23.12.2024, 08:37 Uhr
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«Die Arbeitsbelastung der Wirtschaftsprüfer in Hongkong nimmt zu, aber ihre Honorare werden gekürzt, was die Qualität ihrer Arbeit gefährdet. Das Risiko für die Aktionäre könnte eine Chance sein, die Corporate Governance zu ihren Gunsten umzugestalten», schreiben Tina Chang, Associate Director & Noah Sin, Investment Writer bei Fidelity.
In der vieldiskutierten Umwälzung des chinesischen Immobilienmarktes ist ein Wirtschaftsprüfungsskandal untergegangen, der die Anleger weiterhin teuer zu stehen kommt. Das in Schwierigkeiten geratene Bauunternehmen Evergrande wurde von der chinesischen Aufsichtsbehörde beschuldigt, seine Einnahmen im Jahr 2021 um 78 Milliarden Dollar aufgebläht zu haben. Das Unternehmen wird von einer Aufsichtsbehörde mit erweiterten disziplinarischen Befugnissen in Hongkong, wo Evergrande börsennotiert ist, untersucht. Die Aktie, deren Marktkapitalisierung in der Spitze über 300 Milliarden Hongkong-Dollar (38,4 Milliarden US-Dollar) betrug, fiel schnell in Ungnade. Jetzt ist das Unternehmen so gut wie nichts mehr wert.
Evergrande ist ein Extremfall, und die Untersuchung im fünftgrössten Aktienmarkt der Welt ist noch nicht abgeschlossen. Dennoch zeigt er, dass es eine strukturelle Herausforderung ist, in einem wettbewerbsorientierten Markt «die faulen Äpfel auszusortieren». Ein Blick auf die Bilanzen der Hongkonger Wirtschaftsprüfer zeigt: Zwischen 2010 und 2021 stiegen die durchschnittlichen Einnahmen der börsennotierten Unternehmen um 67 Prozent, die durchschnittliche Bilanzsumme der börsennotierten Unternehmen um 91 Prozent, während die durchschnittlichen Prüfungsgebühren nur um 9 Prozent stiegen.
Dies bedeutet laut Fidelity, dass die Prüfer im Durchschnitt komplexere Projekte übernehmen, sich die höhere Arbeitsbelastung aber nicht in ihrer Vergütung niederschlägt. «Wenn Unternehmen wachsen und komplexer werden - zum Beispiel durch Expansion ins Ausland - wird die Prüfung anspruchsvoller. Der harte Wettbewerb treibt einige Wirtschaftsprüfer dazu, Aufträge in Ländern anzunehmen, in denen sie nur über begrenzte Erfahrung verfügen, was die Qualität der Prüfungen weiter verschlechtert», schreiben die Autoren.
Die Situation in Hongkong erinnere die Anleger überall daran, dass Anzeichen von «Reife» (Marktkapitalisierung, hohe Liquidität usw.) die Kapitalmärkte nicht vor den Risiken der Corporate Governance schützen. In einer kürzlich von der Asian Corporate Governance Association (ACGA) erstellten Rangliste der Corporate Governance lag die Qualität der Wirtschaftsprüfung in Hongkong hinter kleineren asiatischen Märkten wie Malaysia und Taiwan sowie hinter den regionalen Rivalen Japan und Singapur. Börsennotierte Unternehmen werden immer die kosteneffizientesten Prüfungen wünschen, und das zu Recht. «Aber die Qualität darf dabei nicht auf der Strecke bleiben, insbesondere in einem globalen Finanzzentrum wie Hongkong.»
Die Aktionäre haben einen Anreiz zu handeln - es ist ihr Kapital, das durch schlechte Prüfungen gefährdet ist. Aber sie werden durch die mangelnde Transparenz auf dem Hongkonger Markt behindert. Ausser dem Namen des Wirtschaftsprüfers und den für Prüfungsleistungen und prüfungsfremde Leistungen gezahlten Honoraren liefert das Verfahren kaum nützliche Informationen.
Glücklicherweise wurde den Investoren, die einen Wandel wollen, die schwere Arbeit abgenommen. Vor dreieinhalb Jahren schuf Hongkong eine unabhängige Regulierungsbehörde für Wirtschaftsprüfer, den Accounting and Financial Reporting Council (AFRC), und löste damit einen langjährigen Interessenkonflikt der sich selbst überwachenden Branchenorganisation.
Entscheidend sei, dass der AFRC ein Register der Wirtschaftsprüfer mit Informationen über Disziplinarverfügungen, Inspektionsberichte und eine Reihe von Leitlinien bereitstellt. Die Leitlinien bieten zwar eine Fülle von Anhaltspunkten, doch sollten sich die Aktionäre auf drei spezifische Forderungen konzentrieren, wenn sie mit den Unternehmen über prüfungsbezogene Fragen sprechen.
Die vordringlichste Aufgabe sei die Schaffung von Transparenz in diesem Verfahren. Die Geschäftsleitung sollte die Gründe für die Entscheidung des Prüfungsausschusses erläutern, sowohl bei der Bestellung eines neuen Abschlussprüfers als auch bei der Wiederbestellung des bisherigen Abschlussprüfers. Die Anleger sollten auch über etwaige Änderungen der Honorare, die Amtszeit des amtierenden Prüfers, die beauftragten Partner und deren einschlägige Erfolgsbilanz informiert werden. Sie sollten auch darüber informiert werden, wie der Prüfungsausschuss den amtierenden Prüfer bewertet und in Frage gestellt hat.
Bei der Abschlussprüfung ist Objektivität wichtig. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, sollte die Beteiligung von Prüfern an prüfungsfremden Tätigkeiten eingeschränkt werden. Falls ein Prüfer ausscheidet, sollte das Unternehmen sicherstellen, dass ein neuer Prüfer mehr als drei Monate Zeit hat, um eine umfassende Prüfung durchzuführen - und verhindern, dass die Prüfer sich in letzter Minute abmühen.
Kleine Änderungen können einen grossen Unterschied in der Prüfungsqualität bewirken. Bei der Auswahl von Wirtschaftsprüfern sollten die Unternehmen die Honorarangaben unkenntlich machen, damit der Auftrag an den besten Bewerber vergeben wird. Unternehmen, die einen Prüfer zu lange behalten, können ebenfalls problematisch sein und Interessenkonflikte hervorrufen. Während der Ethikkodex für Wirtschaftsprüfer in Hongkong vorschlägt, alle sieben Jahre einen neuen Partner zu ernennen, sollten Unternehmen proaktiv die Dauer der Beauftragung eines Wirtschaftsprüfers überprüfen und nachweisen, wie die Unabhängigkeit gewährleistet wird.
Die Unternehmen werden mehr zahlen müssen. Aber die Kosten der Untätigkeit - der Verlust des Anlegervertrauens - sind für alle Marktteilnehmer weitaus höher. Wenn Regulierungsbehörden, Wirtschaftsprüfer, Unternehmen und Anleger zusammenarbeiten, kann der Markt in Hongkong neue Höhen erreichen.