04.12.2024, 10:51 Uhr
«Während die Märkte von einer lockeren Geldpolitik beflügelt werden, drohen politische Umwälzungen in den USA sowie geopolitische Spannungen», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam in...
Laut Mikio Kumada von LGT wuchsen die US-Firmengewinne, wenn man den Effekt der Rohstoffbaisse ausklammert, trotz der deutlichen US-Dollar-Aufwertung in den letzten drei Quartalen im Schnitt um rund 10%.
Bevor wir die laufende Berichtssaison für das zweite Quartal 2015 kommentieren, wollen wir die wichtigsten Entwicklungen seit dem Ende dem Q2 der Vorjahres Revue passieren lassen. Die US-Unternehmen haben in diesem Zeitraum einige aussergewöhnliche Preisschocks, die primär von Entwicklungen in Übersee verursacht wurden, wegstecken müssen:
Extreme Schwankungen an den Rohstoff- und Währungsmärkten
Der Rohölpreis ist um rund 55% eingebrochen, die Industriemetallpreise um knapp 25% (Bloomberg Industrial Metals Spot Index). Mit Ausnahme des Yuan haben alle Währungen stark an Wert verloren. Der USD hat gegenüber dem von der Federal Reserve gemessenen breiten handelsgewichteten Index von Währungen rund 16% zugelegt. Gegenüber den Hauptwährungen sind es sogar 19%. Grosse Schwellenländer wie Brasilien und Russland befinden sich in einer Rezession, und Chinas Wachstum ist deutlich gesunken. Der kurz vor Quartalsende erfolgte Börsencrash in China und die nachfolgende Volatilität an den globalen Finanzmärkten hat zumindest temporär Auswirkungen auf die Ergebnisse der Investmentbanken. Diese bekannten Schwankungen belasten natürlich die Sektoren Energie, Materiale und Finanzen. Überall dort, wo Währungsrisiken weder aktiv abgesichert (Hedging) noch passiv ausgeglichen (z.B. ausländische Kostenanteile) werden, belastet ausserdem auch der starke USD die Erträge.
Um die Dimension der Entwicklung klarzustellen: Aus US-Sicht befindet sich die Welt eindeutig in Rezession. Gemäss Berechnung des Internationalen Währungsfonds wird das nominale Weltbruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr nämlich um 5.9% sinken. Das ist beachtlich, denn einen Rückgang des nominalen Welt-BIP in USD gab es zuletzt 2009 (-5.5%), kurz nach der Finanzkrise.
Zugrundeliegendes US-Trendwachstum als Indikator
Umso bemerkenswerter ist daher die Robustheit der US-Binnenkonjunktur und das resultierende Trendwachstum der Gewinne in den anderen Sektoren. Die negativen Basiseffekte der erwähnten Preisschocks werden mit der Zeit abklingen. Sollte die Profitabilität der restlichen Sektoren im Q2 höher als erwartet ausfallen und die US-Wirtschaft auf Kurs bleiben, dann dürfte sich auch das S&P-Gesamtergebnis zukünftig deutlicher als derzeit prognostiziert erholen. Diese Erholung würde umso deutlicher ausfallen, je schneller USD-Stärke und Rohstoffbaisse abklingen oder zumindest temporär reversiert werden.
Hinzu kommt, dass die negativen Effekte der Rohstoffbaisse bzw. der USD-Stärke sofort wirken, während die positiven Effekte mehr Zeit brauchen. Sie müssen sich zuerst auf den allgemeinen Konsum und die Investitionstätigkeit auswirken, bevor sie sich auch in den Geschäftsbilanzen bemerkbar machen.
US-Binnenkonjunktur wird tendenziell unterschätzt
Die ersten Indikationen aus der Berichtssaison gehen tendenziell in die richtige Richtung. Auf Basis der bisher ausgewiesenen Ergebnisse (86 von 500) ist der Q2-Gewinn pro Aktie (EPS) des S&P 500 gegenüber Vorjahr um 7.9% gesunken (2.2% über den prognostizierten EPS), aufgrund grosser Einbrüche in den Branchen Energie (-55%), Materials (-30%) und zum Teil Finanzen (Investmentbanken: -27%). Die EPS der übrigen sieben Hauptsektoren sind allerdings um nur 4.1% gesunken. Das aggregierte EPS dieser Sektoren liegt damit 4.5% über dem Konsenswert. In der Grundtendenz scheint die zugrundeliegende, primär inneramerikanische Ertragssituation die Konsenserwartungen deutlicher zu übertreffen, als die Prognose für den Gesamtindex. Das ist erfreulich, weil es zusätzlichen Spielraum für positive Wachstumsüberraschungen in den kommenden Quartalen bietet.
Zugrundeliegendes US-Gewinnwachstum bleibt ansehnlich
Das EPS-Wachstum der S&P 500-Unternehmen ist von 9% im Q3/2014 auf voraussichtlich -2.5% gesunken (siehe Seite 2, Veränderung gegenüber Vorjahr, Konsensschätzungen gemäss Bloomberg). Grund dafür waren primär die Ertragseinbrüche in den Sektoren Energie, Materiale und teilweise auch Finanzen. Ohne diese drei Sektoren blieb das EPS-Wachstum aber auf hohem Niveau: In den letzten drei Quartalen betrug es im Schnitt um 9.7% p.a. Nun rechnet der Konsens für das Q2/2015 mit einer Halbierung des EPS-Wachstums auf 5% und mit einem deutlichen Rückgang im Q3 (vgl. goldene Balken, siehe PDF, Seite 2).
Die ersten Indikationen aus der Ertragssaison (rund 17% der Ergebnisse liegen vor) weisen darauf hin, dass diese Erwartungen aufgrund der relativen Robustheit der US-Binnenkonjunktur zu vorsichtig sind. Bisher sind die aggregierten Ergebnisse ausserhalb der drei erwähnten Branchen wie bereits erwähnt höher als erwartet ausgefallen.
Trendwachstum im US-Privatkonsum bleibt ungebrochen
Eine grundsätzlich identische Situation können wir auch am Beispiel der amerikanischen Einzelhandelsumsätze beobachten (siehe PDF, Seite 2, monatlich, nominal, in USD). Seit Mitte 2014 ist eine Abflachung des Wachstums der Gesamtumsätze (graue Line, PDF, Seite 2, Grafik 2) sichtbar. Dieses geht jedoch primär auf die gesunkenen Treibstoffpreise zurück. Die um diese Treibstoffverkäufe bereinigten Umsätze (blaue Linie, PDF, Seite 2, Grafik 2) zeigt seit der letzten Rezession vor fast sieben Jahren allerdings weiter stabil nach oben. Kurz: Die Amerikaner geben weniger Geld für die gleiche Menge Benzin aus. Ansonsten hat sich das Konsumverhalten aber kaum verändert. Mit der Zeit könnten die Treibstoffausgabenersparnisse zudem die anderen Konsumsegmente zusätzlich beleben.
Die am vergangenen Mittwoch publizierten Septemberdaten hatten mit einem Zuwachs von nur 0.1% gegenüber dem Vormonat den Erwartungswert von 0.2% verfehlt, was aus kurzfristiger Sicht enttäuschend sein mag. Im grossen Bild zeigt sich jedoch, dass die jüngste Schwäche nicht wirklich der Rede wert ist. Die Stabilität des Wachstums der Einzelhandelsumsätze bietet zudem ein weiteres Indiz dafür, dass die laufende Q2-Berichtssaison am Ende doch einen insgesamt ansehnlichen Leistungsausweis für die US-Unternehmen bringen könnte.