Eine neue Phase im Investmentzyklus

Die jüngste Marktkorrektur bietet Chancen, denn noch ist das Marktumfeld, gemäss Einschätzung von ING, für risikoreiche Assets günstig. Dies mag der Auftakt zu einer neuen Phase im Investmentzyklus sein: ein stärker wachstumsorientiertes Umfeld, in dem Aktien Anleihen deutlich übertreffen werden.

08.07.2013, 15:50 Uhr

Redaktion: dab

Trotz der Verunsicherung am Markt, was die weitere Geldpolitik der Fed betrifft, ist die Botschaft der US-Zentralbank unmissverständlich: Quantitative Easing (QE) wird erst enden, wenn Wachstum oder Inflation sich beschleunigt. Ausser in dem höchst unwahrscheinlichen Fall, dass die Inflation über den Zielwert der Fed hinausschiesst, ist das ein für riskante Vermögenswerte – insbesondere Aktien – günstiges Umfeld.

Doch nicht nur ein verlangsamtes Wachstum und eine rückläufige Arbeitsmarktdynamik könnten für eine Fortsetzung der QE sprechen, sondern auch ein deutliches Unterschreiten des Inflationsziels der Fed. Letzteres ist – angesichts der aktuellen Trends bei Kerninflation sowie Rohstoffpreisen und Löhnen – in der Tat sehr viel wahrscheinlicher als ein sprunghafter Anstieg der Inflation über die nächsten sechs bis zwölf Monate.

Eine ausgewogenere Einschätzung der mit QE verbundenen Risiken sowie die Einsicht, dass eine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik erst dann stattfindet, wenn es dafür wirklich gute Gründe gibt, dürfte vorerst weiterhin günstig sein für Risiko-Assets. Dies sollte zumindest eine partielle Umkehr der jüngsten Marktkorrektur anstossen.

Neue Phase im Investmentzyklus?
Die entscheidende Frage für Investoren lautet nun: Wie geht‘s weiter nach der Korrektur? Wird „Normalisierung“ demnächst bedeuten, dass die Märkte sich wieder den Investmentthemen der letzten Jahre zuwenden oder beginnt eine ganz neue Phase im Investmentzyklus?

Sofern Anleger die jüngste Volatilität an den Märkten nur als vorübergehende Erscheinung betrachten, aber weiterhin auf die Politik des „leichten Geldes“ vertrauen, dann könnte die Jagd nach Rendite und Einkommen munter weitergehen. Davon würden sowohl Anleihen als auch Aktien profitieren: Vor allem aktienähnliche Bonds wie Investment Grade und Hochverzinsliche sowie anleiheähnliche Aktien, also defensive Sektoren wie Healthcare und Konsummassengüter.

Höhere Risikoprämien für einkommensgenerierende Assets gerechtfertigt
Es ist durchaus möglich, dass sich das „Normalniveau“ nach der Korrektur auf einem etwas anderen Level einpendelt. Die jüngsten Turbulenzen haben vor Augen geführt, wie sensibel bestimmte Marktsegmente auf die Aussicht einer höheren Realverzinsung reagieren. Hier seien insbesondere jene Segmente genannt, die in den letzten Jahren die grössten Zuflüsse verzeichneten, in den Portfolios am stärksten übergewichtet sind bzw. gegenüber Cash oder anderen Assets mit den geringsten Risikoaufschlägen notieren.

Auch wenn noch keine Aussicht auf höhere Realzinsen besteht, sollte man bei einkommensgenerierenden Assets künftig auf etwas höhere Risikoprämien drängen. Immerhin besteht eine zumindest 50%ige Wahrscheinlichkeit, dass Normalisierung am Markt eine stärkere Wachstumsorientierung bedeuten wird. Dazu trägt auch die Erholung der Weltkonjunktur bei, die sich – unter Führung der entwickelten Märkte – auf Jahressicht abzeichnen sollte.

Verschiebung bei der Sektor-Performance
Aus denselben zyklischen Gründen erleben wir eine allgemeine Verschiebung bei der Sektor-Performance. Obwohl defensive Sektoren sich in letzter Zeit etwas erholt haben, gilt das Anlegerinteresse seit April vor allem den konjunkturabhängigen Sektoren. Auch Finanzwerte sind populär. Seit Jahresbeginn erfreuen sich anleiheähnliche Aktien mit auskömmlicher, stabiler und ausbaufähiger Dividende wachsender Beliebtheit. Das sind typische Merkmale für Basiskonsumgüter und Healthcare. Ein (moderater) Anstieg der Anleiherenditen könnte – gekoppelt mit einer konjunkturellen Verbesserung – Anlass für ein vermehrtes Engagement in zyklischeren Sektoren sein. Hier sind der gehobene Konsumgüterbereich, IT und – in geringerem Masse – Industriewerte am besten aufgestellt.

Hinweise auf Negativspirale an den Emerging Markets
Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber man kann die Vergangenheit auch nicht ignorieren. Auf jeden Fall lässt sich das Marktverhalten nicht immer ganz klar deuten. So entwickelt sich an den Emerging Markets derzeit eine Negativspirale, die durch Finanzbedingungen / Kreditversorgung einerseits und Wachstum andererseits angetrieben wird.

Seit die Fed im Mai ein mögliches Ende der QE andeutete, zeichnet sich an den EM eine Negativdynamik ab. Durch die rapide Auflösung von Carry-Trades sind EM-Währungen unter Druck geraten. Manche EM-Zentralbanken werden sich schwer tun, auf den Kapitalabfluss angemessen zu reagieren. Eine Zinssenkung würde diesen Prozess nur noch beschleunigen und die Währung schwächen. Eine Zinsanhebung könnte die Kapitalflucht zwar eindämmen, doch würde dies die Finanzlage am Binnenmarkt und damit die Wachstumsaussichten belasten.

Insofern macht die jüngste Entwicklung in China Sorge. Die Wirtschaftsdaten enttäuschen weiter, während der Interbankenmarkt unter Druck steht. Die chinesischen Währungshüter geizen mit Liquidität; entsprechend sind die Interbankensätze jetzt höher als zuvor. Für China hat die Bewältigung der Schwächen im Finanzsystem momentan Priorität, Wirtschaftswachstum ist zweitrangig.

Diese Faktoren könnten sich auf die globalen Wachstumsaussichten auswirken. Das ist zwar nicht unser Basisszenario, doch muss man die Entwicklung im Auge behalten.

Alle Artikel anzeigen

Diese Website verwendet Cookies, um Ihnen die bestmögliche Nutzung unserer Website zu ermöglichen.> Datenschutzerklärung