23.12.2024, 08:37 Uhr
Der Spezialkunststoff-Hersteller Gurit will sich künftig ganz auf profitablere Regionen und Geschäftsbereiche konzentrieren. Im Zuge der angekündigten Restrukturierung sollen Werke in Dänemark, Indien und der...
Seit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gehen die Analysen und Einschätzungen im Hinblick auf die Schwellenländer extrem auseinander. Alles in allem überwiegen jedoch die negativen Beurteilungen, bilanzieren die Experten von Oddo.
Einerseits waren sich viele Experten einig, dass sich Makroökonomie und die mikroökonomischen Fundamentaldaten allmählich verbessern und dass 2017 sicherlich positive Überraschungen bereithält. Andererseits war angesichts der Androhung handelspolitischer Repressalien gegen einige Schwellenländer erhöhte Vorsicht geboten.
Die Ende 2016 und Anfang 2017 durchweg geschmähten Schwellenländeraktien und -anleihen weisen per 15. März ein Plus von 8,8% bzw. 1,75% (auf Euro-Basis) auf und belegen damit Spitzenplätze in ihren jeweiligen Anlageklassen. Wie ist der aktuelle Stand der Kontroverse?
Aufhellung des makroökonomischen Horizonts trotz grosser Diskrepanzen
Erstmals seit mehreren Jahren wurden die Wachstumsprognosen der BRICS Staaten für 2017 angehoben (auf 5,4%) und liegen damit deutlich über den 4,75% für 2016. Angetrieben wird diese Dynamik in erster Linie von Brasilien und Russland, die derzeit gerade eine Rezession hinter sich lassen. Bemerkenswert ist ferner, dass die Demonetisierung der indischen Wirtschaft mitnichten die desaströsen Verwerfungen ausgelöst hat, die ursprünglich erwartet worden waren, und dass die makroökonomische Entwicklung in Indien positiv überrascht hat.
An der Inflationsfront bietet sich kein homogenes, sondern eher ein gemischtes Bild: Die Inflation ist in Lateinamerika weiter rückläufig, beschleunigt sich hingegen in Asien, wobei der markanteste Anstieg in Mittel- und Osteuropa verzeichnet wird. Mexiko, Indien und Russland bilden in ihren jeweiligen Regionen dabei die Ausnahmen.
Obwohl die Massnahmen der jeweiligen Zentralbanken die Konjunktur ihrer lokalen Volkswirtschaften flankieren, bleiben sie vorsichtig. Einzige Ausnahme ist wohl die brasilianische Notenbank mit ihrer ausgeprägt lockeren Geldpolitik. Seit sie die Verlangsamung der Inflation im vergangenen Herbst als faktischen Dauerzustand zu Protokoll genommen hat, sank der Selic um ganze 200 Basispunkte. Diese Entwicklung geht mit einem deutlichen Rückgang des Leistungsbilanzdefizits in den letzten 18 Monaten und einer Reihe von Reformen einher, die der Stabilisierung und letztendlich langfristigen Reduzierung der Staatsverschuldung dienen sollen. Das makroökonomische Umfeld hat somit günstige Bedingungen für die Staatsanleihen dieser Länder geschaffen, die kräftig zulegen konnten. Zu wünschen bleibt nunmehr, dass das Risiko oder zumindest die Wahrscheinlichkeit von Handelskriegen zurückgeht oder bestenfalls sogar ganz entfällt.
Klare Prioritäten bei Reformen in den USA
Bei genauerer Betrachtung sämtlicher Wahlkampfthemen Donald Trumps wurde deutlich, dass es schwierig werden dürfte, alle Massnahmen inländische Reformen (Besteuerung der US-Unternehmen) und aggressive Handelspolitik gegenüber Ländern wie China oder Mexiko zeitgleich in Angriff zu nehmen. Auch lagen hinsichtlich der Agenda der künftigen Regierungsmannschaft noch keinerlei konkrete Erkenntnisse vor. Inzwischen herrscht dagegen etwas mehr Klarheit und die Prioritäten liegen offenbar auf den Reformen im Inland. Die Steuerexperten der Republikaner bereiten eine grundlegende Reform vor, die neben der bereits angekündigten Senkung der Unternehmenssteuern möglicherweise auch Steuererleichterungen für Exporteure, Importsteuern, die Nichtabzugsfähigkeit von Schuldzinsen und die Sofortabschreibung von Investitionen über ein Jahr vorsehen dürfte, wobei sich alle diese Massnahmen steuerlich mehr oder weniger neutral auswirken dürften. Mit anderen Worten: eine gewaltige Baustelle mit vielen Hindernissen.
Gleichzeitig hat sich die Lage zwischen den USA und den in erster Linie betroffenen Handelspartnern offenbar etwas entspannt. So ist mittlerweile bereits die Aufnahme von Verhandlungen mit Mexiko und Kanada im Gespräch, während der unilaterale Austritt aus dem NAFTA nicht mehr zur Debatte steht. Bezüglich der Beziehungen zu China ist offenbar ein regelmässiger Dialog und sogar ein Treffen zwischen Xi Jinping und Donald Trump vereinbart worden.
Bestimmte Streitpunkte zwischen den beiden Supermächten sind allerdings noch nicht aus der Welt geschafft etwa die chinesischen Aktivitäten im Gelben Meer oder die Beschwerden bei der WTO. Dennoch geht das Basisszenario von Oddo mittlerweile von einem Nichtangriffspakt und der Vermeidung eines Handelskriegs aus. Auch kann nach den Kriterien des US-Finanzministeriums schwerlich behauptet werden, dass China seinen Wechselkurs manipuliere. Gleichzeitig bemüht sich China überdies um die Stabilisierung seines Wechselkurses, um die Kapitalabflüsse aus dem Land zu begrenzen.
In einigen Ländern ist zudem eine Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen zu verzeichnen. So ging der indische Premierminister Narendra Modi gestärkt aus den Wahlen im wichtigsten Bundesstaat Uttar Pradesh hervor und gilt somit als Favorit für die kommenden Parlamentswahlen. Sorge bereitet hingegen die extreme Zuspitzung der Lage in Pakistan. In Brasilien hat Präsident Michel Temer massive Reformen angeschoben und hierfür grösstenteils Rückendeckung vom Kongress erhalten. Im April wird über die geplante Rentenreform abgestimmt, mit der die Staatsfinanzen gestärkt werden sollen. Allerdings ist Michel Temer kein gewählter Präsident er führt lediglich die Legislatur von Dilma Roussef zu Ende. Daher ist seine politische Legitimität mitnichten gefestigt. In Südkorea begrüssten viele Investoren die Amtsenthebung von Präsidentin Park und die Verhaftung des CEO von Samsung als Schritte in Richtung transparenterer Führungsstrukturen und als Schlag gegen die Chaebols. Was China anbetrifft, sieht man bei Oddo keinen wirklichen Grund zur Sorge. Im Vorfeld des im Herbst stattfindenden 19. Parteitags der Kommunistischen Partei dürfte die Regierung alles daran setzen, die Wirtschaft und die Finanzmärkte zu stabilisieren, gleichzeitig aber den Prozess der "schöpferischen Zerstörung", die eine Neuordnung möglich macht, in einigen Branchen fortsetzen.
Mögliche Trendwende der mikroökonomischen Indikatoren
Die positive Entwicklung an der Risikofront dank besserer politischer Rahmenbedingungen hat den Aktienmärkten der Schwellenländer Schub verliehen und in den einzelnen Ländern in unterschiedlichem Masse dazu geführt, dass Niveaus wie vor der US-Wahl erreicht werden konnten. Die meisten lokalen Aktienindizes liegen inzwischen wieder in etwa auf ihren Höchstständen der letzten 5 Jahre. Soll man Anlagen in den Schwellenländern angesichts dieser Entwicklung meiden?
Nicht unbedingt, vor allem, wenn man folgende Aspekte bedenkt:
Der anhaltende Aufwärtstrend von Schwellenländeraktien erklärt sich folglich mit einer Erholung der Unternehmensergebnisse, der Stärkung der Bilanzen und der Corporate Governance. In den letzten drei Monaten sind aber schon Signale für eine Verbesserung der Margen, der Verschuldung (gemessen am EBITDA) und der Umsatzentwicklung erkennbar. Des Weiteren ist die Gleichbehandlung bzw. Berücksichtigung der Interessen der Minderheitsaktionäre ebenfalls ein Thema, das die Führungsriegen der Unternehmen dieser Länder zunehmend berücksichtigen.
Davon abgesehen sind die Währungen der meisten Länder noch immer unterbewertet, wodurch sie für Euro- und USD-Investoren zusätzlich attraktiv sind.
Und die Risiken? Ein radikaler Kurswechsel in der US-Handelspolitik stellt zweifellos das Hauptrisiko dar. Ein erneuter deutlicher Rückgang der Ölpreise und Industriemetalle ein weiteres. Ferner wäre die Aussicht auf eine Rezession in den USA ein direkter und massiver Belastungsfaktor für Anlagewerte aus diesen Ländern, seien es Unternehmensanleihen, Staatspapiere oder Aktien. Bei Oddo misst man diesen drei Szenarien derzeit jedoch keinerlei Eintrittswahrscheinlichkeit bei. Das grösste Risiko könnte jedoch eine Kombination aller drei Faktoren in abgeschwächter Form sein. Indes: Kann man wirklich ganz auf Märkte verzichten, die 58% des globalen BIP (kaufkraftbereinigt, 38% in internationalen Dollar) und ein Drittel der weltweiten Börsenkapitalisierung repräsentieren?