04.12.2024, 10:51 Uhr
«Während die Märkte von einer lockeren Geldpolitik beflügelt werden, drohen politische Umwälzungen in den USA sowie geopolitische Spannungen», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam in...
Auf den Aufschwung von 2016 folgte eine Stabilisierung. Während Unternehmensgewinne, Börsenkurse und Stimmungsindikatoren neue Hochs erreichten, sanken die Inflationserwartungen weltweit unter die Zielwerte herab. "Es ist daher sinnvoll, den Ausblick immer wieder kritisch unter die Lupe zu nehmen. Für grössere Revisionen ist es aber noch zu früh", sagt Mikio Kumada von LGT Capital Partners.
Das Makrobild blieb im ersten Halbjahr gutartig: Die Developed Markets (DM) verzeichneten genügend Realwachstum, aufgehellte Arbeitsmärkte und stärker steigende Unternehmensgewinne, während die Geschäfts- und Konsumentenbarometer mehrjährige Höchststände erreichten. In den USA realisierten die Aktienindizes historische Rekorde, in Asien übersprangen sie endlich die zuletzt vor der Finanzkrise von 2008 gesichteten Niveaus. Europa und die Emerging Markets (EM) sind zwar nach wie vor am weitesten von diesen Marken entfernt doch dafür liefen sie dank entsprechenden Aufholpotenzialen besser als viele andere Märkte. Auch EM-Anleihen und die Kreditmärkte boten überdurchschnittliche Renditen.
Die auffälligste Veränderung gegenüber 2016 stellte die Schwäche der rohstoffexportierenden Märkte dar. Schwellenländer, die sich stärker auf Industrie- und Konsumgüter, Infrastrukturinvestitionen und globale Dienstleistungen konzentrieren, zeigten hingegen eine besonders ausgeprägte Stärke (z.B. Südkorea, China, Taiwan und Hongkong). Auch die östlichen EU-Staaten zählten zu den Outperformern, was den zyklischen Aufschwung des Euroraums und das gestärkte politische Vertrauen in die EU unterstreicht.
Vor diesem Hintergrund hob die US Federal Reserve (Fed) im März und Juni wie erwartet den Leitzins an und konkretisierte zudem ihre Absicht, möglichst bald mit der graduellen Reduktion der US-Basisgeldmenge zu beginnen (auch als «Bilanznormalisierung» bzw. «quantitative Straffung» bekannt). Und genau hierin verbirgt sich ein gewisses Risiko für den Makroausblick.
Erste potenziell riskante Divergenzen
Zunächst sollte man festhalten, dass der Fed-Kurs bisher generell zu keiner grossen Reduktion der globalen Wachstumserwartungen geführt hat. Das zeigen die weltweit steigenden Aktienkurse und Gewinnschätzungen. Andererseits sind seit der US-Zinserhöhung vom März sowohl die tatsächlichen als auch die erwarteten Inflationsraten deutlich unter die Zielwerte gefallen, während die Zinskurven weiter abgeflacht sind und Rezessionsrisiken suggerieren (vgl. PDF, Charts 1 bis 4, Seite 2). Darüber hinaus kommt diese Entwicklung zu einer Zeit, in der die Makrodaten generell den teilweise sehr hohen Stimmungsindikatoren eher hinterherhinken. Das alles illustriert, dass zumindest in den Anleihenmärkten die Konjunkturskepsis zugenommen hat.
Die Inflationsentwicklung sollte in den kommenden Monaten daher verstärkt im Auge behalten werden. Sinkende Inflationserwartungen wirken sich negativ auf das nominale Bruttoinlandsprodukt und damit auf die Unternehmensgewinne aus. Sollte sich die Inflation im zweiten Halbjahr nicht wie von der Fed und anderen Zentralbanken erwartet erholen, dann müsste man zukünftig auch mit mehr Enttäuschungen bei den Unternehmensgewinnen rechnen (insbesondere, wenn die Gewinnerwartungen weiter ansteigen).
Dennoch schätzt Mikio Kumada von LGT den Börsenausblick insgesamt weiter als positiv ein. Die diesjährigen Kurssteigerungen sind schliesslich durch die Unternehmensgewinne untermauert. Letztere sind in den vergangenen Quartalen sogar generell stärker gestiegen als die Aktienkurse, weswegen die Bewertungen heute mehrheitlich sogar etwas tiefer notieren als vor sechs Monaten (vgl. PDF, Chart 4, Seite 2). Geht man davon aus, dass die aktuelle disinflationäre Entwicklung tatsächlich temporärer Natur ist (oder, dass die Notenbanken gegebenenfalls ihre Haltung entsprechend anpassen würden), dann haben Aktien aus fundamentaler Sicht nach wie vor ein signifikantes Aufwärtspotenzial. Gleichzeitig bieten die relativ moderaten Marktbewertungen einen gewissen Puffer nach unten, mit dem kurzfristige Unsicherheitsphasen leichter überbrückt werden können.