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Bantleon über mögliche Inflationsrisiken

01.04.2010, 10:54 Uhr

Die Meinungen zur zukünftigen Inflationswicklung der Eurozone sind gespalten. Für die einen ist die hohe Staatsverschuldung in

Verbindung mit der ultraexpansiven Geldpolitik Vorbotin einer anziehenden

Inflation. Für die anderen spricht die Kombination aus Vermögenspreisverfall,

niedriger Kapazitätsauslastung und maroden Bankbilanzen eher für japanische

Verhältnisse und damit Deflation. Für die EZB ist keines der Schreckensszenarien

relevant. Sie sieht in der mittleren Frist weder ernsthafte Inflations- noch

Deflationsgefahren. Dr.

Daniel Hartmann, Senior Economist beim Anleihenmanager Bantleon äussert seine Ansicht.




Dr. Daniel Hartmann,
Senior Economist bei Bantleon

Herr Dr. Hartmann, was

ist bei der Einschätzung von Inflationsrisiken zu beachten?

Wichtig ist zunächst ein Blick auf das

konjunkturelle Umfeld. Alles spricht dafür, dass die Schwellenländer

vorerst zentraler Antriebsmotor der Weltwirtschaft bleiben. Wir rechnen für die

Schwellenländer in den Jahren 2010 bis 2012 mit einem Wachstum zwischen 6,0 %

und 7,0 % p. a., womit sie nicht weit von früheren Zeiten (2003 bis 2007: 7,5 %

p. a.) entfernt liegen. Für die USA sind wir ungeachtet des schlechteren

fundamentalen Umfelds ebenfalls zuversichtlich und erwarten ein

durchschnittliches Expansionstempo von ca. 3,5 % p.a. In der Eurozone

dürfte die Belebung demgegenüber etwas verhaltender ausfallen. Immerhin sollte

sich das Wachstum jedoch 2010 bis 2012 mit 1,5 % bis 2,0 % leicht über der

Potentialrate (ca. 1,5 %) stabilisieren. Insgesamt sind wir mit Blick auf die

weltwirtschaftliche Dynamik vergleichsweise optimistisch und rechnen mit 4,0 %

bis 4,5 % Wachstum p. a., womit die Dynamik nur leicht unter dem Mittel des

Booms der Jahre 2003 bis 2007 (4,7 % p. a.) liegen würde.

Die

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind damit gesetzt. Welche Rückschlüsse

ergeben sich daraus für die Einflussfaktoren der Inflation?

Trotz

konjunktureller Erholung gehen von den Lohnkosten in den kommenden Jahren

eindeutig disinflationäre Effekte aus. Massgeblich dafür ist, dass in der

Eurozone die Löhne gewöhnlich mit eineinhalb bis zwei Jahren Zeitverzögerung

auf die Arbeitsmarktentwicklung reagieren. Mit anderen Worten, die seit Anfang

2008 im Gang befindliche Eintrübung am Arbeitsmarkt – Anstieg der

Arbeitslosenquote von 7,2 % auf 10,0 % – wird sich vermutlich noch bis Ende 2011

in den Lohnverhandlungen negativ bemerkbar machen. Auch danach verbessert sich

die Lage nur langsam. Den disinflationären Impulsen von der Lohnseite steht jedoch

eine Reihe von inflationären Kräften gegenüber. So wird die restriktive

Fiskalpolitik der Euroländer neben Ausgabenkürzungen auch Steuer- und

Abgabenerhöhungen beinhalten. Von Letzteren geht eine inflationstreibende

Wirkung aus. Den damit verbunden Inflationsimpuls veranschlagen wir mit 0,1 bis

0,2 Prozentpunkten pro Jahr. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass die von

uns unterstellte konjunkturelle Entwicklung ausreicht, damit die Unternehmen

höhere Gewinnzuschläge durchsetzen können. Den hiermit einhergehenden Inflationsdruck

taxieren wir mit 0,5 bis 0,7 Prozentpunkten, was dem Niveau der Jahre 2003 bis

2005 entsprechen würde, als ebenfalls nur ein moderater Aufschwung

vorherrschte. Schliesslich rechnen wir

als Folge des weltwirtschaftlichen Aufschwungs auch mit einem anhaltenden Aufwärtstrend

bei den Rohstoffpreisen. Die Teuerungsrate sollte dadurch einen Schub von ca.

0,5 Prozentpunkten erhalten.

Was ist Ihr Fazit?

Von

der Lohnseite werden aufgrund der schwachen Arbeitsmarktentwicklung und der

Wettbewerbsschwäche vieler Mitgliedsländer im laufenden und im kommenden Jahr

deflationäre Effekte ausgehen – ein Novum seit Beginn der Währungsunion. Nur

dank des Gegengewichts der nachfrageseitigen, administrativen und

aussenwirtschaftlichen Impulse dürfte sich die Inflation noch bei rund 1,0 %

etablieren. 2012 ist jedoch wieder mit steigenden Lohnzuwächsen

zu rechnen. Zugleich dürfte die Weltwirtschaft auf einem zunehmend soliden

Fundament stehen. Wie die Tabelle zeigt, reicht in einem solchen Umfeld schon

ein kleiner Kostenschub von 0,5 Prozentpunkten aus (historischer Durchschnitt:

2,0 Prozentpunkte), um die Inflationsrate über die 2,0 %-Marke zu hieven.

Dieses – derzeit noch ferne – Inflationsrisiko wird noch im Laufe dieses Jahres

zunehmend ins Blickfeld der EZB geraten. Ein rekordtiefes Leitzinsniveau passt

dann nicht mehr in die Landschaft.

(cl)

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