"Plastikverschmutzung ist wirtschaftlicher Unsinn"

Das Problem der Plastikverschmutzung müsse von mehreren Fronten angegangen werden, so Hilde Jenssen von Nordea Asset Management.
Das Problem der Plastikverschmutzung müsse von mehreren Fronten angegangen werden, so Hilde Jenssen von Nordea Asset Management.

Plastikverschmutzung stellt Unternehmen und Regierungen rund um den Globus vor enorme Herausforderungen. Pünktlich zum Earth Day macht sich Hilde Jenssen von Nordea Asset Management Gedanken zu Lösungsansätzen und identifiziert interessante Investitionsmöglichkeiten.

22.04.2021, 12:38 Uhr
Nachhaltigkeit

Redaktion: alm

Die weltweite Produktion von Plastik ist zwischen 1950 und 2019 regelrecht explodiert – von rund 1,5 Millionen Tonnen auf 368 Millionen Tonnen. Gleichzeitig hat auch die von Plastik verursachte Umweltverschmutzung zugenommen. Jedes Jahr landen schätzungsweise 8 Millionen Tonnen Plastik in den Ozeanen – inzwischen machen Kunststoffe 80% des gesamten Meeresmülls aus. Wird Plastik von Fischen geschluckt, landet es letztendlich auch auf unseren Tellern. Doch auch an Land führt die lange Abbauzeit von Plastik, die bis zu 500 Jahre dauern kann, zu Problemen.

"Die Plastikverschmutzung ist nicht nur eine Umweltkatastrophe, sondern auch ein grosser wirtschaftlicher Unsinn", sagt Hilde Jenssen, Head of Fundamental Equities bei Nordea Asset Management. Jährlich werden über 300 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert, wovon die Hälfte zur Herstellung von Einwegartikeln verwendet wird. "Etwa 95% des Gesamtwerts von Kunststoffverpackungen, also rund 80 bis 120 Mrd. USD pro Jahr, gehen der Wirtschaft nach einem kurzen Einwegzyklus verloren", fügt sie hinzu.

Um das Problem effektiv zu lösen, müsse es von mehreren Fronten angegangen werden. Insbesondere die Reduktion, das Recycling, die Regulierung sowie auch innovative Lösungen seien notwendig.

Druck von oben: Regierungen treiben Wandel voran

Seit 1992 hat China schätzungsweise 45% des weltweiten Plastikmülls aufgenommen. 2017 lieferte Europa 85% seines gesamten Abfalls nach China. Damit ist aber bald Schluss: China will nicht länger als Abfallcontainer der Welt hinhalten. Für ganze 110 Millionen Tonnen Abfall muss bis 2030 als Folge von Chinas Schritt eine neue Lösung gefunden werden – was andere, vor allem asiatische Länder unter Druck setze, weniger Kunststoffabfälle zu produzieren. "Grosse Programme zur Reduzierung von Plastikmüll stellen eine Investitionsmöglichkeit dar. Unternehmen wie Republic Services, die Umladestationen und Abfallentsorgungslösungen anbieten, dürften von diesem Bedarf profitieren", meint Jenssen.

Chinas Verbot der Verfrachtung von Kunststoffabfällen war ein Weckruf für die EU. Diese erklärte daraufhin das eigene Ziel, dass alle Kunststoffverpackungen bis 2030 recycelbar oder wiederverwendbar sein sollten. 2018 lag die Recyclingquote von Kunststoffverpackungsabfällen in Europa erst bei 41,2%.

Das ehrgeizige Ziel der EU schaffe Chancen für Unternehmen, die über das technische Know-how für die Zersetzung komplexer Materialgruppen verfügen: "Unserer Ansicht nach könnten Chemieunternehmen diesen Vorteil nutzen, insbesondere wenn sie in der Lage sind, die Umweltauswirkungen ihrer Aktivitäten zu begrenzen." Dank intelligentem Verpackungsdesign und billigeren recycelten Materialien dürften auch Konsumgüterunternehmen zu den Nutzniessern gehören. Auch Unternehmen wie Mondelez International, die biologisch abbaubare Verpackungen herstellen, könnten laut der Expertin von einer Abkehr von Kunststoffen profitieren.

Innovative, nachhaltige Geschäftsmodelle werden gewinnen

Während sich Unternehmen mit Investitionen, der Umsetzung und Fragen rund um die Transparenz ihrer Recyclingprogramme auseinandersetzen, geht Jenssen davon aus, dass die Vorschriften strenger werden. "Indem die Spreu vom Weizen getrennt wird, wird dieser Megatrend mit Sicherheit Gewinner und Verlierer hervorbringen. Als aktive Investoren ist es unsere Aufgabe, in Unternehmen zu investieren, die den Unterschied zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Geschäftsstrategien verstehen", erklärt sie. Tomra Systems beispielsweise hat ein sensorbasiertes Sortiersystem entwickelt, das die Extraktion von Wertstofffraktionen mit höherer Reinheit aus Recycling- und Abfallströmen erlaubt. Damit lassen sich sowohl die Erträge als auch den Gewinn maximieren. Das Potenzial dieses Systems schätzt Jenssen besonders bei Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsinitiativen belegen müssen, als hoch ein.

Dazu komme der zunehmende Trend zur Wiederverwendung von Kunststoffen. So kündigte Coca-Cola European Partners (CCEP) die Einführung einer innovativen Verpackungslösung aus Karton für Multipack-Dosen in Spanien an. Alleine mit diesem Schritt können in Westeuropa mehr als 11'000 Tonnen Neuplastik pro Jahr vermieden werden. Positiv sei zudem, dass die Inputkosten in der Plastikproduktion rückläufig sind, da die Preise für recycelten Kunststoff seit 2011 tendenziell im Sinken begriffen sind.

Lösungsansätze eröffnen Anlagechancen

Immer mehr Investorinnen und Investoren fordern vom privaten Sektor, dass Recyclingpraktiken verbessert und langfristige Ziele zur Abfallreduzierung offengelegt werden. "Es besteht zudem die Notwendigkeit zu verstehen, wie das Ertragspotenzial eines Unternehmens beeinflusst wird und wie die Abfallreduzierung mit wichtigen Personal-Kennzahlen verbunden ist. Dies ist besonders wichtig für einige Konsumgüterunternehmen, die zu den weltweit grössten Herstellern von Kunststoffverpackungen gehören", erläutert Jenssen.

Insgesamt beobachtet sie, dass immer mehr Unternehmen ihre Macht nutzen, um Lösungsansätze voranzutreiben, wodurch sich auch interessante Investitionschancen bieten. Auf der einen Seite seien Unternehmen zu nennen, die klare Ziele in Bezug auf das Recycling von Plastik haben, und auf der anderen Seite Firmen, die Kunststoffalternativen anbieten. Beide seien sinnvollve Investitionsziele: "Investorinnen und Investoren können sie bei der Entwicklung neuer Technologien und dem Überdenken von Geschäftsmodellen unterstützen – die nicht nur Gewinnmargen ausweiten, sondern auch einen positiven sozialen Effekt haben."

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