23.12.2024, 08:37 Uhr
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Der Dollar ist in den letzten Wochen unter die Räder gekommen. Einseitige Positionierung und dünne Märkte dürften zum Abverkauf beigetragen haben. Stefan Kreuzkamp, CIO der Deutschen Asset Management, sieht Potenzial für eine Gegenbewegung.
Wem ist es nicht schon ähnlich ergangen? Es ist warm, man hat Durst, greift zu einer Flasche Sprudelwasser, dreht am Verschluss, und schon spritzt das kühle Nass in alle Richtungen. Statt der erhofften Erfrischung verbringt man die nächste Zeit mit der Beseitigung der Überschwemmung. Gelegentlich sollen in einer derartigen Situation auch Worte fallen, die man besser nicht zu Papier bringt. So in etwa mögen Investoren und Analysten die Bewegung des US-Dollars in den letzten Monaten empfunden haben.
Es war erkennbar, dass sich die Phase der Dollar-Aufwertung langsam dem Ende zuneigen würde. Bei diversen Faktoren, die typischerweise Wechselkursbewegungen auslösen, hat sich die Dynamik zwischen dem Dollar und anderen Währungen, wie zum Beispiel dem Euro, in den letzten Monaten geändert. Trotzdem waren Tempo und Ausmass der Kursbewegung überraschend. Wie ist das zu erklären? Und wie könnte es weitergehen?
Zinsdifferenz und Geldpolitik
Die grosse Unterstützung für den US-Dollar leitete sich in den letzten Jahren aus der Divergenz der Zinsen und Renditen bzw. der erwarteten Geldpolitik der Zentralbanken ab. Die amerikanische Zentralbank Federal Reserve (Fed) hat schon 2014 ihr Anleihekaufprogramm auslaufen lassen und seit Ende 2015 nun viermal den Leitzins angehoben. Parallel dazu hat die Europäische Zentralbank (EZB) ein Anleihekaufprogramm aufgelegt und mit negativen Zinsen experimentiert. Aktuell intensiviert sich die Debatte, wann denn die EZB zum Einstieg in den Ausstieg aus dem Kaufprogramm blasen könnte. Die Deutsche AM rechnet hier mit einer Ankündigung in den nächsten Monaten und der Umsetzung in 2018. Bis zur ersten Zinsanhebung wird man sich aber voraussichtlich noch länger gedulden müssen. Die in den Zinsen für kurzfristige Anlagen implizit enthaltenen Erwartungen des Marktes erscheinen laut Deutsche AM Experte Stefan Kreuzkamp hier etwas zu optimistisch, womit die EZB in eine Bringschuld gerät. Das wiederum birgt Enttäuschungspotenzial für den Euro. Anlagen in US-Dollar werden nach der Einschätzung von Stefan Kreuzkamp auch weiterhin einen schönen Zinsvorteil geniessen, der sich sogar noch erhöhen sollte, wenn Frau Yellen und der von ihr geleitete Offenmarktausschuss der Fed die US-Leitzinsen weiter hochsetzen. Die Zinsdifferenzen bleiben somit ein klarer Pluspunkt für den "Greenback".
Kaufkraftparität
Überlegt man sich Anhaltspunkte, die eine Wechselkursbeurteilung erlauben, so fällt einem zuerst die relative Bewertung ein. Vergleichbare Güter sollten, bereinigt um den Wechselkurs, im Inland wie im Ausland gleich viel kosten. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von der Kaufkraftparität. Eine vereinfachte Version dieses Massstabes ist der "Big Mac Index", bei dem der Preis eines Big Macs in verschiedenen Ländern verglichen wird. Zieht man einen etwas grösseren Warenkorb heran, so liegt diese Kaufkraftparität zwischen dem Euro und dem US-Dollar, nach Schätzung der Deutschen AM, bei ca. 1,16. Daraus lässt sich also derzeit weder ein grosser Auf- noch Abwertungsdruck ableiten.
Politische Stabilität
Ein weiterer Faktor ist die politische Stabilität. Für Papiergeldwährungen ist es natürlich wichtig, dass der Staat, der hinter einer Währung steht, auch stabil ist. Dass die Einschätzung dieser Stabilität sehr wichtig sein kann, lässt sich am Kurs des Schweizer Franken ablesen: Weder die Kaufkraftparität noch das Zinsniveau rechtfertigen den festen Wechselkurs des Franken. Es ist die seit Generationen unter Beweis gestellte Stabilität der Schweiz, die das Land als Anlagedestination so interessant macht und so den Franken stärkt. Wie ist dieser Faktor in der Relation zwischen US-Dollar und Euro zu beurteilen? Aus der Erfahrung der letzten Jahre müsste der politische Faktor klar als pro-Dollar gewertet werden. Es ist noch nicht allzu lange her, dass das gesamte Projekt der Europäischen Einheitswährung auf der Kippe zu stehen schien. Noch 2016, nach dem Brexit-Referendum, war oft von Zentrifugalkräften in Europa zu lesen, welche früher oder später auch den Währungsraum in Frage stellen würden. Zumindest vorübergehend hat sich hier die Dynamik allerdings geändert: Mit Emmanuel Macron zog ein Pro-Europäer mit solider Mehrheit in den Elysee-Palast ein, in den Niederlanden bleibt den EU-Gegnern der Zugang zur Macht verwehrt und die Bundestagswahl wird an der pro-europäischen Haltung der Berliner Politik nichts ändern. Höhere Stabilität in Europa vergleicht sich somit mit einer politischen Gemengelage in Washington, welche die hochgesteckten Erwartungen bisher nicht erfüllen konnte. Ob das schon ausreicht, um daraus eine Euro-unterstützende Kraft abzuleiten, bleibt dahingestellt. Aktuell jedenfalls scheint der Dollar aus der politischen Perspektive nicht unterstützt zu sein.
Wirtschaftsentwicklung
Wie sieht es um die wirtschaftliche Entwicklung aus? Geld fliesst bekanntermassen dorthin, wo die höchsten Renditen erzielt werden können. Nach den amerikanischen Wahlen im Herbst war an den Märkten eine regelrechte Euphorie zu beobachten. Ein Unternehmer im Weissen Haus, ein wirtschaftsfreundliches Kabinett, gestützt auf einer Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses: Ein besseres Umfeld für wachstumsstimulierende Politik konnten sich die Märkte kaum vorstellen. Stimmungsindikatoren aus der Wirtschaft, die auf eine richtige Aufbruchstimmung bei Unternehmen und Verbrauchern schliessen liessen, befeuerten die Kurse zusätzlich. Blickt man jedoch heute auf die Konjunkturzahlen, so scheint der wirtschaftliche Aufbruch eher in der Eurozone denn jenseits des Atlantiks stattgefunden zu haben. Das Wachstum in den USA im ersten Quartal liess (wie schon in den Vorjahren) zu wünschen über. Das kann man zwar nicht der neuen Administration anlasten, hat aber der grossen Euphorie dennoch einen Dämpfer versetzt. Im zweiten Quartal hat sich die US-Wirtschaft tatsächlich beschleunigt. Gleichzeitig macht sich aber, angesichts der mageren Ausbeute an grossen und richtungsweisenden Beschlüssen in Washington, eine gewisse Ernüchterung breit. Zusätzlich scheint der Anstieg bei den US-Stimmungsindikatoren seinen Höhepunkt überschritten zu haben.
In Europa hingegen gewinnt der Konjunkturaufschwung auch geographisch an Breite: Neben Spanien, das seit mehr als drei Jahren mit drei Prozent jährlich wächst, hat sich nun auch in Frankreich die Konjunktur spürbar belebt. Somit ist es gut möglich, dass die bisherige Konjunkturlokomotive Deutschland unter den fünf grössten Ländern der Eurozone auf Platz vier abrutscht. Für den Währungsraum insgesamt stehen im Jahresvergleich 2,1 Prozent Wachstum zu Buche. Gemessen an den Erwartungen hat die Eurozone damit klar positiv überrascht, während die USA hinter den hohen Erwartungen zurück blieben. Dies stellte eine Unterstützung für die Gemeinschaftswährung gegenüber dem US-Dollar dar. Der Leistungsbilanzüberschuss der Eurozone stärkt den Euro zusätzlich.
Zieht man an dieser Stelle eine Zwischenbilanz der genannten Faktoren, so scheint die Stärkung des Euro gegenüber dem Dollar aktuell gerechtfertigt. Stefan Kreuzkamp bleibt aber skeptisch, dass dies alleine sowohl das Ausmass als auch die Geschwindigkeit der Wechselkursveränderung erklärt. Vielmehr scheint hier eine sehr unausgewogene Positionierung den Trend verschärft zu haben. Glaubt man Positionierungsumfragen, so war eine Untergewichtung im Euro gegenüber dem US-Dollar eine der ausgeprägtesten Positionierungen an den Finanzmärkten im ersten Halbjahr. Bildlich gesprochen hatte sich hier viel Druck aufgebaut. Der Ausgang der französischen Präsidentschaftswahlen war dann der Verschluss, der sich geöffnet hat, und wie im eingangs geschilderten Beispiel ist der Überdruck schlagartig entwichen. Die typischerweise geringe Liquidität an den Märkten während der Sommermonate hat das Ausmass der Kursentwicklung noch verstärkt.
Wie geht es weiter?
Aktuelle Positionierungsumfragen legen nahe, dass der Grossteil an Positionsbereinigungen bereits vorgenommen wurde. Damit sollte auch der grosse Druck aus den Märkten entwichen sein. Somit bleibt das Fazit der Deutschen AM: Ja, es war absehbar, dass der Dollar gegenüber dem Euro wie auch gegenüber anderen Währungen würde Federn lassen müssen. Dem hatten die Deutsche AM auch mit einer Anpassung der Wechselkursprognose um 10 Prozent Rechnung getragen. Sie sehen angesichts der kräftigen Dollar-Abschwächung der letzten Wochen aber Potenzial für eine Gegenbewegung. Keinesfalls würden sie den Kursverfall der letzten Wochen extrapolieren.