04.12.2024, 10:51 Uhr
«Während die Märkte von einer lockeren Geldpolitik beflügelt werden, drohen politische Umwälzungen in den USA sowie geopolitische Spannungen», schreibt Nicolas Forest, Chief Investment Officer bei Candriam in...
US-Aktien haben seit Jahresfrist an Schwung verloren, während die meisten US-Wirtschaftsdaten enttäuschten. Gleichzeitig mahnen die anhaltend robusten Ertragsleistungen der Unternehmen und die konjunkturellen Frühindikatoren, dass es noch zu früh ist, die US-Hausse gänzlich "abzuschreiben", erklärt Mikio Kumada von LGT im Interview.
"Der S&P 500 ist seit Anfang Jahr um 1.5% gestiegen, was bescheiden wirkt. Japans Nikkei notiert beispielsweise 12% höher, während Russlands RTS oder Chinas Shanghai Composite 30% bzw. 40% zugelegt haben (alle Avancen in USD gemessen). Und erst letzten Freitag schien die Erstschätzung des US-Bruttoinlandsprodukts für das erste Quartal die befürchtete US-Flaute zu bestätigen: Das annualisierte Realwachstum der US-Wirtschaft ist vorläufig gegenüber dem Vorquartal auf gerade mal 0.2% eingebrochen, nach einem Plus von 2.2% im vorangegangenen Quartal. Der Konsens hatte einen Anstieg von immerhin 1.0% in Aussicht gestellt.
Nun geben wir gern zu, dass nach sechs Jahren überdurchschnittlicher Stärke US-Aktien im globalen Vergleich an Attraktivität verloren haben - vor allem, wenn wir davon ausgehen, dass die Federal Reserve irgendwann im Herbst beginnen wird, die Leitzinsen zu erhöhen. Dennoch ist es noch zu früh, um US-Aktien generell zu meiden. Die bisherigen Daten implizieren noch keine dauerhaft gravierenden Konjunkturrisiken. Sollten sich diese weiter verdichten, dürfte die Fed die anvisierte Zinserhöhung doch noch verschieben. Dann könnte sich die aktuelle Schwäche erst recht einmal mehr als temporär erweisen. Insbesondere folgende Faktoren sprechen weiter für einen insgesamt immer noch freundlichen US-Aktienausblick.
Mehrheitlich weiterhin robuste Unternehmensleistungen
Infolge der USD-Aufwertung und des Einbruchs der Rohstoffpreise, vor allem für Rohöl, hätte der Gewinn je Aktie (EPS) der US-Konzerne im Q1 gemäss Konsens eigentlich zum ersten Mal seit Herbst 2012 sinken sollen. Tatsächlich übertrafen die EPS im Energiesektor die Erwartungen jedoch um 31% - mehr als in jedem anderen Sektor. Auch die Basismaterialbranche konnte in diesem Sinne überraschen. Statt eines Rückgangs wurde auf Gesamtmarktebene damit letztlich ein EPS-Anstieg von immerhin 1.7% ausgewiesen. Das ist zwar deutlich tiefer als den von uns bevorzugten Märkten, d.h. Japan (+58%, Auszählungsstand 41%) und Eurozone (+16.5%, Auszählungstand 55%), angesichts der widrigen Umstände im relevanten Zeitraum aber doch respektabel. Wenn wir die Energie- und Grundstoffsektoren rausrechnen, wachsen die US-EPS sogar weiter um knapp 9% (siehe PDF, Seite 2, Tabelle 1).
Zudem bleibt das US-EPS-Wachstum höher als in den meisten übrigen Märkten: Ohne die US-Ergebnisse sanken die weltweiten EPS im besagten Zeitraum nämlich um 1.1%, primär aufgrund einer anhaltenden Ertragsschwäche in den Schwellenländern. Die USA zählen also weiter zu den Märkten, die 'verlässlich' positiv überraschen, während die Emerging Markets in dieser Hinsicht doch noch weiter zu kämpfen haben (dies dürfte sich in naher Zukunft auch kaum merklich bessern, falls Chinas Börsenfirmen, wie in zahlreichen Berichten suggeriert wird, die staatlich inszenierten Rallyes in Shanghai und Shenzhen tatsächlich im grossen Stil für Aktienemissionen nutzen sollten. Letztere reduzieren natürlich den Gewinn je Aktie).
Bei den Managerumfragen stehen die USA weiter vergleichsweise gut da
Darüber hinaus reihen die Ergebnisse der einschlägigen Einkaufsmanagerindizes (PMI) die USA unverändert unter die stärkeren Volkswirtschaften ein. Seit vergangenem September, als wir zuletzt einen Überblick der Industrie-PMIs von Markit an dieser Stelle veröffentlichten, hat sich die globale Konjunkturdynamik tatsächlich etwas abgeschwächt. Diese Abflachung ging jedoch primär von den Schwellenländern aus (siehe PDF, Seite 2, Tabelle 2). Mit anderen Worten, auch diese globalen Umfragen bestätigen den während der weltweiten Berichtssaison entstandenen Eindruck, dass die US-Konjunktur den bekannten Gegenwinden (starker USD, potenzieller US-Zinsanstieg, Rohstoffflaute) doch vergleichsweise gut standhält. Alles in allem ist es aus unserer Sicht daher noch zu früh, das Aufwärtspotential des US-Aktienmarkts auch aus relativer Sicht 'abzuschreiben'.
US-Unternehmen überraschen erneut positiv
Die folgende Tabelle vergleicht die Ergebnisse der noch laufenden Berichtssaison für das Q1/2015 in den USA und der 'Welt ohne USA' (auf Basis des MSCI World All Countries Excluding USA). Sowohl Gewinnübertreffung und -wachstum sind unter dem Strich in den USA höher als im Weltindex. In den USA konnten zudem neun von zehn Sektoren ein positives EPS-Wachstum ausweisen. Ebenfalls neun Sektoren übertrafen auch die Prognosen. Ohne die US-Ergebnisse wiesen hingegen nur sechs Sektoren höhere Gewinne als im Vorjahr aus und nur fünf konnten auch die Prognosen übertreffen. Wenn wir nun nach vorne schauen, sollten wir Folgendes im Auge behalten: Die ersten drei Monate des Jahres sind konjunkturell etwas schwächer als erwartet ausgefallen, wie wir heute wissen. Inzwischen haben sich die Rohstoffpreise zumindest vorerst etwas stabilisiert, während die USD-Rallye an Dynamik verloren hat. In dieser Situation könnten die US-Unternehmen das Gewinnwachstum in den kommenden Monaten oder Quartalen also durchaus noch weiter erhöhen. Die PMI-Umfragen von Markit (Stand Ende April) unter den Einkaufsmanagern rund um den Globus sprechen jedenfalls ebenfalls für einen anhaltend konstruktiven Geschäftsausblick in den USA (siehe PDF, Seite 2).
PMI-Umfragen zeigen, dass USA unter stärkeren Volkswirtschaften bleibt
Im Folgenden zeigen wir, wie stark die Markit-Einkaufsmanagerindizes per Ende April in den jeweiligen Märkten von der Wachstumsschwelle von 50 Punkten abweichen. Werte über 50 bedeuten verbesserte Geschäftsaussichten in den kommenden Monaten, Werte darunter signalisieren einen schwächeren Geschäftsverlauf. Die USA zählen unverändert zu den Ländern, die vergleichsweise gut dastehen. Die Zahl der Länder mit eingetrübtem Ausblick in den verarbeitenden Industrien sind seit letztem September von nur vier auf elf angestiegen, was auf ein etwas schwächeres weltwirtschaftliches Umfeld verweist. Allerdings ist diese mögliche Konjunkturschwäche weitgehend primär aus den Schellenländern hervorgegangen - also China, Südkorea, Brasilien und Russland, Taiwan sowie Türkei und Indonesien. In Anbetracht dessen, dass die USA zu den am wenigsten exportabhängigen Volkswirtschaften zählen, sprechen daher auch die Einkaufsmanagerindizes, welche vorauslaufende Konjunkturindikatoren darstellen, durchaus noch für ein gewisses positives Überraschungspotenzial der US-Börsen."
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