotoleranz besteht und daher ein Zeithorizont von mehr als drei Jahren in Frage kommt. Ein solcher Zeithorizont wäre aber für viele langfristig ertragreiche Anlagekategorien sinnvoll.

Eine zweite notwendige Erwägung lässt sich an der derzeitigen Lage im Bankenbereich verdeutlichen. Die dramatische Wende, mit der bestimmte westliche Investmentbanken die Kreditkrise angehen, zeigt besonders klar, dass die Interessen der Geschäftsleitungen dieser Institute nicht auf der gleichen Linie wie die ihrer Aktionäre liegen und wie wichtig es für den Anleger ist, die Motive und Anreize der Akteure in seiner Entscheidungsfindungskette zu analysieren.

Wahrung der Kundeninteressen in den Hedge Funds
Im besonderen Bereich der Hedge Funds ist jedoch das Gegenteil zu beobachten: Die Fondsmanager sind meist Gründer, Aktionäre und Manager zugleich. Sie legen ihr persönliches Vermögen in ihrem Geschäft an und befinden sich so eher auf der Linie ihrer Kunden.

Um jedoch die Frage zu beantworten, die wir zu Beginn gestellt haben, muss der Anleger noch einen dritten Aspekt berücksichtigen. Versteht er insgesamt die Besonderheiten der Finanzprodukte, die er kauft? Und werden insbesondere die realen Risiken, die möglichen Erträge und die Mechanismen eines strukturierten Produktes, die Derivate verwenden, für die gesamte Dauer ihres Bestehens und bei Verfall korrekt interpretiert? In Wirklichkeit ist die Komplexität bestimmter strukturierter Produkte selbst für einen Experten derart hoch, dass ihre Eignung auch ihm nicht immer eindeutig scheint. Wenn der Anleger Risiken eingeht, die er nicht beherrscht, muss er mit unerwünschten Folgen rechnen.

Die heutige Krise erinnert uns daran, dass sich niemand einfach nur auf den von der Regulierungsbehörde gesteckten Rahmen verlassen kann. Da er nicht perfekt sein kann, stellt ein Anleger am besten sicher, dass sein Verständnisniveau und seine Analyse es ihm erlauben, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die ihm langfristig einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz bringen können. Auch wenn seine Entscheidungen kurzfristig nicht in diesen Rahmen zu passen schienen, wird er auf längere Sicht Recht behalten.

Viel versprechende Anlagethemen
Neben bestimmten, sorgfältig ausgewählten Hedge Funds ergibt eine eingehende Analyse der Finanzmärkte folgende Schlussfolgerungen.

Bei einem Zeithorizont von drei Jahren scheint der Anleihenmarkt sehr teuer, zumindest in Bezug auf die Inflationsaussichten und wenn man annimmt, dass die Währungsbehörden und politischen Instanzen den derzeitigen Kampf gegen die Deflation gewinnen.

Im Übrigen bietet das unterschiedliche Wachstum im Westen und in den Schwellenländern strukturbedingte Chancen, welche die Anleger nutzen können. Wie die Analyse zeigt, scheinen Schwellenländeranleihen in Lokalwährungen strukturbedingt attraktiv.

Auch bietet der Aktienmarkt Russlands zum Beispiel für die kommenden Jahre hervorragende Aussichten. Dies dank der strategischen Positionierung seiner Wirtschaft und in Anbetracht der Tatsache, dass die globalen Anleger diese Nation im Umbruch noch nicht gebührend wahrnehmen.

Gold schliesslich dürfte als Anlagekategorie auf der Gewinnerseite stehen, unabhängig davon, ob die Entwicklung der Volkswirtschaften weltweit eine inflationäre oder eine deflationäre Wende nimmt. Daher dürften Anleger mit starken Überzeugungen und einem sinnvollen Zeithorizont die an den Finanzmärkten bisweilen auftretenden Turbulenzen leichter und sogar erfolgreich überstehen.
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