Geht den Unternehmensanleihen die Luft aus?

11.05.2010, 11:37 Uhr

Euro-Unternehmensanleihen im Investment Grade-Bereich haben seit Jahresanfang eine bessere Performance erzielt als Quasi-Staatsanleihen, Covered Bonds und EUR-Staatsanleihen. Das reicht aber noch nicht, um den Performancerückstand seit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise im Juli 2007 gegenüber EUR-Staatsanleihen auszugleichen. Geht Unternehmensanleihen jetzt die Luft aus oder haben sie weiteres Aufwärtspotential?




Rosemarie Baumann,
Senior Corporate Bond Analystin, Bantleon

Frau Baumann, wie sieht das technische Umfeld für Unternehmensanleihen aus?

Rosemarie Baumann: Wegen der PIIGS-Krise geriet im Februar 2010 die erwartete Emissionswelle bei Unternehmensanleihen vorübergehend ins Stocken, jetzt ist sie wieder in Bewegung gekommen. Die positive Dynamik sollte insbesondere im 1. Halbjahr 2010 sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite bestehen bleiben. Wir glauben, dass sich der Trend des Austausches von Kredit- durch Kapitalmarktfinanzierung fortsetzen wird. Allerdings rechnen wir mit einem geringeren Emissionsvolumen als im Vorjahr, weil viele Schuldner mit Investment-Grade-Bonität ihren Kapitalbedarf bereits 2009 decken konnten. Zudem zeichnet sich bei vielen Unternehmen die Tendenz ab, das Laufzeitprofil ihrer Schulden zu optimieren, indem sie das niedrige Zinsniveau nutzen, um Anleihen mit möglichst langer Laufzeit zu begeben.

Sind Unternehmensanleihen bereits überbewertet?

Baumann: Nein. Im historischen Vergleich sind sie immer noch nicht übertrieben bewertet. Aus fundamentaler Sicht gibt es mehrere Faktoren, die für einen weiteren Rückgang der Risikoprämien sprechen: So wird der Markt in diesem Jahr voraussichtlich nicht mehr von der Korrektur der durch die Finanzkrise bedingten Verwerfungen getrieben, sondern von fundamentalen Konjunkturdaten. Die Notenbanken einiger Schwellen- und rohstoffexportierender Länder haben begonnen, ihre Geldpolitik zu straffen. Damit haben sie auf den Wirtschaftsaufschwung bereits reagiert und zaghaft begonnen, konjunkturstützende Massnahmen zurückzufahren. Ausserdem wird sich im Laufe des Jahres das Interesse der Investoren von der makro- auf die mikroökonomische Ebene verlagern. Der Aspekt nachhaltiger Rentabilität von Unternehmen wird wieder in den Mittelpunkt rücken. Anders als bei vorherigen Rezessionen haben die Gewinnmargen die Talsohle diesmal früher erreicht. Unternehmen konnten ihre Bilanzen weitgehend sanieren und befinden sich jetzt in einer finanziell stärkeren Position als vor der Krise.

Gibt es noch andere Gründe für einen weiteren Rückgang der Risikoprämien?

Baumann: Die jüngste Ergebniserholung und die Erwartung, dass sich die Gewinne 2010 signifikant erholen, sind in erster Linie eine Folge der Kostensenkung und des Wegfalls von Restrukturierungskosten. Auf Dauer ist Umsatzwachstum für die Entwicklung jedoch ergiebiger. Das heisst, wer den Gewinn längerfristig steigern will, muss wachsen. Die Umsatzaussichten müssen nicht zwingend grosse Zuwachsraten versprechen; vielmehr zählen Kontinuität und eine solide Margenentwicklung – die derzeit einen grossen Effekt auf die Bilanzkennzahlen haben. Selbst wenn der Bruttoumsatz nur leicht steigt, wird dies ausreichen, um den Gewinn überproportional zu steigern. Zudem bewegen sich die Risikoprämien angesichts der verbesserten Ertragsperspektiven auf relativ hohem Niveau und bieten immer noch mehr als einen Ausgleich für die niedrigen Ausfallraten von Unternehmensanleihen der Bonität Investment Grade.

Welche Chancen bieten Unternehmensanleihen im weiteren Jahresverlauf?

Baumann: Unternehmensanleihen bleiben im Jahr 2010 attraktiv, weil sie im historischen Vergleich noch immer nicht übertrieben bewertet sind. In diesem Jahr dürften sich die insgesamt freundlichen Konjunktur- und Unternehmensdaten sowie der grosse Anlagedruck auf Investorenseite im Verbund mit dem niedrigen Zinsniveau von deutschen Bundesanleihen positiv auswirken. Die Risikoprämien werden wohl weiter schrumpfen, wenn auch deutlich langsamer als bisher und begleitet von temporären Spreadaufschlägen. Insgesamt erwarten wir eher Erträge im tiefen bis mittleren einstelligen Prozentbereich, die damit deutlich unter dem Vorjahresniveau liegen. Unternehmensanleihen dürften jedoch abermals weit höhere Gesamterträge liefern als andere Assetklassen wie Staatsanleihen, Quasi-Staatsanleihen und Covered Bonds.

Und welche Sektoren empfehlen Sie?

Baumann: Um weiterhin eine Outperformance zu erzielen, richten wir uns an folgenden Grundsätzen aus: Festhalten an High-Beta-Sektoren durch einen hohen Anteil ausgewählter Schuldner in zyklischen Branchen, also Grundstoffe, zyklische Konsumgüter, Medien und Industrie, bei gleichzeitiger Anhebung der Duration in defensiven Sektoren wie Tabak und Versorger. Zudem investieren wir in attraktiv bewertete Schuldner mit BBB-Rating und stabilem Gewinnwachstum aus fundamental soliden Branchen wie nichtzyklische Basiskonsumgüter, Tabak und Telekom sowie andere werthaltige Nischenanbieter.

Welche Risiken sehen Sie bei Unternehmensanleihen?

Baumann: Wir gehen davon aus, dass für Unternehmen guter Bonität der Höhepunkt der Krise bereits bewältigt ist. Bei europäischen Unternehmen der Bonität Investment Grade ist die Ausfallrate der Ratingagentur Moody’s zufolge mit 0,3 % ohnehin deutlich niedriger als bei Unternehmen mit High-Yield-Rating. Somit wird sich das Insolvenzrisiko fast ausschliesslich auf High-Yield-Unternehmen beschränken. Und selbst deren Ausfallrate ist im 1. Quartal 2010 auf 7,3 % gefallen, nachdem sie im 4. Quartal 2009 noch 11,6 % betragen hatte. (kab)

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