20.12.2024, 10:54 Uhr
Aus der Krise der Credit Suisse und der von den Behörden erzwungenen Notfusion der Grossbank mit der UBS sollen Lehren gezogen werden. Dieser Ansicht ist die parlamentarische Untersuchungskommission. Sie hat ihren...
Die Meldung lässt aufhorchen: Das Wachstum der verheissungsvollen, den traditionellen Finanzsektor aufmischenden Fintech-Branche in der Schweiz gerät ins Stocken. Das zeigen die Ergebnisse der diesjährigen Fintech-Studie der Hochschule Luzern.
Das Positive vorweg: Der Schweizer Fintech-Markt ist 2020 erneut gewachsen. Ganz allgemein hat sich Branche in den letzten Jahren von einer Nischenmarkt zu einem relevanten Anbieter innovativer Lösungen für die Schweizer Finanzindustrie entwickelt. Per Ende 2020 waren 405 FinTech-Unternehmen in der Schweiz ansässig, 23 Firmen oder 6% mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Die Mehrheit bietet dabei Lösungen im Bereich des Investment Management und der Bankeninfrastruktur an. Ihre Geschäftsmodelle basieren überwiegend auf Technologien aus den Bereichen der Prozessdigitalisierung, Automatisierung und Robotics.
Nichtsdestotrotz gab es erste Anzeichen einer Verlangsamung des Sektors. "Seit 2015 war die Wachstumsrate noch nie so tief", sagt Thomas Ankenbrand, Studienleiter und Dozent für Banking and Finance an der Hochschule Luzern (vgl. Abbildung 1). Weitere Indikatoren, die auf eine gemächlichere Gangart hindeuten, sind der sinkende Median (Mittelwert) der Gesamtkapitalisierung der Unternehmen und der konstant bleibende Median der Mitarbeiterzahl.
Ein Blick auf die Belegschaft der Schweizer Fintech-Unternehmen zeigt zudem: Der Anteil ihrer Mitarbeitenden, die nicht in der Schweiz, sondern im Ausland stationiert sind, steigt kontinuierlich. Ende 2020 machte diese Gruppe bereits mehr als einen Drittel aller Beschäftigten von Schweizer Fintech-Firmen aus.
Die Schweiz steht im internationalen Vergleich bezüglich der Rahmenbedingungen weiterhin gut da, wie aus dem FinTech-Hub-Ranking der HSLU-Studie hervorgeht. Im internationalen Ranking belegt sie Platz zwei (vgl. Abbildung 2). "Die Bedingungen haben sich in den letzten Jahren aber im Vergleich zu den anderen führenden FinTech-Ökosystemen tendenziell verschlechtert", erläutert Ankenbrand. Das trifft insbesondere auf soziale und wirtschaftliche Umweltfaktoren zu.
Eine weiterführende Analyse zeigt, dass die Qualität des Umfeldes einen klar positiven Zusammenhang mit der Grösse eines Fintech-Sektors aufweist. "Diesen Rahmenbedingungen Sorge zu tragen ist nicht nur für die ansässige Fintech-Branche, sondern auch für die Schweizer Finanzindustrie insgesamt von Bedeutung", so der Fintech-Experte.
Ein grosser Teil der Volumina, sei es im Zahlungsverkehr, bei Krediten oder Investitionen, wird immer noch von traditionellen Finanzinstituten und einzelnen etablierten Fintech-Unternehmen abgewickelt. Die Studie zeigt zudem, dass Schweizer Banken im Laufe der Zeit effizienter geworden sind und sich der Effekt der Digitalisierung langsam materialisiert. Das ist unter anderem auf Fintech-Lösungen zurückzuführen, die gemäss der Studie mehrheitlich auf das Business-to-Business-Geschäft abzielen. Das schliesst auch innovative Lösungen für etablierte Banken ein.
Generell konnten traditionelle Finanzinstitute die verwalteten Volumina steigern, während sie ihre Kosten stabil hielten. "Diese Entwicklung spiegelt sich jedoch nicht auf der Ertragsseite", bemerkt Ankenbrand. Das deutet gemäss den Studienautoren darauf hin, dass gewonnenen Effizienzgewinne direkt an die Kunden weitergegeben werden.
Angetrieben durch den Druck auf Geschäftsmodelle, durch technologische Fortschritte, veränderte Kundenbedürfnisse und regulatorische Anforderungen ist Open Banking, bei dem Banken und Drittanbieter gewisse Daten beziehungsweise Dienstleistungen miteinander austauschen, ein bedeutender Trend in der Finanzbranche. Eine in der Studie präsentierte Umfrage unter IT-Verantwortlichen von Schweizer Banken zeigt allerdings, dass der Druck zur Öffnung von Bankschnittstellen wie auch der Bedarf an entsprechenden Lösungen, namentlich im Business-to-Consumer-Bereich, relativ gering ist.
Weitere Hinderungsgründe für Open-Banking-Lösungen sind die hohen Kosten, Bedenken zur IT-Sicherheit sowie die fehlende Standardisierung. Letzteres ist, zumindest teilweise, darauf zurückzuführen, dass Open Banking in der Schweiz vom Markt getrieben und nicht wie in der EU über verbindliche Richtlinien (PSD2) verordnet ist. Daher haben sich verschiedene Plattformen herausgebildet, die den sicheren und standardisierten Austausch von Daten und Dienstleistungen ermöglichen. Diese Plattformen werden auch zunehmend von den Banken genutzt, vor allem im Firmenkundengeschäft.
Und um nicht nur mit einer positiven Betrachtung zu beginnen, sondern auch zu enden, ein Blick auf das Risikokaptial. Die Risikokapitalaktivität hat der Studie zufolge die höchste Bedeutung im Fintech-Hub-Ranking. Diesbezüglich stellen die Autoren dem Schweizer Fintech-Markt eine gute Note aus. die Branche sei gut aufgestellt. Indikatoren dafür sind das Wagniskapitalvolumen, das in den Sektor investiert wird, sowie die von Schweizer Fintech-Unternehmen wahrgenommenen geringen Schwierigkeiten bei der Aufnahme neuer Finanzen. Insgesamt generierte der Sektor 2020 rund 260 Mio. Fr. an neuem Kapital.