02.12.2024, 10:49 Uhr
«Europa steht wirtschaftlich unter Druck und muss seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen globalen Wirtschaftsmächten – insbesondere den USA – verbessern», heisst es im neuesten Marktausblick des...
Während die weltweiten Aktienmärkte mit deutlichen Verlusten ins Jahr 2022 gestartet sind, haben sich europäische Value-Aktien dem Trend widersetzen können. Doch ist diese Rallye auch nachhaltig? Ja, meint Richard Halle von M&G Investments, denn das Jahrzehnt der "billigen Werte" sei angebrochen.
Die weltweiten Aktienmärkte sind insgesamt mit deutlichen Verlusten ins Jahr 2022 gestartet. Insbesondere die geplanten Zinserhebungen der US-Notenbank Fed verunsicherten die Anlegerinnen und Anleger. Europäische Value-Aktien gehörten zu den wenigen Marktsegmenten, die sich diesem Trend widersetzen konnten.
"Die grossen Technologiewerte haben den Ausverkauf in den USA angeführt – also genau die Titel, die den Markt in den letzten Jahren angetrieben haben", sagt Richard Halle, Fondsmanager bei M&G Investments, und fährt fort: "Sie leiden jetzt unter der Aussicht auf höhere Zinsen. Im Gegensatz dazu hat sich der Value-Faktor bzw. -Stil in diesem Jahr gut entwickelt: Die Anleger sind von den hoch notierenden Wachstumswerten auf preiswertere Value-Titel umgestiegen." Es stelle sich allerdings die Frage, ob die Value-Rallye nachhaltig sei oder ob sie nur eine weitere Momentaufnahme darstelle.
Der 13 Jahre andauernde Trend gegen den Value-Stil hat sich während der Corona-Pandemie beschleunigt, wenn auch mit einer kurzen Unterbrechung. Er hat dazu geführt, dass die Bewertungsunterschiede zwischen den billigsten und den teuersten Aktien heute extremer sind als je zuvor.
"Wir führen diese Preisbildung in erster Linie auf verhaltensbedingte Faktoren zurück und weniger auf die Fundamentaldaten der Unternehmen", so Halle. Innerhalb des langfristigen Trends sei ein sich selbst verstärkender Zyklus entstanden – in Verbindung mit einer Verankerung, die diesen Trend auf unbestimmte Zeit fortschreibe und Teile des Marktes zu immer höheren Bewertungen treibe. Das Narrativ des "Storytelling" habe jegliche Bewertungsgrenzen gesprengt, beobachtet der Fondsmanager: "Privatanleger, quantitative und passive Investoren drängen in dieselben Aktien; das hat zu einer nicht nachhaltigen Preisbildung geführt."
Der Preis wurde also zu einem starken Faktor, der die Anlegerinnen und Anleger ohne Rücksicht auf die Bewertungen in bestimmte Marktsegmente trieb. Daher hält Halle viele Wachstumstitel, renditestarke Werte und "Konzept"-Aktien für überbewertet. Es sei schwer zu erkennen, wie die Fundamentaldaten eine so grosse Bewertungsdiskrepanz rechtfertigen sollen.
Deshalb dürfte die derzeitige Korrektur für viele trendfolgende Anlegerinnen und Anleger ein Schock sein. Der Schmerz dieser Erfahrung könnte den Zyklus der wahllosen Käufe endgültig durchbrechen. Nach den starken Kurseinbrüchen bei Konzept- und Wachstumswerten und angesichts der für dieses Jahr zu erwartenden strafferen Geldpolitik könnten sich die Anleger fragen, welcher Preis für hoch bewertete Unternehmen aus ganz verschiedenen Bereichen wirklich angemessen sei.
"Wir sind seit langem davon überzeugt, dass Wachstumswerte übertrieben hoch bewertet sind und der Value-Gedanke wieder in den Vordergrund rücken wird. Bereits Mitte 2020 haben wir darauf hingewiesen, dass die 2020er Jahre durchaus das Jahrzehnt der 'billigen Werte' werden könnten. Es hat bis jetzt gedauert und die Aussicht auf steigende Zinsen erfordert, um einen Stimmungswandel herbeizuführen", meint Halle.
Nun scheine die Ära des billigen Geldes zu Ende zu gehen. Anlegerinnen und Anleger könnten deshalb vermehrt den Fundamentaldaten mehr Aufmerksamkeit schenken und auf die Bewertungsanker achten – ein günstiges Umfeld für die vielgeschmähten Value-Aktien.