Debatte über Abkoppelung der USA wieder aufgeflammt

03.09.2010, 15:11 Uhr

Die Furcht vor einer erneuten Rezession in den USA nimmt eindeutig zu. Darauf weist ING Investment Management (ING IM) in einer aktuellen Medienmitteilung hin. Die Schwäche am Arbeitsmarkt und am Markt für Wohnimmobilien sowie die gedrückte Stimmung der privaten Haushalte und der kleinen Unternehmen sprechen dafür, dass der Wachstumsausblick für die USA gedämpfter ausfallen sollte.



Valentijn van Nieuwenhuijzen
Head of Fixed Income Strategy and Economics bei ING Investment Management

Nach Auffassung von ING IM ist es ohne eine merkliche Aufhellung der Stimmung in den kommenden Wochen äusserst unwahrscheinlich, dass sich das Wachstum der Nachfrage aus dem privaten Sektor beschleunigt, zumal die Impulse der US-Regierung in den Bereichen politische Massnahmen und Lagerhaltung abklingen.

Valentijn van Nieuwenhuijzen, Head of Fixed Income Strategy and Economics bei ING IM, sagt dazu: "Angesichts der günstigeren Daten aus dem Rest der Welt ist die bekannte Debatte über eine Abkoppelung wieder aufgeflammt. Ihr Ergebnis wird von entscheidender Bedeutung für die Finanzmärkte sein. Es geht im Grunde darum, ob die Weltwirtschaft an den Rand einer neuen Rezession gerät, oder ob sich ‚nur’ das Wachstum verlangsamt, wobei die regionale Schwäche in den USA stärker ausgeprägt ist. Je nachdem, welches Szenario eintritt, werden die Auswirkungen auf die Risikobereitschaft internationaler Anleger ganz anders ausfallen."

Zwei Szenarien möglich

"Bei einer erneuten weltweiten Rezession wird es nahezu sicher zu beträchtlichen Preisrückgängen bei allen riskanten Vermögenswerten kommen; eine Konjunkturabschwächung in den USA und moderateres Wachstum im Rest der Welt wird dagegen voraussichtlich zu anhaltend positiven Renditen von "Carry-Assets" führen, bei denen zumindest ein Teil der Gesamtrendite durch die Vereinnahmung von Erträgen und nicht durch Kapitalzuwachs erzielt wird. Zu diesen Vermögenswerten gehören Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und Aktien mit hohen Dividendenausschüttungen. Vermögenswerte, die nur in begrenztem Umfang oder gar nicht von solchen regelmässigen Auszahlungen profitieren, wie z.B. Rohstoffe oder weite Teile des Aktienuniversums, dürften in einem solchen Szenario in Mitleidenschaft gezogen werden."

Nachwehen der Finanzkrise weiterhin spürbar

Van Nieuwenhuijzen weist in Bezug auf die jüngsten US-Daten besonders auf zwei Punkte hin: Die Daten tendieren abwärts und liegen unter den Erwartungen, und an den Arbeitsmärkten sind immer noch die Auswirkungen der Finanzkrise zu spüren. Aus Anlegersicht erhöht ersteres vor allem die Unsicherheit, da es noch zu früh ist, um sagen zu können, ob dies auf eine Abkoppelung der US-Wirtschaft (im negativen Sinne) vom widerstandsfähigeren Rest der Welt hindeutet. Die durchaus mögliche Alternative lautet, dass die US-Wirtschaft weiterhin den weltweiten Konjunkturzyklus anführt und vor allem Europa und Asien den US-Vorgaben mit Verzögerung folgen, weil die Handels- und Finanzbeziehungen eng bleiben und sich das Vertrauen ähnlich entwickelt.

Selbst bei günstigerem Szenario kaum positives Fazit

Nach Auffassung von ING IM lassen sich aus dieser Unsicherheit nur schwer positive Schlussfolgerungen ziehen. Vorsichtige Anleger verlangen höhere Risikoprämien, und selbst im günstigeren ‚Abkoppelungs’-Szenario dürfte es wohl zu weiterem Abwärtsdruck auf (riskante) US-Vermögenswerte kommen. Selbst wenn riskante Vermögenswerte im Rest der Welt in diesem Szenario besser abschneiden als in den US, bleibt es zweifelhaft, ob damit positive Renditen erzielt werden können.

Zudem erhöht der derzeitige Druck auf den US-Arbeitsmarkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Entwicklung in den USA ungünstiger verläuft als im Rest der Welt, da in keinem anderen grossen Wirtschaftsblock vergleichbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu verzeichnen waren.

Markante regionale Schwäche der USA

Van Nieuwenhuijzen zieht das Fazit: "Die Arbeitslosenquote liegt in den USA derzeit um knapp 4 % über ihrem Gleichgewichtswert, der bei knapp 6 % angesetzt wird. In anderen G4-Ländern liegt die Beschäftigungslücke bei 1 bis 2 Prozentpunkten. Dies deutet darauf hin, dass die Arbeitseinkommen mittelfristig in den USA schwächer ansteigen könnten als in anderen Ländern – vor allem, wenn die derzeitigen, kurzfristigen zyklischen Vorteile niedrigerer Arbeitskosten nicht zu einem relativ kräftigen Wiederanstieg der Nachfrage nach Arbeitskräften in den USA führen. Derzeit ist dies offensichtlich nicht der Fall, und daher hat die jüngste Entwicklung am US-Arbeitsmarkt die Unsicherheit noch erhöht. Dies deutet kurzfristig auf eine ausgeprägtere regionale Schwäche der USA hin." (ng)

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