04.10.2024, 15:09 Uhr
Während aktive ETFs in den USA weiterhin ein Riesenerfolg sind, ist ihr Anteil in Europa mit etwas mehr als 2% des gesamten ETF-Volumens von knapp zwei Billionen Euro noch überschaubar. Doch das Segment wächst...
Nahrungsmittel, Energie und Rohstoffe werden teurer, die Inflation steigt. Ulrich Kaffarnik von DJE Kapital erwartet einen Inflationsanstieg zwischen 2% und 3% in der Eurozone und den USA und erläutert, was das für Zinsen, Anleihen und Aktien jetzt bedeutet.
Die Rohstoffpreise haben deutlich angezogen, etwa für Weizen und Mais. Gleiches gilt für Öl sowie Edelmetalle. Die Preissteigerungen haben inzwischen die verschiedensten Sektoren erreicht – über Anleihen, Aktien und Immobilien hinaus. "Interessant ist aber, dass der Ölpreis für die Inflation bisher noch keine Rolle spielt", stellt Ulrich Kaffarnik, Kapitalmarktstratege und Geschäftsleitungsmitglied bei DJE Kapital fest. So stieg die Inflationsrate im Januar in Deutschland um 1% im Vergleich zum Vorjahr, als das Covid-19-Virus noch kaum einen Einfluss hatte. Dabei wirkten die Energiepreise noch inflationsmässigend. "Das wird drehen. Wir sehen ab dem zweiten Quartal einen Aufwärtstrend für Inflation – und rechnen damit, dass sich dieser im Jahresverlauf fortsetzt", meint Kaffarnik.
Der Ölpreis war im Zuge der weltweiten Lockdown-Massnahmen, gerade im April und Mai 2020, sehr niedrig. Der jetzt deutlich höhere Ölpreis wird auf die Inflationsrate durchschlagen. "Wir sollten uns auf einen Inflationsanstieg zwischen 2% und 3% in der Eurozone und in den USA einstellen. Nach aktuellem Stand hätten wir in einem Jahr beim Ölpreis möglicherweise die heutige Ausgangsbasis von rund 60 USD. Wenn der Ölpreis in einem Jahr aber bei 50 USD steht, würde er die Inflationsrate negativ beeinflussen. Darum ist der Basiswert so wichtig, und der war vor einem Jahr sehr tief", betont der Kapitalmarktstratege.
Wie Kaffarnik weiter ausführt, gibt es einen Zusammenhang zwischen Zinsen und Inflation: Wenn die Inflationserwartungen steigen, versuchen Investoren mögliche Entwicklungen für die kommenden Monate vorwegzunehmen, also einzupreisen. Zurzeit sind es weiter steigende Preise für Nahrung, Öl und Industriemetalle. Es gab einen starken Anstieg der Inflationserwartungen, in den USA lagen diese schon bei 2,2%. Zuletzt ist dieser Indikator allerdings wieder etwas zurückgegangen. "Übertragen auf die Erwartungshaltung der Marktteilnehmer heisst das, dass sie davon ausgehen, dass der starke Inflationsanstieg vorübergehend ist – ob nur für ein paar Monate oder ein Jahr, ist offen", sagt der Experte.
Die Notenbanken dies- und jenseits des Atlantiks versuchen schon seit langer Zeit die Inflationsrate zu stimulieren. Das ist bisher nicht geglückt. Im Gegenteil, in den vergangenen Jahren lagen die Inflationsraten zum Teil deutlich unter 2%. Aber jetzt kommen schon einige inflationstreibende Faktoren zusammen. Im Frühjahr 2020, als die Kurse und auch die Konjunktur so stark eingebrochen waren, handelten die Notenbanken schnell, auch aus der Furcht vor einer systemischen Krise. Daher resultieren nach Meinung Kaffarniks die beruhigenden Aussagen der Fed, man wolle die Leitzinsen vor 2023 nicht erhöhen. "Aus meiner Sicht ist das nicht besonders clever, weil keiner wissen kann, wie sich die Realwirtschaft oder die Inflationsraten in den nächsten zwei, drei Jahren entwickeln werden – auch die Notenbanken nicht", sagt er.
Aktuell sieht es nach einer recht deutlichen Konjunkturerholung aus. Der Nachholbedarf beim Konsum ist gross, die Sparquoten sind durch die Krisenmassnahmen der Regierungen, Kurzarbeitergeld in Europa bzw. Schecks an die Arbeitnehmer in den USA stark nach oben gegangen. In der Spitze hat die Sparquote in den USA die 30%-Marke überschritten, ein historisches Novum. Auch in Deutschland lag sie bei über 20%. Die aufgestaute Nachfrage dürfte nach einem Ende des Lockdowns als preistreibender Faktor hinzukommen.
"Die Notenbanken werden sich dann die Frage stellen müssen, ob der Inflationsanstieg dauerhaft oder vorübergehend ist", meint Kaffarnik. Allerdings dürfte es nicht so schnell eine Diskussion über eine Erhöhung der Leitzinsen geben, da die Fed bereits im Herbst 2020 gesagt hat, eine Inflationsrate von mehr als 2% für einen gewissen Zeitraum zu tolerieren, wenn sie lange Zeit darunter gewesen sind. Damit hat sie sich Zeit verschafft. Aber keine Frage, je länger der Inflationsanstieg dauert, desto stärker wird der Druck auf die Notenbanken. "Für die Aktienmärkte würde das einen gewissen Liquiditätsentzug bedeuten, was nicht wünschenswert wäre. Bevor man an Zinserhöhungen denken kann, müsste sich erst die Kommunikation von Fed und EZB ändern", gibt der Experte zu bedenken.
Die Gefahr, dass inflationäre Tendenzen in deflationäre Szenarien umschlagen, erachtet Kaffarnik momentan als sehr gering. Es sei eine relativ starke Konjunkturerholung zu erwarten – es sei denn, es komme jetzt noch ein richtiger Rückschlag bei den Covid-Zahlen, zum Beispiel mangels Impfstoff oder Impfbereitschaft. Aber von einer Deflation japanischen Ausmasses seien wir weit entfernt. In den vergangenen Jahren gab es in Europa und den USA überwiegend Desinflation. Das heisst, die Inflationsraten sind positiv, also die Preise steigen nach wie vor, aber die Veränderungsrate ist rückläufig.
Je geringer die Zinsen, umso geringer der Zinsaufwand für die Unternehmen – das wirkt sich isoliert betrachtet erst einmal positiv auf die Gewinne aus. Für die Finanzmärkte sind niedrige oder sinkende Zinsen auch gut. Denn je niedriger die Zinsen, umso höher ist der Bewertungsfaktor für Aktien. "Anderseits ist es aber gesund, wenn die Zinsen steigen. Dies ist Zeichen dafür, dass sich die Konjunktur erholt und die Unternehmen Spielräume haben, höhere Preise an die Kunden weiterzugeben. Zudem gilt, dass Aktienkurse historisch betrachtet in Phasen steigender Zinsen wesentlich besser laufen als in Phasen stark fallender Zinsen, erkllärt der Kapitalmarktstratege.
Möglich wäre, dass die Zinsen von heute um 100 Basispunkte steigen, bevor es eine negative konjunkturelle Rückkoppelung gibt. Kritischer sei, wie sich dies an den Aktienmärkten auswirke. Insbesondere wenn die Zinsen schnell nach oben gehen, beeinflusst dies den Bewertungsfaktor für Dividendentitel. In diesem Fall allerdings nach unten.
Am Beispiel von 10-jährigen US-Staatsanleihen könne man sagen, dass sich Anleger ab einer Rendite von vielleicht 2% Gedanken machen können, ob sie Aktien abbauen und wieder in Zinsanlagen zurückgehen sollten, so der Experte. Aktuell liegt die Rendite der US-Treasuries aber erst bei rund 1,4%.
In Deutschland gibt es zum Beispiel einen sehr starken Rückgang der Insolvenz-Anmeldungen trotz Corona-Krise, was mit den staatlichen Hilfen zu tun hat. "Aber faktisch ist es schon so, dass ein Unternehmen unter Umständen nur noch deswegen auf dem Markt ist, weil der Kreditzinssatz sehr niedrig ist. Daher gibt es auch hierzulande diese Zombie-Unternehmen", sagt der DJE-Experte. In Japan seien sie bereits seit langer Zeit ein Thema. Allerdings schätzt Kaffarnik ich den Begriff "Zombie-Unternehmen» nicht, da hier häufig auch Unternehmen miteinbezogen würden, die zwar relativ ertragsschwach seien und niedrige Eigenkapitalquoten aufwiesen, aber existentiell nicht bedroht seien.
Um die Spreu vom Weizen zu trennen, hat DJE laut eigenen Angaben einen sehr aufwendigen und immer weiter verfeinerten Analyse-Prozess nach ganz verschiedenen Komponenten, unter anderem mit eingehender Bilanz- und Ertragsanalyse und regelmässigem Dialog mit den Entscheidungsträgern der jeweiligen Firmen. Zudem setze sich das Unternehmen für alle Investment-Mindestvorgaben hinsichtlich Qualität, Eigenkapitalrendite und anderen Kennziffern ein, betont Kaffarnik.