Gedrücktes Anlegerinteresse

Maarten-Jan Bakkum, globaler EM-Aktienstratege, ING Investment Management
Maarten-Jan Bakkum, globaler EM-Aktienstratege, ING Investment Management

Laut Maarten-Jan Bakkum, globaler EM-Aktienstratege von ING IM, hängen EM-Schuldtitel bei mässigem Wachstum und dürftigen Rahmendaten weiter von der globalen Liquiditätsentwicklung ab. Dennoch treiben EZB-Erwartungen die weltweite Jagd nach Rendite an.

01.09.2014, 16:07 Uhr

Redaktion: jod

Während kräftige Mittelströme und realistischere Anlegererwartungen die Entwicklung an den EM-Aktienmärkten begünstigen, bleiben mangelnde Wachstumsdynamik in den EM und fehlender Strukturwandel Störfaktoren. Das zeichnete sich jedenfalls in den letzten Monaten ab und entspricht auch den Trends im Emerging Markets Debt (EMD)-Segment.

Bei EMD ist es in erster Linie die weltweite Renditejagd, die seit März für Aufwind an den Märkten gesorgt hat. Gleichzeitig begrenzen die trüben Konjunkturaussichten sowie der Mangel an Konjunkturmassnahmen, um die Wachstumsmaschinen wieder ins Rollen zu bringen, das Aufwärtspotenzial. Ohne sinnvolle Reformen bleiben die Aussichten für das Wachstum in den EM düster und die EM-Währungen anfällig. Gerade Reformen auf der Angebotsseite werden immer dringlicher, je mehr das EM-Wachstum ins Stocken gerät. ING IMs interner Indikator, der die Wachstumsdynamik in den EM widergibt, ist in den letzten Wochen in den negativen Bereich abgerutscht, nachdem er vier Monate lang positiv war.

Angesichts der zuletzt kräftigen Kapitalströme in die aufstrebenden Volkswirtschaften, der Belebung der US-Nachfrage und der wirtschaftspolitischen Impulse in China ist die jüngste Stagnation des Wirtschaftswachstums in den EM frappant. Die Probleme sind struktureller Art. Die Wachstumsmotoren in den EM sind angeschlagen. Grund: interventionistische Politik der jeweiligen Regierungen, schlechtes Investitionsklima, sinkende Wettbewerbsfähigkeit sowie rapide steigende Verschuldung seit der Krise von 2008.

Wirtschaftspolitisch muss sich einiges ändern. Durch Reduzierung der Lasten infolge hoher und nutzloser Subventionen kann mehr Raum für staatliche Investitionen in Infrastruktur geschaffen werden. Wichtiger ist sogar noch, die regulatorischen Ungewissheiten abzubauen und ein günstiges Investitionsumfeld für den Privatsektor zu schaffen. So sind die Anlageinvestitionen der Privatwirtschaft in Brasilien und Indien in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.

Trotz des Regierungswechsels in Indien und Indonesien und der wachsenden Chancen eines Sieges der Opposition bei den brasilianischen Parlamentswahlen im Oktober hat sich in puncto Reformen bisher wenig getan. Solange kein echter Strukturwandel stattfindet, wird der Druck auf die EM-Währungen wohl anhalten. Es ist jedenfalls bezeichnend, dass die EM-Devisenkurse trotz der in den vergangenen Monaten sinkenden DM-Anleiherenditen kaum gestiegen sind. Letztlich sind EM-Lokalwährungsanleihen die Anlageform mit der höchsten Rendite. Doch das Anlegerinteresse hält sich wegen der enttäuschenden EM-Wachstumsentwicklung in Grenzen.

Man könnte auch anführen, dass die weltweit gute Liquiditätslage die seit Langem fällige Korrektur der EM-Wechselkurse bisher verhindert hat. Hier gibt es unter Umständen Anlass zu etwas mehr Optimismus: Weil das Wachstum lahmt und die Inflationsaussichten weiter sinken, ist die EZB gezwungen ihre Haltung zur quantitativen Lockerung (QE) weiter zu überdenken. Solange die Märkte die QE einpreisen, werden die Anleiherenditen der Eurozone auf niedrigem Niveau verharren. In den USA sind die Wachstumsdaten zwar freundlicher, aber die Fed wird sich wohl nur langsam in Richtung geldpolitischer Normalisierung bewegen. Bis dahin dürften die sich wandelnden EZB-Erwartungen die US-Renditen belasten.

In diesem Umfeld sollte die weltweite Renditejagd anhalten. So können die Emerging Markets jedenfalls den Marktdruck vermeiden, der ansonsten durch die bescheidenen Makro-Rahmendaten gerechtfertigt wäre. Investoren sollten die EM-Wachstumsdynamik und den Reformprozess im Auge behalten. Erst wenn das Wachstum erneut zulegt und grundlegende Reformen in den wichtigsten EM-Ländern die Aussichten auf künftiges Wachstum erhöhen, werden EM-Anleihen (und -Aktien) sich wieder nachhaltiger entwickeln.

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