23.12.2024, 08:37 Uhr
Der Spezialkunststoff-Hersteller Gurit will sich künftig ganz auf profitablere Regionen und Geschäftsbereiche konzentrieren. Im Zuge der angekündigten Restrukturierung sollen Werke in Dänemark, Indien und der...
Die Experten von Candriam stellen die Frage in den Raum, ob die Ziele der Zentralbanken im Umfeld der höheren Inflation mit der Finanzstabilität vereinbar sind. Die politischen Entscheidungsträger befänden sich auf einer Gratwanderung zwischen den durch die quantitative Lockerung hervorgerufenen Ungleichheiten und ihrer Rolle im Kampf gegen den Klimawandel.
Die globale Inflation ist aufgrund der Engpässe in den Lieferketten und dem Mangel an Arbeitskräften nach wie vor hoch. Da der Preisdruck unvermindert anhält, sind die Anleihenmärkte laut Céline Deroux, Senior Fixed Income Strategist, Global Bonds bei Candriam und Nicolas Forest, Global Head of Fixed Income, auf eine restriktivere Geldpolitik ausgerichtet und haben die Reaktionen der Zentralbanken von Industrieländern bereits getestet. Australien habe die Renditeobergrenze für 3-jährige Anleihen bereits aufgehoben.
Die US-Notenbank hat ein duales Mandat: Preisstabilität und Vollbeschäftigung. Vor einem Jahr ging die Fed zu einem flexiblen Inflationsziel um den Durchschnittswert von 2% über und versucht gleichzeitig, einen Arbeitsmarkt mit voller Partizipation zu erreichen. Daher kann sie ein Überschiessen der Inflation hinnehmen, solange die Vollbeschäftigung nicht erreicht ist. In ihrer jüngsten Verlautbarung räumte die Fed ein, dass die Inflation über ihrem 2%-Ziel liegt. Sie beschrieb die überhöhte Teuerung jedoch als vorübergehend und rechnet bis Ende 2022 mit einem näher bei 2,2% liegenden Niveau.
Während die US-Wirtschaft ihre Erholung fortsetzt, gab die Zentralbank ihre Normalisierungspolitik bekannt. Sie plant, ihre Wertpapierkäufe von bisher 120 Mrd. USD pro Monat im November und Dezember um jeweils 15 Mrd. USD zu reduzieren und die Anleihenkäufe gegen Ende des zweiten Quartals 2022 zu beenden. Laut dem "Dot Plot» des US-Offenmarktausschusses dürfte die Zentralbank erst nach dem Ende der Drosselung mit der Anhebung der Leitzinsen beginnen, da die US-Wirtschaft immer noch weit von der Vollbeschäftigung entfernt ist, so die Candriam-Experten. Die Erwerbsquote sei nicht gestiegen, unter anderem, weil viele aufgrund der Pandemie vorzeitig in Rente gegangen sind.
Das Ergebnis: Nachdem die Verbraucherpreise im November um 6,2% höher waren als im Vorjahr, würden die Anleger jetzt offenbar frühere und aggressivere Zinserhöhungen der Fed vorwegnehmen als die Bank derzeit ankündigt. "Unserer Ansicht nach könnte die Fed in der zweiten Jahreshälfte 2022 zwei Zinserhöhungen vornehmen. Es bleibt abzuwarten, wie die Fed ihre aufgeblähte Bilanz in den Griff bekommt. Eine aktive Reduzierung ihrer Bilanz könnte vor, während oder nach den ersten Zinserhöhungen erfolgen. Im Augenblick wurde dieses Thema nicht angesprochen. Es wird aber sicherlich ein Bestandteil künftiger politischer Entscheidungen sein, da eine solche Massnahme das Instrumentarium der Fed auf ihrem Weg zur Normalisierung der Geldpolitik ergänzen könnte", sagen Deroux und Forest.
In Europa hat die EZB ein symmetrisches Inflationsziel festgelegt und ihre Steuerung der Erwartungen verstärkt. Darüber hinaus wird die Bank Klimafaktoren in ihre geldpolitische Lagebeurteilung einbeziehen. Die EZB rechnet mit einer zusätzlichen kurzfristigen Inflation im Jahr 2022, bevor die Teuerung 2023 wieder unter das 2%-Ziel sinken soll. Im Hinblick auf die Wertpapierkäufe wird das PEPP-Programm in Höhe von 1,875 Mrd. Euro mit einem langsameren Tempo fortgesetzt und läuft im März 2022 aus. Darauf wird ein flexibleres Wertpapierkaufprogramm folgen.
Das Ergebnis: "Wie in den USA führte die Erwartung eines höheren europäischen Verbraucherpreisindex von rund 4% zu Spekulationen über eine potenzielle Zinserhöhung im Jahr 2022. Diese Ansicht wurde von Christine Lagarde in der jüngsten Mitteilung über den geldpolitischen Beschluss der EZB zurückgewiesen", so die Experten.
Dieser "geduldige Ansatz» der Zentralbanken der Industrieländer stehe im scharfen Gegensatz zu den jüngsten Massnahmen der Zentralbanken von Schwellenländern. Brasilien habe den Leitzins seit Anfang 2021 insgesamt um 575 Basispunkte (Bp.) angehoben, unter anderem mit einer bemerkenswerten Zinserhöhung um 150 Bp. im Oktober – ihr grösster Schritt bei einer einzelnen Sitzung in den letzten 20 Jahren.
"Einerseits laufen die Zentralbanken der Industrieländer Gefahr, hinter den Entwicklungen zurückzubleiben. In diesem Fall müssen sie möglicherweise aggressiv durchgreifen, wenn die Inflationserwartungen nicht mehr verankert sind", meinen Deroux und Forest. Die Inflation bereite den Unternehmen derzeit die grössten Sorgen, während die Verbraucher die Auswirkungen der höheren Preise zu spüren bekommen. Der Lohndruck müsse ebenfalls aufmerksam beobachtet werden. Denn hier könnte nach Ansicht der Fixed-Income-Experten eine Rückkopplungsschleife entstehen, die dazu führen könnte, dass aus der kurzfristigen Inflation ein Dauerzustand wird. Andererseits könnte eine aggressive Reaktion auf die (potenziell) vorübergehende Inflation die Konjunkturerholung gefährden und vor dem Hintergrund der weltweit höheren Staats- und Verbraucherverschuldung eine abrupte Verlangsamung auslösen.
"Die treibenden Kräfte des Preisanstiegs – insbesondere die Engpässe in den Versorgungsketten – dürften noch einige Monate lang anhalten, während der Energieschock die Unsicherheit im Hinblick auf das Wachstum verstärkt. Vor diesem Hintergrund werden die neuen Reaktionsfunktionen der Zentralbanken rasch auf die Probe gestellt. Es bleibt abzuwarten, ob sich ihre Geduld auszahlt und mit einem robusten Wachstum und finanzieller Stabilität belohnt wird", sagen Deroux und Forest abschliessend.