«Worauf es ankommt, passiert ausserhalb der Bürozeiten»

Laurent Gardinier, Präsident der Hotelvereinigung Relais & Châteaux: Wir kümmern uns sehr stark um das Thema Nachhaltigkeit. (Bild pd)
Laurent Gardinier, Präsident der Hotelvereinigung Relais & Châteaux: Wir kümmern uns sehr stark um das Thema Nachhaltigkeit. (Bild pd)

Laurent Gardinier ist seit Januar 2023 Präsident der Hotelvereinigung Relais & Châteaux mit Sitz in Paris. Im Interview erklärt er unter anderem, wie unterschiedlich das Thema Nachhaltigkeit in den verschiedenen Ländern angegangen wird.

27.06.2024, 16:52 Uhr

Redaktion: Travelcontent




Herr Gardinier, Sie sind zusammen mit Ihren beiden Brüdern selbst Hotel- und Restaurantbesitzer. Haben Sie noch irgendetwas mit dem Daily Business zu tun?

Nein. Überhaupt nicht. Mein Bruder, der in Paris lebt, führt das Hotel und das Restaurant. Mein Job ist Relais & Châteaux. Aber natürlich habe ich noch ein Auge auf das Geschäftliche.

In der Gastro- und Hotelleriebranche zu arbeiten gilt als besonders hart und fordernd. Kann man diesen Job nur aus Leidenschaft machen oder ist es ein Beruf wie jeder andere?

Es gibt einen rationalen, professionellen Teil. Natürlich. Aber wenn man wirklich Erfolg haben will, braucht man Kreativität. Man muss Freude haben, seine Zeit mit anderen Menschen zu verbringen. Und man muss Essen und Gastronomie lieben. Das, worauf es ankommt, passiert ausserhalb der sogenannten Bürozeiten. Diese Zeit zu investieren, ist man nur bereit, wenn man Leidenschaft für diese Branche hat.

Ist es heute schwieriger als vor zehn Jahren, ein hochstehendes Restaurant profitabel zu führen?

Es war schon immer schwierig. Vor allem für Gourmet-Restaurants. Es ist eine Frage der Kreativität, des persönlichen Gefühls des Küchenchefs. Er muss die Bedürfnisse seiner Gäste treffen und alles auf den Teller projizieren. Es hat viel mit seiner Stimmung, seiner Persönlichkeit zu tun. Aber das war vor 10, 20 oder 30 Jahren auch nicht anders als heute.

Man sagt ja, dass man ein Zwei- oder Dreisterne-Restaurant kaum profitabel führen kann, weil der Aufwand einfach viel zu hoch ist…

Ja, naja, es kommt darauf an. Es gibt natürlich Michelin-Restaurants, die nicht hochprofitabel sind. Dann eröffnet der Küchenchef oder Eigentümer weitere Restaurants, die das Ganze insgesamt profitabel machen. Es ist dann ein wenig wie bei der Haute Couture. Man kann damit kaum Geld verdienen, macht sich aber einen berühmten Namen und entwickelt damit weitere Geschäfte. Aber viele Michelin-Chefs machen ihren Job gut, und die Restaurants sind profitabel. Man hört selten, dass ein Gourmetrestaurant, das ein Angebot hat, welches die Gäste lieben, schliessen muss, weil es sich nicht rechnet.

Ein grosses Thema in der Gastronomie ist der Personalmangel. Wie gehen die Relais & Châteaux Betriebe damit um?

Unsere Häuser sind ja eher klein und oft arbeiten Küchenchefs mit einem sehr guten Namen dort. Das ist für viele – gerade junge Menschen – sehr anziehend und attraktiv. Dadurch haben wir nicht solche Probleme wie die sehr grossen, eher anonymen Häuser. Und … wir kümmern uns sehr stark um das Thema Nachhaltigkeit. Das ist vielen jungen Talenten sehr wichtig und spricht für uns als Arbeitgeberin.

Sich um Nachhaltigkeit zu kümmern, wirkt also positiv. Was heisst das Wort für Sie überhaupt?

Das ist eine gute Frage. Denn wir sind in über 60 verschiedenen Ländern vertreten. Nachhaltigkeit bedeutet da bei Weitem nicht überall dasselbe. Die Schweiz ist bei diesem Thema sehr weit, da es ein sehr reiches Land ist, das sich nachhaltiges Gastgebertum leisten kann. Aber auch Südafrika ist sehr gut organisiert. Dort spielt zum Beispiel der Tierschutz eine wichtige Rolle, während man woanders vielleicht auf das plastikfreie Restaurant fokussiert.

Haben Sie ein Lieblingsbeispiel aus einem Relais & Châteaux-Betrieb?

Da fällt mir zum Beispiel das Relais & Châteaux Mirazur in Menton von Mauro Colagreco, dem Vizepräsident von Relais & Châteaux, ein. Er hat es als Erster überhaupt geschafft, seine Küche plastikfrei zu machen.

Das tönt nach einer Herausforderung.

Ja, das ist wirklich bemerkenswert, da man in einer Küche sehr von Lieferanten und äusseren Einflüssen abhängig ist. Man muss seine Art zu kochen völlig umstellen, das Mise en Place komplett umgestalten. Es klingt so einfach, ist es aber überhaupt nicht. Aber dieser Mann hat uns gezeigt, dass es möglich ist. Unsere Aufgabe als Relais & Châteaux ist es, solche Ideen und Fortschritte zu unterstützen – ohne aber nach Aussen Greenwashing zu betreiben und das Thema völlig überzuverkaufen.

Gibt es bestimmte Produkte, die Sie aus Nachhaltigkeitsgründen in Ihren Betrieben gar nicht mehr anbieten?

Es gibt ganz aktuell vor allem eines, das wir vermeiden wollen. Und das ist Aal.

Warum Aal?

Ich habe das tatsächlich auch nicht gewusst, aber mich sehr tief eingelesen. Der Europäische Aal ist sehr bedroht. Er leidet unter der Verschmutzung von Flüssen, der Zerstörung seines Lebensraums und auch unter illegalem Fischfang. Und man kann Aal nicht in Farmen züchten. Wenn man den Aal überfischt, ist er irgendwann ausgestorben. In Südfrankreich, Spanien, Japan, aber auch in Paris hat es grosse Tradition, Aal zu essen. Aber wir schaffen es nach und nach, unsere natürlich sehr eigenständig arbeitenden Küchenchefs zu überzeugen, Aal nicht mehr zu verarbeiten. Und natürlich werben wir auch um das Verständnis der Gäste.

Glauben Sie, dass die Hospitality Branche beim Thema Nachhaltigkeit auch gesamtgesellschaftlich etwas verändern kann? In den Köpfen der Menschen?

Das glaube ich. Absolut. Wenn ein berühmter Chefkoch beispielsweise im Fernsehen das Thema immer wieder anspricht, kann er damit mehr bewirken, als ein Politiker es jemals könnte.

Die Vereinigung Relais & Châteaux

Relais & Châteaux, 1954 gegründet, ist eine Vereinigung von weltweit 580 Hotels und Restaurants – davon 23 Häuser in der Schweiz und Liechtenstein. Die Häuser werden von unabhängigen Gastgeberinnen und Gastgebern – häufig Familien, geführt. Den Mitgliedern von Relais & Châteaux liegt es am Herzen, die Gastfreundschaft und den kulinarischen Reichtum der verschiedenen Kulturen unserer Welt zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dieses Streben, ebenso wie der Schutz der Umwelt und des regionalen kulturellen Erbes, wurde im November 2014 in einem Manifest an die UNESCO vorgetragen.

Relais & Châteaux Schweiz & Liechtenstein aktuell

Im Jahr 2023 kamen die meisten Gäste der Häuser in der Schweiz und Liechtenstein aus der Schweiz (54%), Deutschland (10%), USA (8%), Frankreich (5%) und UK (4%). Die durchschnittliche Zimmerzahl der Häuser liegt bei 42. Sieben der (Hotel-)Restaurants sind derzeit mit einem oder mehreren Michelin-Sternen dekoriert.

Über Laurent Gardinier

Laurent Gardinier ist seit Januar 2023 Präsident der Hotelvereinigung Relais & Châteaux mit Sitz in Paris. Er ist zusammen mit seinen beiden Brüdern Inhaber der Relais & Châteaux Domaine Les Crayères in Reims und des Restaurants Le Taillevent in Paris (2 Michelin-Sterne). Gardinier hat seit Amtsantritt ein neues Manifest aus drei Schwerpunkten für die Vereinigung erarbeitet: Verkleinerung des ökologischen Fussabdrucks, Erhaltung der Vielfalt, insbesondere durch Initiativen der Küchenchefs, und Stärkung der gesellschaftlichen Verantwortung.

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