23.12.2024, 14:23 Uhr
In eigener Sache: 2024 war nicht nur an den Börsen ein erfolgreiches Anlagejahr mit neuen Rekordständen. Auch Investrends hat mit weit über 2000 publizierten Beiträgen eine neue Höchstmarke erreicht und wird im...
Mit Blick auf die wirtschaftliche Erholung nimmt die Europäische Zentralbank ihre monatlichen Anleihenkäufe leicht zurück. Ein Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik ist aber kein Thema, so wenig wie eine Erhöhung des Leitzinses. Den Inflationsanstieg beurteilt die EZB als temporär. Nichts tun wollte sie trotzdem nicht. Mit dem Trippelschritt können die Märkte leben.
Im vierten Quartal macht die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihren milliardenschweren Anleihenkäufen einen kleinen Schritt zurück, wie sie nach EZB-Ratssitzung am Donnerstag bekanntgab. Der Erwerb von Staats- und Unternehmenspapieren im Zuge des Corona-Notkaufprogramms Pepp will sie "moderat" drosseln. Das beschloss der EZB-Rat an seiner Sitzung am Donnerstag.
Zuletzt hatte die Notenbank über das Pandemic Emergency Purchase Programme rund 80 Mrd. Euro in Wertpapiere gesteckt.
Die günstigen Finanzierungsbedingungen und die Inflationsaussichten (in Deutschland bewegt sich die Inflation mit 3,9% zurzeit über dem Zielband der EZB) würden ein moderat niedrigeres Tempo der Nettokäufe rechtfertigen. Umgekehrt verwies der Rat auf die weiterhin bestehenden Risiken aus der Covid-Pandemie.
So hat die EZB bestätigt, dass die Laufzeit des in der Pandemie aufgelegten flexiblen Kaufprogramms in Höhe von 1,85 Bio. Euro bis mindestens Ende März 2022 intakt bleibt.
Ein Minischritt in Richtung Normalisierung war an den Märkten vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Erholung und eines Anstiegs der Inflation erwartet worden. Wer auf ein stärkeres Signal, gar auf einen Hinweis auf einen möglichen Zeitpunkt für den grundsätzlichen Ausstieg aus den Anleihenkäufen gewartet hatte, wurde enttäuscht.
Allerdings hatte schon vor zwei Wochen die US-Notenbank den Beginn ihrer Abkehr von der ultra-lockeren Geldpolitik hinausgeschoben. Die EZB lässt sich damit aller Wahrscheinlichkeit nach noch mehr Zeit. Die Konjunktur in Europa, selbst wenn sie wieder in Schwung gekommen ist, hinkt hinter der amerikanischen hinterher.
Ein Ende des Zinstiefs ist damit weiterhin nicht in Sicht. Den Leitzins belässt die EZB auf rekordniedrigen null Prozent. Geschäftsbanken müssen auf Einlagen bei der Notenbank nach wie vor einen Negativzins von 0,5% entrichten.
Erneut leicht erhöht hat die sie hingegen die Wachstumsprognose, und auch die Inflation schätzt sie etwas höher ein. Wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde vor den Medien mitteilte, rechnet die Notenbank neu für 2021 mit einem BIP-Anstieg im Euroraum von 5,0% (bisher 4,6%). Für 2022 und 2023 werden Wachstumsraten von 4,6 (4,7%) und 2,1% (unv.) erwartet.
Die Inflation wird fürs laufende Jahr neu auf 2,2% (bisher 1,9%) veranschlagt. Für 2022 und 2023 werden 1,7 (1,5%) bzw. 1,5 (1,4%) vorausgesagt. Der gegenwärtige Inflationsanstieg sei "weitgehend vorrübergehend", erklärte Lagarde. Die Inflation dürfte im Herbst steigen und im Laufe des nächsten Jahres wieder sinken.
An den Finanzmärkten warfen die Beschlüsse keine hohen Wellen. Im dritten Quartal würden die Fälligkeiten jetzt geringer ausfallen, so dass sich die EZB nun sicher fühle und wieder sukzessive auf das monatliche durchschnittliche Kaufvolumen des ersten Quartals zurückgehen werde. "Dies ist allerdings nicht gleichzusetzen mit einem Tapering", urteilt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank.
"Es ist gut, dass sich der EZB-Rat bewegt und einen allerersten Trippelschritt auf dem langen Weg zu einem Ende der Anleihekäufe unternimmt. Ein einfaches 'weiter so' würde der Reputation der EZB schaden", sagt Friedrich Heinemann, Ökonom beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
Es wurde das Minimum des Möglichen beschlossen, meint Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden Württemberg. Gar nichts zu ändern wäre angesichts des Inflationsanstiegs zu wenig gewesen. Dafür bleiben die volle Flexibilität und der Rahmen des Pepp sowie der bisherige Zeitplan intakt.
Nächster Halt ist der Dezember mit den neuen Projektionen für ein weiteres Jahr. "Da wird es sich wohl entscheiden," vermutet Niklasch.
Für Ulrike Kastens, Volkswirtschafterin Europa von DWS, war das Treffen "wahrscheinlich eher ein Warmlaufen." Zwei Punkte seien gemacht worden, die auch im Dezember wichtig sein würden: Erstens schreitet die konjunkturelle Erholung in der Eurozone voran, was sich in der erneuten Aufwärtsrevision der BIP-Prognosen spiegelt. Zweitens drücke in der Einschätzung der EZB vorsichtig durch, dass die Inflation womöglich doch höher ausfallen könnte als bisher erwartet.
Grundsätzlich bleibt DWS bei der Meinung: 2021 markiert den Höhepunkt der Anleihenkäufe, ab 2022 müssen sich die Marktteilnehmer auf ein geringeres Ankaufvolumen einstellen.
Paul Diggle, stv. Chefökonom von Aberdeen Standard Investments, meint nach wie vor, "dass ein Ende der Anleihenkäufe und Zinserhöhungen in sehr weiter Ferne liegen." Die geldpolitische Wende werde anderswo eingeläutet, nicht von der mit grosszügiger Hand agierenden EZB.