Verdirbt der Ölpreis die Partylaune?

Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management
Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management

Im Februar stieg der Preis für Erdöl um rund 10 Prozent. Gleichzeitig setzen die globalen Aktienmärkte ihren aktuellen Höhenflug fort, wobei ölpreissensitive Zykliker und Finanzwerte das Feld anführen. Unerwartet gute Wachstumsdaten und die Schaffung von reichlich Liquidität überwogen eindeutig den negativen Effekt hoher Ölpreise. "Kann das so weitergehen?", fragt Ad van Tiggelen von ING Investment Management.

02.03.2012, 14:20 Uhr

Historisch machen steigende Erdölpreise den Aktienmärkten nicht allzu viel aus – vorausgesetzt, dass der Anstieg allmählich verläuft und von einer Zunahme der Nachfrage getrieben wird. Denn schliesslich geht eine steigende Nachfrage nach Erdöl mit einem auskömmlichen Wachstum der Wirtschaftsleistung einher, ein Faktor, der das höhere Preisniveau aufwiegt. Doch wann immer der Anstieg plötzlich und steil verlief (also über 30 Prozent in drei Monaten) oder von Lieferengpässen ausgelöst wurde, purzelten die Aktienkurse.

Erstaunliche Selbstzufriedenheit
Insofern war die von der Anlegerschaft im Februar an den Tag gelegte Selbstzufriedenheit doch erstaunlich, denn der Ölpreis kletterte recht zügig, während die Preise anderer Rohstoffe im selben Zeitraum kaum zulegten. Insofern ist dieser Anstieg wohl zumindest teilweise auf die wachsenden Spannungen im Hinblick auf den Iran zurückzuführen; hier ist durchaus mit Unterbrechung der Erdölversorgung zu rechnen. Gleichwohl beträgt der geopolitische Risikoaufschlag beim Ölpreis weniger als 10 Dollar und ist in Anbetracht der Folgen, die ein Zwischenfall in der Region haben könnte, vergleichsweise gering. Tatsächlich könnte ein solcher Zwischenfall den Ölpreis um 30 Dollar – oder sogar noch mehr – in die Höhe treiben.

Die gute Stimmung war im vergangenen Monat nicht nur unter Investoren, sondern auch bei Verbrauchern und Unternehmen zu beobachten. So stieg die Zuversicht unter US-Verbrauchern prozentual stärker als der Preis an der Zapfsäule! Auch in Deutschland breitete sich Optimismus aus.

Dieses Verhalten lässt sich nur durch die historisch einmaligen Konjunkturspritzen erklären, die die grössten Zentralbanken der Welt der globalen Wirtschaft verabreicht haben. Anleger sorgen sich weniger um die Ölversorgung, wenn sie sich keine Gedanken um die Liquiditätsversorgung machen müssen. Davon abgesehen haben die anhaltenden Konjunkturmassnahmen und die Schaffung zahlreicher neuer Arbeitsplätze ebenfalls die Stimmung gehoben.

Erdölkonzerne bieten Schutz
Nach einem ausgezeichneten Start könnte es allerdings demnächst zu Gewinnmitnahmen an den Aktienmärkten kommen. Auslöser könnte ein weiterer Anstieg der Erdölpreise sein, denn die Dynamik der Liquiditätsentwicklung hat inzwischen wohl ihren Höhepunkt erreicht. Dabei darf man nicht vergessen, dass eine vom Ölpreis getriebene Korrektur zu einer radikalen Trendwende bei der Sektor-Performance führen würde. Die zyklischen Sektoren, die im bisherigen Jahresverlauf die stärksten Kurssteigerungen erlebt haben, würden am deutlichsten nachlassen. Die defensiven Sektoren, die der Marktentwicklung in diesem Jahr bislang hinterhergehinkt sind, würden dann wahrscheinlich recht gut abschneiden. Der einzige Sektor, der hier noch Schutz bietet, ist die Energiebranche, vor allem die Erdölkonzerne.

Im Endeffekt sehen wir den jüngsten Anstieg der Ölpreise nicht als unmittelbare Bedrohung für die Stimmung an den Aktienmärkten. Der Anstieg ist (noch) nicht deutlich genug und die Sorgen um die Angebotssituation (noch) nicht ausgeprägt genug, um die positiven Impulse durch neu geschaffene Liquidität, extrem niedrige Zinsen und eine allgemein solide Wirtschaftstätigkeit zu torpedieren. Dennoch wäre eine Fortsetzung des jüngsten Preistrends ein klares Risiko. Dies gilt umso mehr, als dass die Dynamik der Bereitstellung von Liquidität ihren Höhepunkt bereits hinter sich hat und demnächst auch Wahlen in der Eurozone anstehen.

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