Die grosse Sommerkrise in den Reisebüros

«Das klassische Badeferiensegment fehlt ganz klar, inklusive Familien», sagt Martin Fiedler, Inhaber von Zentrum Reisen in Mels. (Bild icemanphotos/Shutterstock)
«Das klassische Badeferiensegment fehlt ganz klar, inklusive Familien», sagt Martin Fiedler, Inhaber von Zentrum Reisen in Mels. (Bild icemanphotos/Shutterstock)

Nach einem verheissungsvollen Start ins Jahr ist in der Schweizer Reisebranche Flaute eingekehrt – vor allem hinsichtlich des Sommergeschäfts. Eine Umfrage von Travelnews zeigt: Zahlreiche Reisebüros liegen bei den Sommerbuchungen teilweise deutlich hinter dem Vorjahr zurück.

22.05.2024, 13:22 Uhr

Redaktion: travelnews.ch

Das Jahr 2023 bescherte vielen Reisebüros einen Rekordumsatz. Der Nachholbedarf der Schweizerinnen und Schweizer nach der Pandemie war gross, und das Portemonnaie der Reisenden sass lockerer als auch schon.

Die letzten Monate des vergangenen und die ersten des laufenden Jahres deuteten darauf hin, dass es im gleichen Stil weitergehen oder sogar noch besser werden könnte. Der schwindenden Kaufkraft und der unsicheren geopolitischen Lage zum Trotz. Die Branche meldete volle Auftragsbücher und erfreulich hohe Reisebudgets der Kundinnen und Kunden.

Beträchtliches Minus bei den Badeferien

Übers ganze Jahr gesehen zeigen sich die Schweizer Reisebüros in einer Umfrage von Travelnews auch jetzt noch zufrieden – insbesondere, was die Buchungen für den Herbst betrifft. Aber: Das Sommergeschäft harzt. Speziell bei den Badeferien am Mittelmeer ist die Buchungsdelle unübersehbar.

Dabei spielt der Branche das Wetter in die Karten: Nach einem nassen März und einem durchzogenen April präsentiert sich nun auch der Mai sehr regnerisch. Umstände, die eigentlich Lust auf Ferien in wärmeren Gefilden machen müssten. Dennoch bleiben die Kundinnen und Kunden zurückhaltend.

«Das klassische Badeferiensegment fehlt ganz klar, inklusive Familien», sagt Martin Fiedler, Inhaber und Geschäftsführer von Zentrum Reisen in Mels SG. «Alles in allem liegen wir im klassischen Sommergeschäft aktuell rund 20 Prozent hinter dem sehr starken Sommer 2023 zurück.» Und das Minus könnte laut Fiedler noch grösser werden, wenn nicht doch noch plötzlich ein Run auf Badeferien einsetzt.

Gleichwohl sei es insgesamt ein gutes Jahr, so der Reiseprofi. «Dank einem Kreuzfahrt-Boom und den überdurchschnittlichen Verkäufen von Individual- und Gruppenreisen liegen wir mit dem Gesamtumsatz praktisch auf dem Niveau des Vorjahres.»

Gestiegene Preise

Sehr ähnlich wie bei Zentrum Reisen tönt es bei Jasmina Stajic, Chefin von Pink Travel in Basel. «Wir hatten einen sehr guten Start ins Jahr mit vielen Buchungen – vor allem für den Herbst», sagt sie. Das Sommergeschäft sei allerdings durchzogen. Stajic spricht von einem Minus von mindestens zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr.»

«Wir haben auch deutlich weniger Anfragen als im vergangenen Jahr», erklärt sie. «Das heisst: Die Leute kommen gar nicht erst vorbei, sondern stellen wohl schon bei der Recherche im Internet fest, dass sie sich dieses Jahr keine Sommerferien leisten können und oder wollen.» Schwächer gebucht als 2023 seien insbesondere Spanien und – aufgrund der gestiegenen Preise – die Türkei. Trübsal blasen mag Stajic nicht. Über das ganze Jahr gesehen liege Pink Travel in etwa auf Vorjahres-Niveau, sagt sie. «Und wir haben auch schon Buchungen bis in den kommenden Frühling hinein.» Besonders gefragt seien die Malediven, Dubai und Griechenland.

Wohl denen, die andere Pfeiler haben als Strandferien am Mittelmeer, wie etwa die Reisekoffer AG in Winterthur. «Wir sind deutlich weniger abhängig vom klassischen Badeferiengeschäft als andere Anbieter. Das ist dieses Jahr sicher ein Glücksfall», erklärt Reisespezialistin Nicole Klein. «Wir haben durchs Band ein ausgezeichnetes Jahr, mit einer deutlichen Steigerung gegenüber 2023.»

Auch Glisenti Travel in St. Moritz ist von der Buchungsdelle im Sommer höchstens am Rand betroffen. «Für uns ist das Frühjahr gewichtiger als das effektive Sommergeschäft», so Geschäftsführerin Jolanda Picenoni. «Engadinerinnen und Engadiner verbringen ihre Ferien in den Monaten April, Mai und Juni im Ausland.»

Etwas abgenommen hätten gegenüber 2023 die Gruppenreisen. «Erfreulich ist hingegen, dass unsere Kundinnen und Kunden dieses Jahr wieder vermehrt eine Reise auf einem Kreuzschifffahrt buchen», sagt Picenoni. «Insgesamt sind wir analog Vorjahr unterwegs.»

Schnäppchen und Wetter könnten helfen

Vorschnell die Flinte ins Korn werfen, wollen die Reisebüros hinsichtlich des Sommers nicht. «Ein richtig verregneter Juni könnte das Geschäft nochmals ankurbeln», sagt Jonas Sulzberger vom Reisebüro Sulzberger in Neuhausen am Rheinfall SH.

Auch bei ihm laufen die klassischen Badeferien weniger gut als im vergangenen Jahr. «Wenn das Wetter schlecht ist, kommen in der Regel automatisch mehr Leute zu uns», sagt er und hält die Hoffnung aufrecht, dass sich der Rückstand im Sommer zumindest teilweise noch aufholen lässt. Jasmina Stajic versprüht ebenfalls nach wie vor Optimismus. «Ich bin zuversichtlich, dass noch die eine oder andere Buchung für den Sommer reinkommt», so die Chefin von Pink Travel. «Das Last-Minute-Geschäft könnte wieder wichtiger werden als zuletzt.»

Zudem liebäugelt sie mit Rabatt-Aktionen der Veranstalter, um das Sommerferien-Geschäft verstärkt ins Schaufenster zu stellen. «Attraktive Preise könnten durchaus zu einem erfolgreichen Endspurt beitragen», sagt sie.

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