Welchen Ton wird Jerome Powell in Jackson Hole anschlagen?

Am Freitag hat das Warten ein Ende. Dann wird Fed-Chef Jerome Powell zu seinen Berufskolleginnen und -kollegen und der Öffentlichkeit sprechen. (Bild: Shutterstock.com/Domenico Fornas)
Am Freitag hat das Warten ein Ende. Dann wird Fed-Chef Jerome Powell zu seinen Berufskolleginnen und -kollegen und der Öffentlichkeit sprechen. (Bild: Shutterstock.com/Domenico Fornas)

Der August war ein schwieriger Monat für Investoren in US-Staatsanleihen. Die Rendite der 10-jährigen Treasuries stieg in kürzester Zeit um 30 Basispunkte. Das verleiht der bevorstehenden Rede von Fed-Chef Jerome Powell am Notenbanktreffen in Jackson Hole noch mehr Bedeutung. Zwei Stimmen dazu.

24.08.2023, 16:55 Uhr

Redaktion: hf

Es ist jedes Jahr das gleiche, und dieses Jahr, nach einem beispiellos kräftigen Leitzinsanstieg in kurzer Zeit, noch mehr: Wie wird der mächtigste Geldpolitiker der Welt, US-Zentralbankchef Jerome Powell, den weiteren Kurs ausstecken?

Ist der Zinsgipfel erreicht oder zumindest in Sicht? Bleibt es beim Inflationsziel von 2 Prozent? Was steht der Konjunktur bevor? Die Spannung ist gross. Zwei Kapitalmarktstrategen schildern ihre Erwartungen:

Eoin Walsh, Portfoliomanager von TwentyFour Asset Management

Die meiste Zeit des Jahres haben der US-Notenbankchef Jerome Powell und seine Kollegen im Offenmarktausschuss sehr konsequent die Notwendigkeit weiterer Zinserhöhungen betont. Dabei haben sie den Markt mit ihrem Mantra «höher für länger» auf Linie gebracht.

Es sei daran erinnert, dass die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen um 100 Basispunkte niedriger lagen, als die Krise der US-Regionalbanken vor etwa sechs Monaten ihren Höhepunkt erreichte. Die Umkehr dieser Rallye führte mit steigenden Renditen zur erneuten Verschärfung der finanziellen Bedingungen – genau das wollte die Fed erreichen.

Doch der jüngste steile Renditeanstieg könnte nun zu einer Abschwächung dieser konsequent «hawkischen» resp. restriktiven Haltung der Fed führen.

Die Frage, wo sich die Renditen von US-Staatsanleihen letztlich einpendeln werden, ist nach wie vor aktuell und sorgt angesichts der jüngsten Volatilität für zahlreiche Schlagzeilen.

US-Staatsanleihen auf aktuellem Renditeniveau attraktiv

Da die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen ihren bisherigen Höchststand in diesem Zinserhöhungszyklus überschritten haben und so hoch sind wie seit der Zeit vor der globalen Finanzkrise nicht mehr, erscheinen sie viel attraktiver. Die realen 10-jährigen Renditen liegen jetzt ebenfalls bei 2 Prozent. Sie bieten nicht nur eine attraktive Rendite, sondern auch eine günstige Absicherung gegen eine unerwartet harte konjunkturelle Landung.

Dabei ist zu bedenken, dass wir uns selbst im rosigsten Wachstumsszenario eindeutig in einem späten Abschnitt des Konjunkturzyklus befinden. Viele der Rezessionspuffer sind weggefallen, so dass die Wirtschaft anfälliger für einen externen Schock ist, der normalerweise eine Wirtschaft in die Rezession stürzt.

Die 10-Jahres-Rendite lag um 100 Basispunkte niedriger, als die ersten Regionalbanken in Bedrängnis kamen. Je länger die Bedingungen restriktiv bleiben, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass weitere «finanziellen Risse» auftreten.

Powell könnte mildere Töne wählen

Dies führt uns zurück zu dem, was Jerome Powell wahrscheinlich in Jackson Hole sagen wird. Der Markt erwartet derzeit, dass der US-Leitzins in zwölf Monaten bei 4,9 Prozent und damit über dem Median der «Dot Plots» der US-Fed für das Jahresende 2024 von 4,625 Prozent liegen wird. Das deutet darauf hin, dass die Botschaft «höher für länger» wirklich am Markt angekommen ist.

In Anbetracht des schwierigen Monats für Anleihen und risikobehaftete Anlagen könnte Powell daher das Gefühl haben, dass er mit seiner Botschaft von weiteren Zinserhöhungen und «höher für länger» eine Pause einlegen kann. Das gibt ihm möglicherweise die seltene Gelegenheit, diese Woche marktfreundlicher zu sein.

Jack Janasiewicz, Portfolio Manager von Natixis Investment Managers

Im vergangenen Jahr hatte Jay Powell sein ursprüngliches Drehbuch über den Haufen geworfen und in seiner Rede vor den «bevorstehenden Schmerzen» im Kampf gegen die Inflation gewarnt. Höhere Zinssätze, ein langsameres Wachstum und weichere Arbeitsmarktbedingungen seien erforderlich, um die Inflation zu senken. Haushalte und Unternehmen würden wahrscheinlich einige Schmerzen auf dem Weg dorthin in Kauf nehmen müssen.

Das diesjährige Thema heisst «Strukturelle Verschiebungen in der Weltwirtschaft». Wir haben viele Vermutungen gehört, worüber Powell sprechen werde. Es wurde viel über den «R-Stern» oder den realen neutralen Zinssatz geredet, der die Wirtschaft langfristig ins Gleichgewicht bringt. Könnte Powell die Auffassung zu vertreten, dass der «r-star höher» ist als bisher angenommen?

Wird Inflationsziel revidiert?

In früheren Reden hat er angedeutet, dass er nie ein Fan dieses Konzepts war, da es sich eher um eine theoretische Übung als um einen messbaren Datenpunkt handelt. Angesichts der unablässigen Beteuerung, dass die Fed flexibel und datenabhängig bleiben müsse, würde eine solche Änderung dem zuwiderlaufen.

Wir haben auch Forderungen gehört, das Inflationsziel sei höher anzusetzen, etwa von 2 auf 3 Prozent. Wir haben zwar Verständnis dafür, was macht ein Inflationsziel von 2 Prozent überhaupt so besonders? Doch würde ein solcher Schritt zum jetzigen Zeitpunkt den Kritikern, die die Glaubwürdigkeit der Fed bei der Inflationsbekämpfung in Frage stellen, Auftrieb verleihen.

Vielleicht wird sein Kommentar einfach nur das Mantra «höher für länger» unterstreichen.

Die Fed befindet sich im Dilemma, da sie weiterhin auf das 2 Prozent-Ziel zusteuert. Das Erreichen von 3 Prozent wäre ziemlich einfach. Aber dieser letzte Vorstoss auf 2 Prozent dürfte einige Kompromisse erfordern.

Zu welchem Preis ist die Fed bereit?

Wie weit ist die Fed bei ihrem Doppelmandat Vollbeschäftigung und stabile Preise bereit, die Wirtschaft in eine Rezession zu stürzen, um dieses Ziel zu erreichen? Ist sie bereit, grosse Arbeitsplatzverluste in Kauf zu nehmen?

Oder kann sie abwarten und die Inflationsrate länger hoch halten, um sie langsam wieder zu senken und gleichzeitig den Schaden für die Gesamtwirtschaft und die Arbeitsplätze zu minimieren?

Erwartungen nicht zu hoch schrauben

Das hört sich ganz nach dem Rahmen für ein flexibles durchschnittliches Inflationsziel an, das erst vor drei Jahren an diesem Ort vorgestellt wurde. Erwarten Sie also keine grossen Überraschungen in Jackson Hole, wenn alles gesagt und getan ist.

Erwarten Sie, dass der Vorsitzende Powell betonen wird, was er schon die ganze Zeit betont hat: Datenabhängigkeit, Flexibilität, Fortschritte werden gemacht, aber es gibt noch einiges zu tun, also erwarten Sie länger höhere Zinsen. Genau in der Mitte.

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