Was macht die Börse so stark?

KI ist ein treibendes Element an den Börsen, die produktivitätssteigernde Wirkung ist noch längst nicht ausgereizt. (Bild: Shutterstock.com/Zerbor)
KI ist ein treibendes Element an den Börsen, die produktivitätssteigernde Wirkung ist noch längst nicht ausgereizt. (Bild: Shutterstock.com/Zerbor)

Die Probleme dieser Welt – es sind nicht wenige – scheinen an der Börse abzutropfen. Der US-Index S&P 500 zum Beispiel hat seit Anfang Jahr rund 9 Prozent an Wert gewonnen. Woher diese Stärke? Asset Manager Pimco liefert Antworten.

22.08.2025, 17:01 Uhr
Aktien

Redaktion: hf

Weshalb scheinen die Aktienmärkte, worunter die Leitbörse USA, so entkoppelt von der Realwirtschaft? «Unsere Analyse deutet darauf hin, dass dies auf drei Faktoren zurückgeht: Messmethoden, politische Einflüsse und die Zusammensetzung der grossen US-Indizes», erklärt Ökonomin Tiffany Wilding von Pimco.

Die wirtschaftliche Leistung wird typischerweise in realen (inflationsbereinigten) Grössen gemessen, während die Aktienmärkte nominales Umsatz- und Gewinnwachstum pro Aktie (EPS) spiegeln, fährt Wilding fort. Im Gegensatz zum deutlich schwächeren realen BIP-Wachstum der USA von annualisiert 1,2 Prozent lag das nominale BIP-Wachstum im ersten Halbjahr 2025 bei annualisiert 4,1 Prozent.

Gemäss Daten des Analyseinstituts S&P Global liegt der nominale Wert deutlich näher am durchschnittlichen Umsatzwachstum pro Aktie im S&P 500 von 4,4 Prozent, jedoch immer noch klar unter dem annualisierten Anstieg des aggregierten Gewinns pro Aktie im Index von 14 Prozent im ersten Halbjahr. Das zu den Messmethoden.

Der Politik unterschiedlich ausgesetzt

Zum zweiten Faktor, der Politik: Wie Pimco-Ökonomin Wilding ausführt, treffen die politischen Veränderungen unter der zweiten Trump-Administration – die sich auf Handel, Steuern und Einwanderung auswirken – die S&P-500-Unternehmen anders als die Tausenden meist kleineren Firmen in der breiten US-Wirtschaft.

S&P-Unternehmen, besonders die grossen Player und nicht zuletzt die führenden Technologiekonzerne, sind tendenziell grösser und kapitalintensiver und profitieren stärker von den jüngst verlängerten Unternehmenssteuersenkungen und grosszügigen Investitionsanreizen. Sie sind zudem besser in der Lage, zollbedingte Kosten durch Diversifizierung und Marktanteilsgewinne abzufedern.

S&P 500 vs. Russell 2000

Dieser Unterschied zeigt sich in der Marktperformance: Der S&P 500 liegt seit Jahresbeginn rund 9 Prozent im Plus, während der Russell 2000, der kleinere Gesellschaften abbildet, nur knapp 3 Prozent zugelegt hat.

Branchenschätzungen zufolge wird die aggregierte Belastung der höheren Zölle aller Voraussicht nach für die (grösseren) S&P-Unternehmen durch Steuervorteile kompensiert.

Auch die Abwertung des Dollars kommt führenden multinationalen Unternehmen zugute. Die sieben grössten Konzerne der erzielen fast 50 Prozent ihres Umsatzes ausserhalb der USA, verglichen mit 28 Prozent beim S&P insgesamt, rechnet Wilding vor. Selbst die kleineren 400 der insgesamt 500 im S&P vertretenen Firme erzielen im Schnitt fast ein Viertel ihrer Erlöse im Ausland.

Ein Grossteil der Indexsteigerung stammt von Unternehmen, die mit dem KI- und Digitalisierungszyklus zusammenhängen. «Technologie trägt zwar ebenfalls zum realen BIP-Wachstum bei, doch ihr Beitrag zur Gesamtwirtschaft ist weit geringer als ihr Beitrag zu den Aktienmarktrenditen», so Pimco. Der Informationssektor machte im ersten Quartal nur etwa 5,4 Prozent des gesamten US-BIP aus, repräsentiert jedoch rund 40 Prozent der Marktkapitalisierung des S&P 500.

KI-Implementierung treibt den Markt voran

Gleichzeitig müsse anerkannt werden, dass die Investitionen im Zusammenhang mit digitaler Transformation das US-BIP stützten. Das US-Finanzhaus schätzt, dass Ausgaben für Computer-Hardware, Software und Forschung und Entwicklung im ersten Halbjahr 2025 rund einen Prozentpunkt zum annualisierten realen BIP-Wachstum beigetragen haben.

Ohne diesen Beitrag wäre das Wachstum nahezu stagniert. Und die Investitionen dürften hoch bleiben, solange Unternehmen versuchten, die erwartete KI-Nachfrage zu bedienen.

Wie lange diese Entkopplung andauere, und ob und wie sie sich auflöse, werde für die Aktienmarktentwicklung entscheidend sein. Produktivitätsgewinne durch eine breitere KI-Implementierung würden die Wirtschaft beleben und die Aktienperformance weiterhin stützen.

Andernfalls droht Ernüchterung

Jedoch relativiert Pimco. Angesichts der politischen Unsicherheiten und zollbedingten Preissteigerungen, die Einkommen, Konsum und Investitionen belasten dürften, seien die Märkte in den kommenden Quartalen verstärkt darauf angewiesen, dass die technologische Revolution tatsächlich weiterläuft.

Andernfalls, so Wilding, riskiere der Markt, sich der derzeit stagnierenden ökonomischen Realität wieder anzunähern.

Alle Artikel anzeigen

Diese Website verwendet Cookies, um Ihnen eine bestmögliche Nutzung zu ermöglichen. Mit der Annahme der Cookies bestätigen Sie, dass Sie ein professioneller Anleger mit Sitz in der Schweiz sind.> Datenschutzerklärung