Herausforderungen im Spätzyklus

Bild: Unsplash
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Linda Gründken von GAM Systematic Cantab streicht die Wichtigkeit des Timings im spätzyklischen Marktumfeld hervor. Sie beschreibt drei Strategien, deren Kombination eine wirksame Möglichkeit zur Diversifikation in dieser Phase bieten.

13.02.2019, 08:16 Uhr

Redaktion: ase

"Im vergangenen Jahr standen Anleger vor besonders grossen Herausforderungen vor allem angesichts der vorausgegangenen langen Hausse an den Aktien- und Anleihemärkten", sagt Linda Gründken, Leitende Wissenschaftlerin bei GAM Systematic Cantab. Bis Ende Dezember lagen die massgeblichen Aktienindizes in den USA und in Grossbritannien zweistellig unter ihren jeweiligen Höchstwerten im Jahr 2018, während der deutsche DAX-Index bis zum Jahresende um fast 25% von seinem Höchstwert absackte. Das Tempo der "Normalisierung" der US-Geldpolitik, in Form der quantitativen Straffung und der schrittweisen Zinserhöhung, habe zudem eine gewisse Ernüchterung an den Credit-Märkten ausgelöst, so Gründken.

Investoren hätten sich aus Sorge um eine mögliche weitere Verschlechterung der Kreditwürdigkeit zurückgehalten und die Credit-Spreads weiteten sich im Jahresverlauf aus. "In diesem Umfeld hätten Investoren definitiv von Strategien profitieren können, die über traditionelle Long-Positionen in Aktien und Anleihen hinausgehen, denn beide Assetklassen hängen in besonderem Masse vom globalen Wachstum und den Zinssätzen ab", meint die Wissenschaftlerin. Diese Faktoren hätten aber nicht nur 2018 unter einem schlechten Stern gestanden, sondern ihre Aussichten würden auch 2019 schwierig bleiben.

Im spätzyklischen Marktumfeld wird Timing zunehmend wichtig
Es werde oft behauptet, dass sich aktive Titelauswahl und das richtige Timing besonders gut zur Wertsteigerung in einem spätzyklischen Umfeld, also in der Phase nachdem neue Höchststände erreicht wurden, eignen. In vielen Haussen würde die positive Stimmung eine breite Kursdynamik antreiben und eine Flut auslösen, die alle Boote ausnahmslos anhebe. "Sobald jedoch die spätzyklische Phase erreicht ist und Investoren die bisherigen Annahmen zum Wirtschaftswachstum infrage stellen, lässt diese Dynamik nach", wendet Gründken ein.

An diesem Punkt würden Investoren beginnen, den Zeitpunkt von Engagements gezielter zu wählen und sich für jene Wertpapiere zu entscheiden, die ihrer Einschätzung nach dem spätzyklischen Druck besser standhalten können. An den Aktienmärkten konzentrierten sich aktive Anleger auf das Timing oder die Höhe des Bruttoengagements und auf Kennzahlen wie den relativen Gewinn je Aktie, die Nachhaltigkeit der Dividenden, die Cashflows der Unternehmen sowie die Preisgestaltungskraft und Innovationen, um die Gewinner von den Verlierern zu unterscheiden.

Ähnlich sei es im Anleihen- und Credit-Bereich. Auch hier würden sich aktive Trader auf diese zeitpunktbezogenen Aspekte und fundamentalen Kennzahlen fokussieren, aber darüber hinaus auch auf weitere Faktoren, die sich in der Regel auf die relativen Credit-Preise auswirkten. "Dazu zählen zum Beispiel die Kreditqualität und die Duration. Diese beiden Credit-spezifischen Risikofaktoren steigen in der Regel in einem spätzyklischen Umfeld", sagt Gründken. Somit würde das Timing einer Anlage zu einer zunehmend wichtigen Überlegung.

Drei Strategien für das Auf und Ab an Credit-Märkten
"Während alternative und systematische Ansätze für Aktienanlagen bereits seit Jahrzehnten untersucht werden, geniessen sie im festverzinslichen Universum bislang noch nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Dabei können sie einen echten Diversifikationsvorteil zu traditionellen diskretionären Credit-Strategien bieten", meint die Wissenschaftlerin. Der systematische "Credit-Trader", der den Kern der Substrategie Tactical Credit bildet, konzentriert sich demnach darauf, Chancen auf Basis der Stimmungen am Credit-Markt zu identifizieren. Er könne schnell von einem Engagement in Credit-Instrumenten auf ein sicheres Engagement in Staatsanleihen wechseln, sobald eine Abschwächung der Credit-Märkte drohe. Wenn sich das Umfeld für Credit-Titel wieder stabilisiere, sei es dagegen wichtig, dynamisch in Investment-Grade- und Hochzinsanleihen umzuschichten, um von den höheren Renditen und Erträgen der Unternehmensanleihen gegenüber den als sicher geltenden Anleihen zu profitieren.

Die zweite Substrategie Directional Credit ist laut Gründken auf das mittelfristige Umfeld für Credit-Instrumente ausgerichtet. Sie reagiere auf nachhaltige Veränderungen der Credit-Risikoprämien und gehe Long und Short-Positionen im Einklang mit der Stärke des unterstützenden Signals ein. Die Signale berücksichtigten die Autokorrelation und andere Anzeichen für Kaufdruck bei Credit-Titeln, was sich als Momentum der Kurse und der Credit-Risikoprämien manifestiere. Directional Credit befasst sich daher bewusst mit längerfristigen Veränderungen des Credit-Umfelds und verfolgt bei der Umsetzung einen eher strategischen als taktischen Stil.

Wie Gründken weiter ausführt, ist Market Neutral Credit die dritte Substrategie. Diese beruht auf einem "Relative-Value"-Ansatz, der einzelne Credit-Titel unter die Lupe nimmt. Die Strategie wählt Long- und Short-Positionen aus, die den besten relativen Wert bieten, bleibt aber insgesamt marktneutral. Market Neutral Credit strebe danach, künftige Veränderungen der relativen Performance zwischen einzelnen Emittenten zu erfassen und die Positionen in der Regel über eine längere Zeit im Vergleich zu den taktischen und direktionalen Credit-Substrategien zu halten.

"Alle drei Substrategien sind unabhängige, unterschiedliche und weitgehend unkorrelierte Ertragstreiber, die sich im Hinblick auf ihren Anlagehorizont, den Anlagestil, die Ausrichtung und die einzugehenden Risiken unterscheiden. Daher bieten sie in ihrer Kombination eine wirksame Möglichkeit zur Diversifikation für eine traditionelle Anleihen- und Credit-Allokation", erklärt Gründken abschliessend.

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