22.11.2024, 13:09 Uhr
Die Kerninflation in Japan lag im Oktober bei 2,3 Prozent, das ist etwas weniger als noch im September. Aber minimal mehr als erwartet worden war.
Auf die aktuellen Märkte bezogen gilt zurzeit wohl die Devise: Rette sich wer kann! Es überwiegt die Angst vor einem nachhaltigen Zusammenbruch des Bankensystems. Gewissermassen Endzeitstimmung.
Die Ereignisse der letzten Wochen haben den Anlegern in der Tat nicht gerade Vertrauen eingeflösst. Zusätzlich zu den zahlreichen Finanzinstituten, die in den USA in Schwierigkeiten geraten sind, ist jetzt auch Europa schwer betroffen. Der Bankkonzern Fortis wurde verstaatlicht und dann teilweise von BNP Paribas übernommen. Dexia, wie Hypo Real, erhielt eine finanzielle Nothilfe. Diese Interventionen erfolgten kurz nach Verabschiedung des Paulson-Plans durch den amerikanischen Kongress zur Befreiung des Finanzsystems von nicht liquiden Anlageformen, die es derzeit zu ersticken drohen. Leider haben diese zahlreichen Massnahmen und insbesondere deren wenig koordinierte Umsetzung in Europa nicht für Beruhigung am Markt gesorgt.
Erinnerungen an die Krise der 30er-Jahre
Die anhaltende Lähmung des Systems weckt die schlimmsten Befürchtungen. Es besteht die Angst vor einer Krise wie in den 30er-Jahren. Sicherlich lassen sich Ähnlichkeiten erkennen was die Ursache der Krise betrifft, insbesondere hinsichtlich des starken Anstieges der Verschuldungsquote. Die heutigen Wirtschaftsstrukturen sind jedoch vollkommen anders, da zahlreiche Mechanismen zur Stabilisierung der Realwirtschaft vorhanden sind. Insbesondere gilt aber, dass der eigentliche Grund für den Zusammenbruch der Wirtschaft in den 30er-Jahren in der unangemessenen Reaktion der Wirtschaftspolitik lag. Damals waren einige Politiker von der reinigenden Wirkung des Endes einer übertrieben starken Wachstumsphase überzeugt. Insgesamt trugen die verfehlte, zu langsame Reaktion und die Unfähigkeit zu einer weltweiten Abstimmung erheblich zur Verschärfung der Krise bei.
Was bringt Klarheit?
Das Wissen um die Fehler der Vergangenheit schützt jedoch nicht davor, diese zu wiederholen. Geschwindigkeit und Umfang der Interventionen der Zentralbanken zur Versorgung des Systems mit liquiden Mitteln, die Rettung strategisch wichtiger Finanzinstitute und jetzt der Paulson-Plan machen aber deutlich, dass die Behörden sich der Notwendigkeit eines raschen Handelns bewusst sind. Dennoch ist de r Vertrauensbruch immens. Der Interbankenmarkt, dem eine Schlüsselrolle zukommt, ist weiterhin blockiert, da ein gegenseitiges Misstrauen unter den einzelnen Banken hinsichtlich ihrer Solvenz vorherrscht. Es wäre anmassend und unangebracht, an eine Zauberformel zur Normalisierung des Marktes zu glauben. Trotzdem ist klar, dass das Interbankensystem dringend wieder handlungsfähig werden muss. Die jüngste Massnahme der US-Notenbank, die nunmehr Commercial Paper (Geldmarktpapiere) aufkaufen kann, zielt genau darauf ab. Wenn dieser Ansatz zum Erfolg führt, besteht die Hoffnung, dass in Europa eine vergleichbare Initiative ergriffen wird. In den kommenden Monaten wird die Umsetzung des Paulson- Plans für Preiswahrheit bei den derzeit nicht liquiden Anlageformen sorgen und die Fortführung der Rekapitalisierung der Banken ermöglichen, damit das Bankensystem wieder seine wesentliche Aufgabe, die Finanzierung der Wirtschaft, erfüllen kann.
Weitere Zinssenkungen in Sicht
Die Auswirkung der Krise Rezession steht mittlerweile ausser Frage. Deshalb müssen die Zentralbanken zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Wiederherstellung des Vertrauens die Leitzinsen weiter nach unten anpassen. Die Anpassung an die neuen wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen muss rasch erfolgen und wird umso wirkungsvoller sein, je stärker Europäer, Amerikaner und Japaner an einem Strang ziehen. Unser Hauptszenario geht davon aus, dass in den nächsten sechs Monaten die Leitzinsen um mindestens weitere 100 Basispunkte gesenkt werden.
Auswirkungen auf die Realwirtschaft
Den jüngsten Statistiken und Umfrageergebnissen zufolge sinddie Auswirkungen der Krise in derWirtschaft immer deutlicher zuspüren. So verschlechtert sich in den USA die Lage auf dem Arbeitsmarkt zunehmend (Abbauvon 168.000 Stellen in der Privatwirtschaft im Monat September). Das verarbeitende Gewerbe, das bisher der Krise standzuhalten schien, schwächelt beunruhigend, und der ISM-Index fiel im September auf 43,5 und damit auf den niedrigsten Wert seit2001. Diese Daten bestätigen unsere Annahme einer Rezession in den USA. In Europa setzt sich der Rückgang der Wirtschaftstätigkeit in der gesamten Eurozone fort. In Deutschland fiel der IFO-Index im September auf den niedrigsten Wert seit Mitte 2005. In Spanien stehen die Zeichen nachdem Platzen der Immobilienblase und dem damit verbundenen Einbruch des Arbeitsmarktes (die Arbeitslosenrate ist seit Jahresbeginn um fast 2% auf 10,4 % gestiegen) auf Stagnation. In Japan ging das BSP im dritten Quartal um 3 % zurück; die Aussichten sind stark durchwachsen. Somit hat die Rezession eindeutig die Industrieländer erreicht. In den Schwellenländern stellte sich die Entwicklung bisher anders dar. Die extremen Turbulenzen der letzten Wochen mit einem Preisverfall bei den Anlagewerten und einer Geldentwertung lassen die Aussichten für das nächste Jahr jedoch weniger positiv erscheinen als bisher. Wie bereits mehrfach erwähnt, werden Länder mit schwächerem Aussenhandel wie die Türkei, Ungarn, Rumänien oder Südafrika stärker betroffen sein als andere.
Starke Volatilität
Derzeit sind extreme Phänomene zu beobachten. Die Volatilität, die im VIX-Index abgebildet wird, hat einen historischen Höchststand erreicht. Darin spiegelt sich die wachsende Angst wider, sowie in gewissem Masse auch die Kapitulation vor der Vielzahl weiterhin bestehender Unsicherheiten. Die Folge hiervon sind ausgesprochen attraktive Bewertungen. Die Risikoprämie auf Aktien befindet sich auf einem historischen Höchstwert (über 8 %). Der Markt befindet sich in Endzeitstimmung mit sehr geringen Aussichten auf wachsende Erträge. Noch erscheint es verfrüht, die möglichen Chancen der derzeitigen Bewertungen nutzen zu wollen. Zwar werden zurzeit wirtschaftspolitische Massnahmen ergriffen, eine spürbare Verbesserung ist jedoch noch nicht festzustellen.