Ende des Geduldsspiels

Franck Dixmier, Chefanlagestratege für europäische Anleihen bei Allianz Global Investors, äussert sich im Vorfeld der Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) der Federal Reserve (Fed).

17.03.2015, 17:00 Uhr

Redaktion: dab

„Wir gehen davon aus, dass die Federal Reserve am Mittwoch die “Geduld verlieren” wird und das aus gutem Grund. Aber Anleger brauchen sich nicht zu sorgen, denn wir sprechen hier über die Semantik von Zentralbanken beim Erwartungsmanagement im Hinblick auf die zukünftige Geldpolitik und noch nicht über die konkreten Massnahmen, die den US-Leitzins später in diesem Jahr anheben werden.

Mit einer Arbeitslosenquote von 5,5%, einem boomenden US-Arbeitsmarkt und einer Wirtschaft, die mit rund 3% wächst, hat die Federal Reserve keinen Grund mehr, die Nullzinspolitik fortzuführen. Daher wird Fed-Gouverneurin Janet Yellen in ihrer Rede am Mittwoch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr das Wort „geduldig” gebrauchen, wenn es um den Zeitpunkt für die Anhebung des Leitzinses geht, den wir für Juni erwarten.

Wir gehen davon aus, dass die Reaktionen der Anleger in der Summe zu grösseren Arbitrage-Effekten und substanziellen Umschichtungen führen dürften. Die Zinsaufschläge für Bundesanleihen und US-Treasuries dürften sich in der Folge ausweiten, der Effekt in der Eurozone dürfte aber nur von kurzer Dauer sein. Das hängt mit den unmittelbaren und deutlichen Auswirkungen des Anleihekaufprogramms der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammen, die zu schneller fallenden Renditen, einer weiteren Schwächung des Euro und einem weiteren Abflachen der Zinsstrukturkurve führen. Es ist schwer, gegen den Strom zu schwimmen, wenn ein strukturell so starker Investor wie die EZB am Markt ist. Aus diesem Grund rechnen wir nicht damit, dass sich der erste Zinsschritt in den USA nachhaltig auf die Eurozone auswirkt.

Wichtiger für die Marktteilnehmer sind vielmehr die Geschwindigkeit und der Grad der Zinsnormalisierung nach dem ersten Zinsschritt und, ob die Fed Fehler in der Geldpolitik vermeiden kann.

Wenn man die Bedeutung der Zinsanhebung für die USA und die Volkswirtschaften weltweit in Betracht zieht, kann man sich schwer vorstellen, dass die Fed einen ersten Zinsschritt im Juni macht und keinen weiteren im gleichen Jahr folgen lässt. Aus unserer Sicht ist es am wahrscheinlichsten, dass der Zinsschritt im Juni graduell, d.h. um 25 Basispunkte herum, erfolgt und die weitere Gangart stark von Daten, insbesondere der Inflationsentwicklung abhängt.

Der grösste Fehler, den die Fed unserer Ansicht nach begehen könnte, wäre eine Anhebung der Zinsen, obwohl es keinen Lohndruck gibt. Das Szenario ist aber recht unwahrscheinlich, weil sich seit 1990 typischerweise bei einer Arbeitslosenquote von 5,5% der Inflationsdruck durch Lohnsteigerungen beschleunigt. Daher sind wir der Meinung, dass die Fed nun den richtigen Zeitpunkt für den Zinsschritt wählt, um Inflationstendenzen durch steigende Löhne entgegenzuwirken.

Die Marktteilnehmer dürfte es beruhigen, dass die Fed in der Vergangenheit mit ihrer Geldpolitik richtig gelegen hat. So hat sie die Anleiheankäufe ohne Marktverwerfungen zurückgeführt („Tapering“). Als Organisation ist sie sehr auf die Stabilität des Marktes bedacht, sodass man davon ausgehen darf, dass sie mit ähnlicher Sorgfalt die zweite Phase ihres geldpolitischen Mandats – Normalisierung – beginnen wird. Kurz vor dem Start ist nicht mit Turbulenzen während der Reise zu rechnen.“

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