23.12.2024, 08:37 Uhr
Der Spezialkunststoff-Hersteller Gurit will sich künftig ganz auf profitablere Regionen und Geschäftsbereiche konzentrieren. Im Zuge der angekündigten Restrukturierung sollen Werke in Dänemark, Indien und der...
Mehr Rendite bedeutet mehr Risiko diese Faustformel ist so alt wie die Geldanlage. Die Deutsche AM will mit Low-Beta-Fonds den Gegenbeweis antreten und zeigen, dass auch mit Aktien, deren Kurse weniger schwanken, attraktive Erträge möglich sind.
Er konnte auf einer Kanonenkugel fliegen und sich selbst mitsamt Pferd am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Die Rede ist von Baron Münchhausen und seinen Lügengeschichten. Hätte es zu seiner Zeit schon solche Finanzmärkte wie im 21. Jahrhundert gegeben, hätte man ihm wohl auch diese Behauptung zugeschrieben: "Aktien mit geringerem Risiko bringen mehr Rendite."
Doch diese These stammt keineswegs vom legendären Lügenbaron, auch wenn sie der Faustregel "Mehr Ertrag führt zu einem höheren Risiko" aus der modernen Portfoliotheorie komplett widerspricht. Den Leitsatz haben die Ökonomen Robert Haugen und James Heins bereits 1975 aufgestellt. Ihre Studie beleuchtet den sogenannten Low-Beta- Effekt. "Er besagt, dass Aktien mit niedrigem Risiko im Durchschnitt eine vergleichbare oder sogar attraktivere Rendite erwirtschaften können als Aktien mit hohem Risiko", sagt Roman Steurer, Produktspezialist für Quant-Fonds bei der Deutschen Asset Management. Welche erstaunlichen Auswirkungen dieser Effekt hat, zeigt eine weitere Studie aus dem Jahr 2011. Dabei wurde die Wertentwicklung von 1000 US-Aktien mit der höchsten Marktkapitalisierung zwischen 1968 und 2008 untersucht. Das Ergebnis: Wer 1968 einen Dollar in die 200 schwankungsärmsten Aktien investierte, hätte gut 40 Jahre später inflationsbereinigt 10,12 Dollar herausbekommen. Mit nur zehn Cent stünden dagegen diejenigen da, die in die 200 schwankungsintensivsten Aktien angelegt hätten.
Starke Defensive
Wie kann das sein? Mit dem griechischen Buchstaben Beta wird das Marktrisiko beispielsweise einer Aktie angegeben. Liegt das Beta über eins, schwankt die Aktie stärker als der Durchschnitt. Sie reagiert also nervöser als der breite Index. Liegt es dagegen unter eins, pendelt der Anteilschein nicht so stark.
Ein Beispiel: Ein Standardwert aus dem Dax hat ein Beta von 1,5. Die Aktie steigt also um 1,5 Prozent, wenn der deutsche Leitindex ein Prozent klettert. Das ist vorteilhaft, wenn die Kurse steigen, denn der Aktienbesitzer würde besser abschneiden als ein Anleger, der in den Index investiert hat.
Umgekehrt büsst die Aktie 1,5 Prozent ein, wenn der Dax ein Prozent verliert. Titel mit einem geringen Beta bieten daher gerade in eher schwachen Börsenphasen eine Option, mit der sich Anleger elegant aus der Affäre ziehen können. So weit die Theorie.
In der Praxis ist einer der Hauptfaktoren für den "Low-Beta-Effekt" die Verlustbegrenzung. Wer beispielsweise einen Kursrückgang von 50 Prozent wieder aufholen will, benötigt eine Wertsteigerung von 100 Prozent. Aktien, die weniger schwanken, müssen also weniger Kurstäler ausbügeln.
Eine Schippe drauf
Diesen Effekt machen sich die Low-Volatility-Fonds der Deutschen Asset Management zunutze. Sie wollen das langfristig konkurrenzlose Ertragspotenzial von Aktien im Niedrigzinsumfeld ausschöpfen, zugleich aber das Risiko kurzfristiger Schwankungen durch die Auswahl von konservativen Aktien begrenzen. In den Portfolien finden sich jedoch nicht einfach die schwankungsärmsten Aktien aus der Vergangenheit. Das Management agiert mit einem sehr aufwendigen Verfahren, um die zugleich renditeträchtigsten Einzelwerte herauszufiltern. "Für die Titelselektion nutzen wir ein quantitatives System, das die Unternehmen aus dem Anlageuniversum anhand von 200 Faktoren aus fünf Bereichen bewertet", sagt Produktexperte Steurer.
Quantitativ bedeutet, dass nicht ein Fondsmanager, sondern eine Software die monatliche Auswahl vornimmt. "Wir verzichten bei diesen Fonds ganz bewusst auf Emotionen und Bauchgefühl", sagt Steurer. "Die Fondsmanager übernehmen lediglich die Kontrolle des Ergebnisses." Auf diese Weise werden derzeit weltweit mehr als 3600 Aktien untersucht. Im Ergebnis erhält jeder Titel einen sogenannten Score. Diese Kennzahl stellt die relative Attraktivität der Aktie gegenüber allen anderen dar. Bestimmt wird er durch die Auswahl und Gewichtung der einzelnen Faktoren, die nicht starr festgelegt sind, sondern dynamisch an die Marktbedingungen angepasst werden.
Bei Profis erprobt
"Die Strategie hat sich bei institutionellen Investoren bereits seit mehr als 15 Jahren bewährt", erklärt Steurer. "Nun können auch Privatanleger sie nutzen." Geeignet sind die Low-Volatility-Fonds vor allem für langfristig orientierte Anleger, die zwar an den Chancen des Aktienmarkts partizipieren wollen, zugleich aber ihr Risikobudget nicht überstrapazieren möchten.
"Gerade in fallenden Märkten wollen wir einen Mehrwert bieten", sagt Steurer. Das dürfte den Zeitgeist der Anleger in diesen herausfordernden Marktphasen besonders gut treffen auch wenn sie sich dafür gedanklich von alten Faustregeln verabschieden müssen.