Indien profitiert von fallenden Lebensmittelpreisen

Maarten-Jan Bakkum
GEM-Stratege 
ING Investment Management
Maarten-Jan Bakkum GEM-Stratege ING Investment Management

Zwar ist die Inflationsrate von 8 Prozent in Indien nach wie vor eine der höchsten weltweit. Da die Lebensmittelpreise in Indien aber stark rückläufig sind, sinkt die Inflationsrate. Dies schreibt Maarten-Jan Bakkum, GEM-Stratege bei ING Investment Management, in seiner April-Kolumne.

18.04.2011

Redaktion: ah

Als die Reserve Bank of India im März 2010 den Leitzins anhob, war sie eine der ersten Zentralbanken in den Schwellenländern, die die Zinsschraube anzog. Seitdem ist die Inflation in den meisten Schwellenländern deutlich gestiegen und die Zinsen wurden fast überall erhöht. Und jetzt, ein gutes Jahr später, ist Indien wiederum eines der ersten Länder, das fürs Erste das Ende des Zinsstraffungszyklus erreicht hat.

Rückläufige Lebensmittelpreise drängen Inflation zurück
Mit 8 Prozent ist die Inflationsrate in Indien immer noch weltweit eine der höchsten. Erfreulich ist indes, dass die Lebensmittelpreise stark rückläufig sind und die Inflationsrate damit nahezu zwangsläufig sinken muss. Insofern könnte in den nächsten Quartalen durchaus einen dramatischer Rückgang der Inflation beobachtet werden. Derzeit bereitet der Zentralbank das rückläufige Investitionswachstum aber wohl grössere Sorgen als der starke Inflationsdruck. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass nicht mehr viele Zinserhöhungen anstehen.

Aktienkurse in Indien tendieren aufwärts
Aufgrund der anhaltend hohen Inflation und der zunehmend strafferen Zinspolitik war der indische Aktienmarkt in den letzten Quartalen einer der schwächsten. Zwischen Oktober und Februar blieb die Börse von Mumbai um 20 Prozentpunkte hinter dem Emerging-Markets-Durchschnitt zurück. Doch in den letzten paar Wochen tendierten die Aktienkurse deutlich aufwärts; ein weiterer Rückgang der Inflation dürfte diesen Trend noch verstärken. Mit Bewertungen, die jetzt knapp 20 Prozent unter denen von vor sechs Monaten liegen, sind indische Aktien nicht mehr überteuert. Tatsächlich entspricht das gegenwärtige Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15 genau dem Fünfjahresdurchschnitt.

Inflation in Indien nur kurzfristig niedrig
Die Erwartung, dass die Inflation in Indien fallen und dies den Aktienmarkt beleben wird, dürfte das Marktgeschehen in den kommenden Quartalen bestimmen. Niedrigere Lebensmittelpreise werden voraussichtlich eine Verbesserung anstossen. Gleichzeitig sollte sich der Arbeitsmarkt weiterhin positiv entwickeln und die Löhne sollten steigen. Die höheren Lebenshaltungskosten infolge steigender Lebensmittel- und Häuserpreise drücken Löhne und Preise für Dienstleistungen nach oben. Angesichts des raschen Wirtschaftswachstums in Indien ist nicht davon auszugehen, dass die Inflation über längere Zeit auf niedrigem Niveau gehalten werden kann. Sobald sich die positive Wirkung sinkender Lebensmittelpreise durchgesetzt hat, wird der Markt wahrscheinlich wieder auf den systematisch hohen Inflationsdruck in der indischen Volkswirtschaft fokussieren.

In Schwellenländern wird zu wenig gegen Überhitzung getan Indien ist ein gutes Beispiel für einen Trend, den man überall in den Schwellenländern beobachten kann: Die geldpolitischen Instanzen tun zu wenig, um einer Überhitzung ihrer Volkswirtschaften gegenzusteuern. Solange die Zinsen in den USA und Europa auf extrem niedrigem Niveau verharren, wird der Druck auf die Rohstoffpreise anhalten und Kapital weiter in grossem Massstab in die Emerging Markets fliessen. Sofern die Entscheidungsträger vor diesem Hintergrund keine entschlossenen geldpolitischen Massnahmen ergreifen und ihre Währungen nicht deutlich aufwerten lassen, bleibt Inflation ein immenses Risiko. Das ist das wichtigste Investmentthema der nächsten Jahre. Aber dank sinkender Lebensmittelpreise ist damit nicht in naher Zukunft zu rechnen, vor allem nicht in Indien.

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