04.12.2024, 10:51 Uhr
«Während die Märkte von einer lockeren Geldpolitik beflügelt werden, drohen politische Umwälzungen in den USA sowie geopolitische Spannungen», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam in...
Nachdem in Europa das griechische Schuldendesaster und in China die komplette Börsenimplosion zumindest vorerst abgewendet wurden, wenden wir uns wieder den Unternehmensgewinnen zu: Die USA fallen trotz des reifen Zyklus' einmal mehr positiv auf. Die grossen Fragen lauten nun, ob auch in Japan und Europa die relativ hohen kurzfristigen Erwartungen übertroffen werden können und die Schwellenländer tatsächlich einen soliden Boden gefunden haben.
Wir beschäftigten uns zuletzt am 6. Mai 2015 mit den US-Unternehmensgewinnen im globalen Kontext und kamen auf ein konstruktives Urteil (LGT Beacon: Das Potenzial der US-Hausse ist noch nicht ausgeschöpft). Dies, obwohl US-Aktien damals die Luft auszugehen schien. Die US-Indizes hatten schliesslich Anfang Jahr begonnen, den anderen Märkten hinterherzuhinken (siehe PDF, Grafik 1, Seite 2) und der Analystenkonsens begann die US-Gewinnprognosen zu reduzieren (Stichworte: «starker US-Dollar» und «Ende des Erdölbooms»). Die Trends drehten kurz danach jedoch wieder und die USA zählen wieder zu den Top-Performern.
Auf Basis der MSCI-Aktienindizes legten US-Aktien seitdem rund 1.9% zu. Damit liegen sie in der Kursperformance zwar hinter Japan (+5.6%) und Europa (+3.1%), aber deutlich vor dem MSCI World All-Countries (-0.8%), dem MSCI Emerging Markets (-9.7%) oder MSCI China (-13.5%). Diese Entwicklung passt zu unserer taktischen Positionierung und entspricht schliesslich auch den mittelfristigen Ertragstrends. Angesehen von den gelegentlichen, durch diverse politische und andere Themen verursachten Volatilität dürften die Unternehmensgewinne auch weiterhin den Schlüsselfaktor für die längerfristige Performance von Aktien darstellen.
US-Berichtssaison überzeugt weiterhin
Gemäss erster Hinweise aus der US-Berichtssaison ist das Ergebnis je Aktie auf der aggregierten MSCI-Indexebene zwar nur leicht gestiegen (2.4%), aber einige Sektoren weisen weiterhin ansehnliches Wachstum aus, während der Rückgang primär auf die Energiebrachen zurückgeht. Wichtiger ist jedoch, dass rund 71% der Firmen höher als geschätzte EPS ausgewiesen. Auf Branchenebene liegen alle neun Sektoren, aus denen bisher Ergebnisse vorliegen, über den Erwartungen (siehe PDF, Tabelle 1, Seite 2). Solange es keine klaren Anzeichen dafür gibt, dass die globale Wirtschaft auf eine Rezession zusteuert, ist diese Entwicklung gut genug, um die USA weiterhin in der Gruppe der Top-Märkt zu halten. Die jüngsten globalen Einkaufsmanagerumfragen legen derzeit schliesslich nahe, dass sich die Geschäftstätigkeit in den meisten entwickelten Volkswirtschaften in nächster Zeit (weiter) aufhellen wird.
Aus Europa und Japan gibt es noch zu wenige Unternehmensberichte. Wir müssen noch ein paar Wochen abwarten, um ein besseres Bild zu bekommen. Allerdings sind die kurzfristigen Wachstumserwartungen für beide Märkte inzwischen relativ hoch, weil die Analysten ihre Schätzungen im Zuge der jeweiligen Rallyes prozyklisch erhöhten - das erhöht das Risiko, dass die Quartalsdaten enttäuschen. Die mittelfristigen Erwartungen (d.h. für die nächsten 18 bis 24) implizieren aber maximale EPS-Wachstumsraten von rund 11% für Europa und USA und nur 8.4% für Japan - was realistisch bzw. verhalten wirkt (siehe PDF, Tabelle 2, Seite 2).
Für die EM und China gilt, dass die mittelfristigen Erwartungen inzwischen in etwa im Rahmen oder leicht über jener für die entwickelten Märkte liegen. Gegenüber den überoptimistischen Prognosen, die vor einigen Jahren noch üblich waren, handelt es sich hierbei um eine Verbesserung. Im Falle Chinas könnten die Erwartungen für die nächsten 12 Monate (gegenüber tatsächlich ausgewiesenen EPS von den letzten 12 Monate) inzwischen sogar tief genug sein, um übertroffen werden zu können (der Konsens rechnet mit nur etwa 4% EPS-Wachstum für den primär aus H-Aktien bestehenden MSCI China). Angesichts ihrer bisherigen Leistungsausweise und den sehr starken Aktienkursavancen seit letzten Sommer müssten Chinas Firmen jedoch wirklich deutlich positiv überraschen, um höhere Bewertungen fundamental begründbar zu machen.
Während wir also den Ausblick für Aktien unter dem Strich weltweit nach wie vor als konstruktiv betrachten, fühlen wir uns weiterhin wohler mit unserer Präferenz für Japan, Europa und die USA.
Die erste Grafik (siehe PDF, Seite 2) zeigt den Kursverlauf in US-Dollar des MSCI USA relativ zum MSCI World Excluding USA (Industrieländer ohne USA) und zum MSCI Emerging Markets. Generell läuft der US-Index seit Jahren besser als der Rest der Welt. Gegenüber den anderen Industrieländern (dunkelblaue Linie) verlieren die USA allerdings seit Sommer/Herbst 2012 an Schwung - d.h. seit die Aussicht auf ein quantitatives Lockerungsprogramm die Tokioter Börse wieder zum Leben erweckte. Danach erholten und stabilisierten sich die USA aber wieder, allerdings nicht so stark wie gegenüber den EM. Die zweite US-Schwächephase begann Ende 2014, als sich nun auch in der Eurozone ein QE-Programm abzeichnete. Seit April, inmitten des griechischen Schuldenstreits, stabilisiert sich der US-Trend wieder. Gegenüber den EM (hellblaue Linie) ist die US-Stärke viel deutlicher intakt geblieben. Der Rückschlag zwischen Januar und März 2015 wirkt nur wie eine weitere normale Konsolidierungsphase im Rahmen eines ungebrochenen Aufwärtstrends. So können wird unser Urteil vom 6. Mai nur wiederholen: Die US-Hausse hat ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft.
USA: Die meisten Unternehmen und Sektoren übertreffen erneut die Gewinnerwartungen
Die folgende Tabelle (siehe PDF, Seite 2) zeigt die Ergebnisse der US-Berichtssaison für das zweite Quartal 2015 (bisher liegen rund 16% der Berichte vor). Der grosse EPS-Einbruch im Energiesektor und der durch den starken US-Dollar verursachte Gegenwind fiel nicht so stark wie befürchtet aus. Die Ergebnisse sind daher durch die Bank höher als erwartet. Der zyklische Konsum (u.a. Mode, Luxusgüter, Freizeit- und Reisegeschäft, privater Häuserbau) und der Grundstoffsektor liefern bisher besonders gute Ergebnisse. Anhand dieser Indizien dürfen wir auf eine weitere kleine Verbesserung des Gesamtbildes in den kommenden Wochen hoffen - denn zwei binnenwirtschaftlich orientierte Sektoren (Versorger und Telekomdienstleister) haben bisher noch kaum bzw. keine Ergebnisse veröffentlicht.
Die letzte Tabelle (siehe PDF, Seite 2) zeigt die vom Konsens erwarteten Wachstumsraten für die nächsten zwei Jahre. Die kurzfristigen Erwartungen für Japan und vor allem Europa sind im Kielwasser der jüngsten Konjunkturaufhellung und anderer günstiger Trends (z.B. schwächerer Euro, Aktienhausse) deutlich gestiegen (auf bis zu 54% bzw. 19.8%), was ein Enttäuschungsrisiko mit sich bringt. Im Laufe der nächsten zwei Bilanzjahre soll das Wachstum auch in diesen Märkten jedoch wieder auf das reifere US-Niveau zurückfallen.