„Wir glauben an ein langfristiges Wachstum der Emerging Markets“

Scott Berg, Portfolio Manager der Global Growth Equity Strategy bei T. Rowe Price.
Scott Berg, Portfolio Manager der Global Growth Equity Strategy bei T. Rowe Price.

Wurden die Emerging Markets vor einigen Jahren noch gefeiert, werden sie inzwischen von Investoren mit Skepsis betrachtet. Scott Berg, Portfolio Manager der Global Growth Equity Strategy bei T. Rowe Price, erläutert im Interview, warum er Emerging Markets dennoch als unterbewertet ansieht, und er listet drei Gründe auf, die für eine langfristige positive Entwicklung der Region sprechen.

21.11.2013, 08:34 Uhr

Redaktion: jod

Herr Berg, während die Industrieländer momentan im Aufschwung sind, schwächeln die Emerging Markets (EM). Wo liegen die Gründe für die unterschiedliche Entwicklung?
Scott Berg: 2013 war hier sehr untypisch, denn normalerweise führt ein Aufschwung der Industrieländer – aufgrund einer erhöhten Risikotoleranz – auch zu stabilem Wachstum der Aktien der Emerging Markets. Ein Grund ist sicher das nur mässige Wachstum der Emerging Markets im Unterschied zu der lang erwarteten Verbesserung des Wirtschaftswachstums der Industrieländer. Dies ist unabhängig von der Tatsache, dass absolut gemessen das Wachstum der Industrieländer immer noch weit kleiner ist. Zudem haben insbesondere die BRIC-Staaten enttäuschende und instabile Gewinnentwicklungen präsentiert. Auch wenn sich die Unternehmensgewinne seit der Finanzkrise wieder verbessert haben, können Sie – vor allem im Aggregat – Investoren noch nicht überzeugen. Als dritten Punkt kann man noch die zyklischen Verzerrungen der EM-Volkswirtschaften nennen, vor dem Hintergrund einer ungewohnt defensiven Erholung der Aktienmärkte.

Sollte man dennoch in Emerging Markets investieren?
Auch wenn die Renditen und Wachstumsraten kurzfristig wohl weiterhin ernüchternd bleiben, gehen wir dennoch davon aus, dass die Emerging Markets tendenziell unterbewertet sind, vor allem im Blick auf die langfristigen Gewinnerwartungen. Wir glauben, dass sich auf lange Sicht die positiven Entwicklungsaussichten der Schwellenländer nicht geändert haben und man Unternehmen identifizieren kann, die langfristiges, überdurchschnittliches Wachstum versprechen. Die gegenwärtigen zurückhaltenden Einschätzungen der gesamten Region sehen wir eher als einen taktischen Vorteil. Für strategisch denkende Investoren gibt es also ausreichend attraktive Optionen – vorausgesetzt, die Investoren setzen auf optimierte Entscheidungsprozesse.

Was spricht für eine langfristig positive Entwicklung der EM?

Zum einen glauben wir, dass der Anteil der Schwellenländer am globalen GDP im Zeitverlauf signifikant steigen wird. Diese Annahme basiert auf Prognosen des International Monetary Fund. Vor allem aber treiben positive Gewinnentwicklungen die Aktienkurse - jedenfalls für Investoren mit langfristigen Perspektiven.

Zudem verfügen die Schwellenländer – mit Ausnahme von China - über eine relativ junge Bevölkerungsstruktur im Verhältnis zu den entwickelten Märkten. Die jüngere Bevölkerung in den Emerging Markets drängt von den ländlichen Gegenden in die Städte, was wir als Wachstumstreiber ansehen. Auch der Aufholprozess der Produktivität in der Region bietet Aussichten für das Wirtschaftswachstum. Weitere positive Szenarien basieren auf der Herausbildung von Mittelklassen aufgrund der Vermögensbildung sowie der Verlagerung von Export-getriebenem zu Konsum-getriebenem Wachstum. Im Vergleich zu den entwickelten Märkten sprechen diese Konsumtrends klar für die Schwellenländer.

Ausserdem untergewichtet der typische Global Equity Manager Aktien aus Schwellenländer immer noch – obwohl die Region Mitte 2013 schon mehr als 11 % des MSCI ACWI-Index ausmachte: ein Anteil, der über die letzten 10 Jahre um 150 % gewachsen ist. Doch der Trend geht in Richtung der Schwellenländer: Prognosen sehen den Anteil der EM Aktien am MSCI ACWI-Index (ein breit gestreuter Aktien-Index) für 2020 bei 19 % und für 2030 bei 31 % (Schätzungen von Goldman Sachs). Diese Entwicklung wird das Verhalten von Investoren zugunsten der EM-Aktien beeinflussen - begünstigt auch durch zusätzliche Anlagemöglichkeiten der EM aufgrund von IPOs, Privatisierungen und der Auflösung von cross-ownership-Beteiligungen. Mit dem erwarteten Wirtschaftswachstum der Schwellenländer wird es auch mehr Nachfrage nach den heimischen Aktien geben, unterstützt durch die sich verstärkende Nachfrage aufgrund des Sparkapitals aus den entwickelten Märkten.

Gibt es Länder in der Region, die Sie favorisieren?

Sicherlich sollte man die Emerging Markets differenziert betrachten. Wir glauben, dass es vor allem in Asien, dem Nahen Osten und Afrika sowie - mit Einschränkungen - in Latein Amerika interessante Renditemöglichkeiten bestehen. So bleiben in Asien die langfristigen Fundamentaldaten attraktiv, trotz Marktabschwächungen aufgrund von Befürchtungen einer härteren Geldpolitik in den USA. Auch im Nahen Osten zeigten die Aktien Durchhaltevermögen in einer Region, die über ein starkes ökonomisches Profil verfügt. In Latein Amerika enttäuscht insbesondere Brasilien, wo Gewinne durch Kosteninflation und exzessive Unternehmensinvestitionen geschmälert werden.

Welche Risiken sehen Sie aufgrund der Politik der FED und der EZB?

Sicherlich waren die quantitative Lockerung der Fed sowie die politischen Massnahmen der EZB wichtige Schritte, um Finanzmarktstabilität herzustellen. Dennoch werden die Massnahmen ein Balanceakt bleiben: Die Kraft und die Vitalität der wirtschaftlichen Erholung hängen weiterhin ab vom Vertrauen und den Ausgaben der Wirtschaft, von der Erholung bei den Verbrauchern und den Unternehmen und ausserdem davon, wie fiskalische Sparsamkeit in Einklang mit der Notwendigkeit langfristigen Wachstums gebracht werden kann. Wir glauben, dass der Beitrag der Industrieländer zum globalen Wachstum wahrscheinlich unter langfristigen Trends bleiben wird, und dass jede negative Nachricht Volatilitäten an den Börsen verursachen wird. Das öffentliche Nachdenken der FED über eine Reduzierung der quantitativen Lockerung hat ebenfalls Auswirkungen auf die EM-Welt, am stärksten in der Form eines fragileren Gleichgewichts zwischen kurzfristigen nationalen Wachstums-Strategien und damit in Konflikt stehenden externen Faktoren.

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