Stabilisierung im neuen Jahr wahrscheinlicher als Rezession

Die Zürcher Kantonalbank geht davon aus, dass sich die Wirtschaft 2020 stabilisieren wird. (Bild: Shutterstock.com/Elnur)
Die Zürcher Kantonalbank geht davon aus, dass sich die Wirtschaft 2020 stabilisieren wird. (Bild: Shutterstock.com/Elnur)

Zwar dümpelt die globale Wirtschaft vor sich hin und geopolitische Spannungen belasten, eine Rezession steht aber nicht vor der Tür. Dafür ist die Konsumentenstimmung zu freundlich und das Ende des Tiefzinsumfelds nicht abzusehen, schreibt die Zürcher Kantonalbank in ihrem Ausblick.

27.11.2019, 15:47 Uhr

Redaktion: lek

Die Weltwirtschaft ist 2019 in eine Schwächephase eingetreten, wobei sich die USA als letzte der grossen Volkswirtschaften dieser Entwicklung nicht entziehen konnten. Das CIO-Office der Zürcher Kantonalbank (ZKB) schätzt in ihrem Ausblick auf das kommende Jahr, dass die Schwächephase im nächsten Jahr anhalten wird und setzt die Wachstumsprognosen 2020 für die Weltwirtschaft tiefer an. Eine Stabilisierung der Weltwirtschaft scheint aber insgesamt deutlich wahrscheinlicher als eine Rezession.

Für das Szenario der Stabilisierung sprechen verschiedene Gründe: Der Welthandel wird sich 2020 nicht weiter verschlechtern, was den Industriesektor stabilisieren dürfte. Der Dienstleistungssektor zeigt sich robust, er wird vom Handelskonflikt zwischen China und den USA im Gegensatz zum Industriesektor deutlich weniger beeinträchtigt. Im Handelskonflikt wie auch im Brexit dürften die konstruktiven Verhandlungsmomente überwiegen. Trotz des schwächer erwarteten Wirtschaftswachstums wird der Auslastungsgrad der Wirtschaft ausreichend hoch bleiben und Beschäftigung und Einkommenserwartung unterstützen. Die Konsumentenstimmung bleibt entsprechend freundlich. Zudem werden die Notenbanken die Märkte weiterhin mit Liquidität versorgen und so den schwachen Aufschwung verlängern.

Abschwächung hat USA erreicht

Doch das CIO-Office der ZKB warnt, dass auch wenn sich die Zeichen der Stabilisierung mehren, nicht mehr als eine Verlangsamung des konjunkturellen Abwärtstrends erwartet werden kann. Insbesondere, weil die globale Abschwächung der Konjunkturdynamik nun auch die USA erfasst hat. Das US-Wachstum dürfte 2020 leicht unter 2% liegen, was einem neutralen Auslastungsgrad der Wirtschaft entspricht. Der US-Arbeitsmarkt und -Konsum bleiben die tragenden Pfeiler. Ausserhalb der USA wird sich das Wachstum laut Schätzungen der ZKB leicht unter dem neutralen Auslastungsgrad einpendeln. Der Welthandel ist noch zu schwach, um belebende Wachstumsimpulse zu erzeugen. Andererseits sind die Binnenkonjunkturen genug robust, um eine Rezession zu verhindern.

Die Eurozone wird 2020 mit 0,8% leicht unter Potenzial und die Schweizer Wirtschaft dank Sondereffekten wie den Einnahmen von internationalen Sportveranstaltungen um 1,2% wachsen. In China rechnet das CIO-Office mit einer Fortsetzung der Wachstumsverlangsamung in Richtung 5,8%. Die daraus resultierende Beeinträchtigung für das Weltwirtschaftswachstum – insbesondere in den anderen Schwellenländern – mindert sich jedoch.

Die expansive Geldpolitik ist noch nicht vorbei

Aufgrund des strukturell schwachen Aufschwungs und nicht erreichter Inflationsziele dürfte die expansive Geldpolitik noch lange fortgeführt werden, meint die ZKB. Dem Zeitgeist entsprechend gewinnen fiskalpolitische Stimuli und staatliche Investitionen an Akzeptanz, um den Konjunkturzyklus zu stützen. Vor diesem Hintergrund haben die Notenbanken wenig Handlungsbedarf, weitere Zinssenkungen vorzunehmen. Eine zusätzliche Verschärfung der Negativzinsen scheint daher für 2020 laut den Experten unwahrscheinlich. Die US-Notenbank Fed wird die abnehmenden Konjunkturrisiken und den schwächeren US-Dollar für eine Zinspause nutzen und die Zinsdifferenz zum globalen Zinsgefüge festigen. Auch für die Schweizerische Nationalbank dürften die Hürden einer weiteren Zinssenkung derzeit zu hoch sein. Denn die Schweizer Wirtschaft entwickelt sich solide: Auch 2020 wird sie weiterwachsen. Die Arbeitslosenrate ist auf einem 10-Jahres-Tief und die Schweizer Exportindustrie profitiert vom Pharmasektor, der weniger abhängig vom Zyklus ist.

Im Hinblick auf die Notenbankpolitik der Europäischen Zentralbank wird Christine Lagarde das Erbe von Mario Draghi weiterführen und mehr fiskalpolitische Stimuli fordern. Im nächsten Jahr dürfte gemäss ZKB die globale Fiskalpolitik insgesamt defizitär ausfallen. Die fiskalischen Impulse werden gerade reichen, um die konjunkturelle Stabilisierung zu stützen, aber insgesamt zu wenig sein, um die Konjunktur zu beleben oder eine Zinsnormalisierung auszulösen.

Aktien sind nach wie vor zu bevorzugen

Die Markteilnehmer haben eine Stabilisierung der Weltwirtschaft in den Kursentwicklungen bereits berücksichtigt. Dies bedeutet, dass die Märkte 2020 nicht mehr die gleiche Dynamik wie 2019 haben werden. Aufgrund der negativen Realrenditen sind Obligationen aus Ertrags- und Bewertungssicht derzeit wenig attraktiv. Der Aktienmarkt bietet dagegen eine positive Dividendenrendite, weshalb gemäss der Meinung der ZKB Aktien im gemischten Portfolio den Obligationen vorgezogen werden sollten. Selbst ein gradueller Anstieg der Realrenditen im Rahmen der Konjunkturstabilisierung ändert diese Rangordnung nicht. Der US- und der Schweizer Aktienmarkt sind relativ zu den anderen Aktienmärkten zwar teurer, locken aber mit höherem Gewinnwachstumspotenzial. Die US-Präsidentschaftswahl dürfte für Volatilität sorgen, aber nichts an dieser Fundamentaleinschätzung ändern.

Christoph Schenk, CIO der Zürcher Kantonalbank, meint zur Anlagepolitik im kommenden Jahr: "Sowohl aus Bewertungs- als auch Ertragssicht: Aktien bleiben auch 2020 die bevorzugte Anlageklasse. Besonders attraktiv sind derzeit Schweizer und US-Aktien. Mit Obligationen können Investoren derweil nur wenig Rendite erwirtschaften – die Ausnahme bilden Obligationen aus Schwellenländern, da diese vom leicht schwächeren US-Dollar profitieren."

In Europa stützen die robuste Binnenkonjunktur und die expansive Geldpolitik die Unternehmensgewinne. Die ZKB geht davon aus, dass die Brexit-Abwicklung sowie die Neubesetzung wichtiger EU-Posten in der EU und UK viel politische Energie binden werden. Das erschwert das Vorantreiben von wirtschaftsfreundlichen Reformen und hemmt die Zuversicht der Investoren. Die konjunkturellen Impulse der Schwellenländer werden sich auf den Binnenmarkt konzentrieren und sich erst in einer späteren Phase vorteilhaft auf den Welthandel auswirken. Für eine positive Überraschung könnte eine anhaltende Entspannung im Handelskonflikt zwischen China und den USA sorgen.

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