23.12.2024, 08:37 Uhr
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Im Jahr der Ratte geborene Menschen sind laut chinesischem Horoskop vorsichtig und sparsam. Nicholas Yeo von Aberdeen SI geht allerdings trotz des Ausbruchs des Coronavirus davon aus, dass 2020 eher von Ausgaben geprägt sein wird. Ertragsorientierte Anleger mit einem scharfen Gespür für gute Geschäfte könnten sich etwaige Verkaufswellen zunutze machen.
Selbst vor Ausbruch des Coronavirus in China prognostizierten viele Marktbeobachter dem Markt für A-Aktien, nach einem Jahr mit herausragenden Zugewinnen, eine Phase der Konsolidierung. Der Aktienmarkt auf dem chinesischen Festland zog in den zwölf Monaten bis zum 20. Januar 2020 um über 30% an. In diesem Zeitraum herrschte nach dem chinesischen Kalender das Tierkreiszeichen des Schweins. Passenderweise stehen Schweine als Symbol für Reichtum und Wohlstand.
Am 25. Januar 2020 begann das Jahr der Ratte. Ratten stehen im Tierkreis an erster Stelle und im Jahr der Ratte Geborene gelten als clever sowie vorsichtig im Hinblick auf Finanzen. Sie sind bemüht, ihr Erspartes zu bewahren, was angesichts des Überschwangs im vergangenen Jahr angemessen erscheinen mag. "Allerdings sprechen trotz des Ausbruchs des Coronavirus strukturelle wirtschaftliche Gründe dafür, dass im Jahr der Ratte vielmehr die Ausgaben anstelle von Sparmassnahmen im Vordergrund stehen werden – sowohl bei den chinesischen Verbrauchern als auch potenziell bei der Regierung", sagt Nicholas Yeo, Head of China Equities, Aberdeen Standard Investments.
Die politisch Verantwortlichen haben sich auf die Fahnen geschrieben, die Urbanisierungsquote Chinas von 60% auf 80% und damit das Niveau der Industrieländer anzuheben. Je urbaner eine Bevölkerung lebt, desto grösser ist ihr Wohlstand. Das Pro-Kopf-BIP in Shanghai liegt bei 20.000 USD im Vergleich zum nationalen Durchschnitt von 7.500 USD. Offensichtlich werden die Chinesen immer wohlhabender. Noch vor einem Jahrzehnt hatten lediglich 8% der Bevölkerung ein jährliches Privateinkommen von über 138.000 RMB. Dieser Betrag ist seither auf 49% angestiegen. "Die vermögende chinesische Bevölkerung – allen voran eine schnell wachsende Gruppe von Millennials aus der Mittelschicht, die mehr verdienen und ausgeben als die Generation ihrer Eltern – beflügelt den Binnenkonsum", stellt Yeo fest.
Obschon das Coronavirus den kurzfristigen Ausblick für die Konsumausgaben eintrübt, gehen wir nicht von langanhaltenden Auswirkungen aus. Aus den Entwicklungen in der Vergangenheit – so z.B. beim "Schweren Akuten Atemwegssyndrom" (SARS, Ende 2002 bis Mitte 2003), bei der Schweinegrippe (Mai 2009 bis August 2010) und der Vogelgrippe (Winter und Frühjahr 2014, 2015 und 2017) – lässt sich schliessen, dass die wirtschaftlichen Folgen von Infektionskrankheiten in der Regel ein bis zwei Quartale anhalten.
Die politisch Verantwortlichen verfolgten 2003 und 2009/2010 eine lockere Kreditpolitik, was zur Minderung der wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Epidemien beitrug. "Obgleich wir nicht davon ausgehen, dass die Behörden dieses Mal ebenso schnell mit Krediten in die Bresche springen, dürften sie doch gezielte fiskalpolitische Massnahmen zur Unterstützung betroffener Regionen ergreifen", erwartet der China-Experte. SARS zog die Einzelhandelsumsätze und den Dienstleistungssektor 2003 stark in Mitleidenschaft, und dieses Mal könnte der Effekt aufgrund des chinesischen Neujahrsfests noch ausgeprägter sein. Im verarbeitenden Gewerbe zeichnen sich zwar möglicherweise weniger starke Störungen ab, Wuhan stellt jedoch einen wesentlichen Knotenpunkt im Automobilsektor dar, was darauf hindeutet, dass die Lieferketten in diesem Bereich unter Druck geraten könnten.
"Unseres Erachtens dürfte das chinesische BIP-Wachstum im 1. Quartal deutlich nachgeben", sagt Yeo. "Wir rechnen aber auch mit einer Erholung im weiteren Jahresverlauf, durch die der Rückgang der Aktivität weitgehend wieder ausgeglichen wird." Aus Sicht der Aktienmärkte seien Kursschwünge infolge grosser makroökonomischer oder anderweitiger Ereignisse wie der Ausbruch des Coronavirus in der Regel mit willkürlichen Verkaufswellen verbunden.
Er empfiehlt den Anlegern, nicht ausser Acht zu lassen, dass der MSCI AC Asia Pacific ex Japan Index trotz der Belastungsfaktoren durch den SARS-Ausbruch zwischen Januar und April 2003 in dem Jahr ein Plus von beinahe 50% verbuchte, während der MSCI AC Asia Pacific Small Cap Index sogar um 56% zulegte. Obgleich sich die Zusammensetzung, die Struktur und die Treiber des Marktes im Jahr 2003 von der heutigen Situation unterschieden, so unterstreiche dies doch, wie potenziell riskant der Versuch sei, die Marktentwicklung in Bezug auf derartige Ereignisse zu prognostizieren.
Anleger täten besser daran, den Fokus auf die strukturellen Wachstumstreiber zu richten, die sich auf lange Sicht am ehesten auszahlen. Da China seine Abhängigkeit von Exporten schrittweise verringert, wird das Wirtschaftswachstum des Landes künftig durch den Binnenkonsum und eine wachsende Mittelschicht getragen. "Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass ein Exposure gegenüber der schnell expandierenden Gruppe von Premium-Konsumenten in China die beste Möglichkeit darstellt, sich langfristig bei A-Aktien zu engagieren", betont Yeo. Premiummarken verzeichnen ein stärkeres Wachstum als Mitbewerber im niedrigeren Qualitätssegment. Die Nachfrage nach hochwertigem chinesischen Schnaps (Baijiu) fällt beispielsweise so hoch aus, dass es Berichten zufolge allmählich zu Angebotsengpässen kommt. Darüber hinaus beflügelt das verfügbare Einkommen die Nachfrage nach Gesundheitsprodukten sowie Vermögensverwaltungs- und Versicherungsdienstleistungen.
Zudem ist mit weiteren fiskalpolitischen Massnahmen seitens der Regierung zu rechnen. Im letzten Jahr haben die politisch Verantwortlichen beispielsweise die Beschränkungen in Bezug auf das Aufenthaltsrecht in allen ausser den grössten Städten gelockert und die öffentlichen Dienstleistungen für alle dauerhaften Einwohner verbessert. Dies dürfte es Wanderarbeitern und ihren Familien erleichtern, den Wohnort zu wechseln, was wiederum die Urbanisierungsrate in China steigert und den Konsum stützt. Immer mehr Menschen zieht es auf der Suche nach besseren Arbeitsplätzen, besserer Gesundheitsversorgung und Bildung in die Städte.
"Die Regierung könnte die Reformen vorantreiben, indem sie fiskalischen Stimuli Priorität einräumt, unter der Annahme, dass eine Stärkung der Binnenwirtschaft den besten Schutz gegen globale Unsicherheitsfaktoren darstellt", sagt Yeo. "Somit erkennen wir trotz des Ausbruchs des Coronavirus im Jahr der Ratte Aufwärtspotenzial für Investoren. Obschon Ratten als vorsichtig porträtiert werden, gelten sie doch auch als anpassungsfähig, instinkthaft und wählerisch."
Eine selektive Vorgehensweise könne Anlegern im kommenden Jahr zum Vorteil gereichen. Qualitätsunternehmen, die sich durch starke Bilanzen, Wettbewerbsvorteile und hohe Eigenkapitalrenditen auszeichneten, dürften sich widerstandsfähiger gegen Panikverkäufe in Verbindung mit dem Coronavirus zeigen. Sie dürften überdies zu den ersten gehören, bei denen sich eine Erholung abzeichnet.
"Selbst wenn sich die kurzfristige Entwicklung volatil gestalten sollte, so bieten willkürliche Verkaufswellen Gelegenheiten, sich bei Qualitätsunternehmen in strukturellen Wachstumsbereichen mit angemesseneren Bewertungen zu engagieren. Ertragsorientierte Anleger mit einem Gespür für gute Gelegenheiten dürften in der Lage sein, sich dies zunutze zu machen", betont Nicholas Yeo.