Bleiben Staatsanleihen im Renditetief?

16.07.2010, 10:47 Uhr

Seit Jahresanfang sind die Kurse deutscher Bundesanleihen stark gestiegen und haben damit die Renditen auf historische Tiefstände gedrückt. Eine ähnliche Entwicklung war bei US-Staatsanleihen und Schweizer Staatsanleihen zu beobachten. Werden sich diese drei Anleihenmärkte bald wieder erholen, oder müssen Anleger weiterhin mit niedrigen Renditen leben? Dr. Harald Preissler, Chefökonom des Anleihenmanagers Bantleon nimmt im Interview dazu Stellung.



Dr. Harald Preissler
Chefökonom bei Bantleon

Herr Dr. Preissler, wird sich der starke Kursanstieg deutscher Bundesanleihen fortsetzen?

Dr. Harald Preissler: Wir haben den Eindruck, dass dem seit Jahresanfang bestehenden steilen Aufwärtstrend deutscher Bundesanleihen die Luft ausgeht. Nicht mehr jeder noch so kleine Rücksetzer an den Aktienmärkten löst umgehend einen Kursanstieg bei deutschen Staatspapieren aus. Auch die Lage an den Anleihenmärkten der Eurozonen-Peripherie scheint sich zu entspannen. Die jüngsten Emissionen Spaniens und Griechenlands wurden problemlos absorbiert, die Risikoaufschläge sind in den vergangenen zwei Wochen erstmals seit längerer Zeit wieder gesunken. Hinzu kommt, dass selbst makroökonomische Steilvorlagen, wie der unerwartete Rückgang der Auftragseingänge der deutschen Industrie und des französischen Geschäftsklimas, keine neue Fluchtwelle in deutsche Bundesanleihen ausgelöst haben.

Was bedeutet das für die Attraktivität deutscher Bundesanleihen?

Preissler: Wir gehen zunächst einmal davon aus, dass sich der Verflachungstrend der Renditestrukturkurve bis zum Jahresende fortsetzen wird. Treibender Faktor ist der vom kurzen Ende ausgehende Verkaufsdruck. So hat die konsequente Liquiditätsabschöpfung durch die EZB steigende Geldmarktzinsen zur Folge, was den Investoren den Anreiz nimmt, in kurz laufende Bundesanleihen zu investieren. Weniger dramatisch ist die Situation bei mittleren und längeren Fälligkeiten. Allerdings konkurrieren die niedrigen Renditen deutscher Bundesanleihen in diesen Laufzeitensegmenten ganz besonders mit den höherrentierlichen Staatsanleihen anderer EUR-Mitgliedsstaaten – von Covered Bonds und Unternehmensanleihen ganz zu schweigen. Die Renditen langer Laufzeiten sollten ebenfalls steigen, wenn auch nicht ganz so stark wie die der Kurzläufer. Begrenzend kommt hinzu, dass sich das zeitliche Fenster für steigende Langläuferrenditen wegen der weltweit nachlassenden Konjunkturdynamik im Sommer schliesst. Alles in allem halten wir für die kommenden Wochen an unserer negativen Bewertung der Ertragsperspektiven deutscher Bundesanleihen fest. Mit fortschreitender Zeit kehren sich die Vorzeichen jedoch um und die Renditen sollten einen neuen Anlauf in Richtung 2,50 % nehmen.

Ist die Lage in den USA ähnlich wie die in Deutschland?

Preissler: Wie in der Eurozone besteht auch mit Blick auf US-Staatsanleihen das Risiko, dass eine nachlassende Furcht der Investoren vor einer globalen Krise der Staatsfinanzen zu einer höheren Risikobereitschaft und in der Folge zu einer Umkehr der »Safe-Haven-Flows« führt. Wir bewerten deshalb die kurzfristigen Ertragsperspektiven von US-Staatsanleihen negativ, der Renditetrend sollte auch dort nach oben drehen. Mittel- bis längerfristig dürfte jedoch die Freude über die Beruhigung an den Finanzmärkten der Ernüchterung hinsichtlich der konjunkturellen Perspektiven weichen. Wir erwarten zwar keinen Rückfall in die Rezession, aber ein spürbarer Rücksetzer ist unseren Frühindikatoren zufolge durchaus zu erwarten. Insofern dürften die Renditen im 2. Halbjahr wieder nach unten abknicken und am langen Ende die 3,00 %-Marke deutlich unterschreiten.

Und wie sind die Perspektiven für Schweizer Staatsanleihen?

Preissler: Die Schweizer Volkswirtschaft hat die Turbulenzen der vergangenen Jahre weit besser gemeistert als ihre europäischen Nachbarn. Nicht nur, dass der Absturz im Zuge der Finanzkrise weniger heftig war, auch die anschliessende Erholung fiel kräftiger aus als andernorts. Angesichts der faktischen Nullzinspolitik der Schweizer Notenbank ist der Druck auf die Währungshüter deshalb gross, die extrem expansive Geldpolitik auf ein Normalmass zurückzuführen. Dagegen spricht derzeit nur der dramatische Aufwertungstrend des Schweizer Franken, der den exportorientierten Schweizer Unternehmen mittelfristig grosse Probleme bereiten könnte. Sobald hier Ruhe eingekehrt ist, womit wir im Herbst rechnen, werden die Anleihenmärkte eine straffere Geldpolitik der Schweizer Notenbank einpreisen und die fast japanisch anmutenden Renditen – 10-jährige Fälligkeiten notieren zurzeit bei 1,40 % – nach oben treiben. Allerdings können sich auch Schweizer Staatsanleihen der übergeordneten Abkühlung der Weltwirtschaft nicht entziehen, sodass die Renditen 10-jähriger Anleihen gegen Ende dieses Jahres wieder in Richtung 1,50 % zurückfallen dürften. (ng)

Alle Artikel anzeigen

Diese Website verwendet Cookies, um Ihnen die bestmögliche Nutzung unserer Website zu ermöglichen.> Datenschutzerklärung