Finanzmärkte: Wie "der Farbe beim Trocknen zuzuschauen"?

Nikolaj Schmidt, Chief International Economist bei T. Rowe Price
Nikolaj Schmidt, Chief International Economist bei T. Rowe Price

Trotz kürzlich starker Performance und Rückgang der Volatilität gibt Nikolaj Schmidt von T. Rowe Price zu bedenken: "Wir glauben, dass sich die Gezeiten ändern werden und das Navigieren der Märkte anspruchsvoller werden wird."

06.07.2017, 10:49 Uhr

Redaktion: mab

Während der letzten paar Monate haben sich die Finanzmärkte sachte durch ein Meer voller Unsicherheiten bewegt: geopolitische Spannungen auf der koreanischen Halbinsel, im mittleren Osten und in Russland; stark gesunkene Rohstoffpreise; die Verschärfung der Währungspolitik der Federal Reserve sowie ihre Ankündigung, mit der Wende ihres Quantitative-Easing-Programms zu beginnen; sowie die festgefahrene Situation in der US-Administration.

Vor diesem Hintergrund sind die kürzlich starke Performance und der Rückgang der Volatilität bemerkenswert. Doch was steckt hinter der Ruhe der Finanzmärkte? Unserer Ansicht nach ist es eine Kombination aus enttäuschendem Wachstum in den USA, der Beschleunigung des Wachstums im Rest der Welt und einer bescheidenen Gesamtinflation. Zusammen betrachtet haben diese Faktoren den Druck von der amerikanischen Zinskurve genommen, während sie das globale Wachstum aufrechterhielten. Aber werden sie weiterhin einen risikofreundlichen Hintergrund liefern? Wahrscheinlich nicht. Der Experte von T. Rowe Price glaubt, dass sich die Gezeiten ändern werden und das Navigieren der Märkte weitaus anspruchsvoller werden wird.

Bei ihrem Juni-Meeting hat die Fed die US-Zinsraten um 0.25% erhöht und weitere Details darüber bekannt gegeben, wie sie ihre Bilanz von 4.5 Billionen US-Dollar abbauen möchte. Während der anschliessenden Pressekonferenz liess die Vorsitzende Janet Yellen verlauten, dass die Bilanzreduktion «relativ bald» initiiert werden würde. Daraus schliesst Schmidt, dass damit entweder das Juli- oder – wohl eher – das Septembermeeting gemeint ist. Yellen sagte ausserdem, der Prozess der Bilanzkürzung sei so unspektakulär, wie einer frisch gestrichenen Wand beim Trocknen zuzuschauen.

Zumindest zu Beginn hat sie vielleicht Recht, da mit einer anfänglich graduellen Kürzung zu rechnen ist. Unter Berücksichtigung der überschüssigen Liquidität im System glaubt Nikolaj Schmidt, dass die Fed sie ohne viel Schaden anzurichten einführen kann. Danach jedoch seien wir zum Wandel gezwungen: von einer Welt, in der die Cash-Bestände mittels quantitative Easing in Europa und Japan um USD 500 Milliarden pro Quartal wachsen hin zu einer Welt, in der sie unverändert bleiben. Und genau hier werden die Dinge anspruchsvoll.

In einer Welt, in der die Geld-Bestände schnell wachsen, sind Haushalte, Unternehmen und Asset Manager fortlaufend mit der Herausforderung konfrontiert, ihre Cash-Positionen zu reinvestieren. Dies unterstützt die Anlagemärkte. Die Welt, zu der wir uns hinbewegen, hat kein solch endogenes Wachstum der Geld-Bestände. Somit gibt es auch nichts, das die Haushalte, Unternehmen und Asset Manager kontinuierlich dazu zwingt, ihre Cash-Positionen einzusetzen. Über die Zeit wird die Aufhebung des quantitative Easings die Volatilität neu beleben. Eine zweite Herausforderung für die Fed ist es, dass die Berichtigung der Cash-Bestände zu einem Zeitpunkt eingeführt wird, an dem sich das Wachstum ausserhalb der USA zu verlangsamen scheint. Eine restriktivere Geldpolitik in einem Umfeld von langsamerem Wachstum bietet einen fruchtbaren Boden für Störungen der Finanzmärkte.

Die Treffen der anderen G3 Zentralbanken waren verglichen mit jenem der Fed wenig informativ. Sowohl die Bank of Japan (BoJ) als auch die europäische Zentralbank (EZB) korrigierten ihren Wachstumsausblick nach oben. Die EZB änderte zudem ihr Statement dahingehend, dass weitere Leitzinssenkungen unwahrscheinlich seien. Am Meeting der BoJ verteidigte der Gouverneur Haruhiko Kuroda die gemässigte Linie der Bank und wies Spekulationen über einen möglichen Ausstieg aus dem quantitative Easing als verfrüht zurück. Die Tatsache, dass die BoJ die Wertpapierkäufe bereits reduziert hatte – was bedeutet, dass das Tapering de facto bereits begonnen hat – wurde unter den Teppich gekehrt.

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