04.12.2024, 10:51 Uhr
«Während die Märkte von einer lockeren Geldpolitik beflügelt werden, drohen politische Umwälzungen in den USA sowie geopolitische Spannungen», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam in...
Nach zwei volatilen Monaten im Nachspiel des Börsencrashs in China und der Verschiebung der Mini-Zinserhöhung in den USA scheint sich die globale Anlegerherde von ihrem manisch-depressiven Koller zu erholen, glaubt Mikio Kumada von LGT.
Nachdem am vergangenen Montag kurz die Tiefstände vom August getestet wurden, machten die Börsenbarometer der USA und Europas auf dem Absatz kehrt und legten eine robuste Erholung von jeweils rund 6% bzw. 7.5% hin. Neue Tiefs blieben uns erspart. Japan, gegenüber Problemen in Asien stärker exponiert, konnte im ersten Schritt den westlichen Märkten nicht folgen. Der
Topix sackte bis Donnerstag auf ein Zweimonatstief ab. Doch dafür erholt sich der Index seitdem dementsprechend schneller, mit einem Kursgewinn von bisher 8%.
Diese Wenden sind beachtenswert, weil weiter Unklarheit über die US-Notenbankpolitik und deren Folgen herrscht und die Wirtschaftsdaten
zumindest in den USA zuletzt etwas gemischt ausfielen (die Arbeitsmarktdaten und Einkaufsmanagerindizes enttäuschten die hohen Erwartungen, während die Konsumentenumfragen durchaus überzeugen konnten).
In West und Ost folgen die Argumente der Bären der gleichen Leitlinie: Die liquiditätsabhängige Wirtschaft der Industrieländer saufe tendenziell schon wieder ab, Rohstoffbaisse und starker US-Dollar bedrängten die Schwellenländer, und nun verliere scheinbar auch China die Kontrolle über sein unbändiges Wirtschafts- und Kreditsystem. Angesichts dieser Entwicklungen, heisst es, zeigten sich die grossen Notenbanken zu streng (Aussicht auf Zinsenerhöhungen in den USA) bzw. zu gelassen (keine Ausweitung der quantitativen Lockerung in Japan und Europa). Verwiesen wird dabei auf die Aussagekraft komplexer Indikatoren, gestiegene Kreditrisikoprämien,
gesunkene marktbasierte Inflationserwartungen (inflationsgekoppelte Staatsanleihen) und andere Verwerfungen.
Finanzmärkte können kurzfristig irren
Diese Argumentationslinie überzeugt uns derzeit nicht. Grundsätzlich können Finanzmärkte als permanente globale Abstimmungsmechanismen die Lage der Weltwirtschaft zwar besser einschätzen als einzelne Personen, Firmen oder Institutionen. Kurzfristige Turbulenzen sagen aber manchmal wenig bis gar nichts aus. Es gibt zu viele Faktoren, die das Marktgeschehen beeinflussen und
dessen Signale verzerren können, von der Natur der menschlichen Psyche bis hin zu computergesteuerten Trading-Automatismen.
«Die Bullen werden sich neuformieren und zurückschlagen», vermuteten wir vor sieben Wochen im LGT Beacon. Inzwischen gibt es gute Hinweise, dass sich die Hausse-Loyalisten tatsächlich entsprechend in Stellung gebracht haben. Die relative Performance der Emerging Markets und Asiens verbessert sich schon seit Mitte August (vgl. PDF, Grafik 1, Seite 2). Das war das erste Zeichen in unserem Sinne. Denn vor einer erfolgreichen Gegenoffensive sollten zuerst die Schwachstellen der Front gedeckt werden. Auch psychologisch gesehen sollte die Entspannung in den EM bzw. Asien beginnen, weil diese Märkte auch den Auslöser für die aktuelle Korrektur geliefert hatten. Inzwischen sind zudem die Marktbewertungen in diesen Regionen sehr stark gesunken (PDF, Grafik 2, Seite 2), womit Kursavancen auch unter konservativen Zukunftsannahmen wieder begründbar geworden sind. Das zweite Zeichen folgte in der vergangenen Woche in den USA, Europa und Japan, wo sich die Bären eben trotz gemischter News eben nicht durchzusetzen konnten.
Bullenfraktion hat wichtige Etappensiege erzielt
Insgesamt scheint der Truppenaufbau der Bullen also an allen Fronten Fortschritte zu machen. Erste Scharmützel werden wieder gewonnen. Wann genau und in welcher Form das Signal für die grosse Hauptoffensive kommen wird, können wir nicht wissen. Was wir aber sagen können, ist Folgendes: Sollte es demnächst gegeben werden, dann wären die Bullen jetzt im Vorteil - sie haben bereits einige wichtige Brückenköpfe im gegnerischen Territorium befestigt.