23.12.2024, 08:37 Uhr
Der Spezialkunststoff-Hersteller Gurit will sich künftig ganz auf profitablere Regionen und Geschäftsbereiche konzentrieren. Im Zuge der angekündigten Restrukturierung sollen Werke in Dänemark, Indien und der...
Die wirtschaftliche Vollbremsung im ersten Halbjahr 2020 wird beispiellos sein. DWS rechnet jedoch damit, dass die "Schockfrostung" der Wirtschaft Europas höchstens bis in den Mai hinein andauern wird. Staatliche Stützungsmassnahmen sollten die wirtschaftlichen Negativfolgen in Grenzen halten, aber zu deutlich erhöhten Staatsschulden führen.
Das neue Coronavirus Sars-CoV-2 II hat die Welt in einer solchen Geschwindigkeit erfasst und lahmgelegt, dass nach Meinung von Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa bei DWS, auf kurze Sicht selbst Vergleiche mit Fukushima, dem 11. September oder der Finanzkrise zu kurz greifen. Um der exponentiellen Ausbreitung des Virus Herr zu werden, haben alle Industriestaaten den Betrieb stark heruntergefahren. Wie gross der wirtschaftliche Schaden ausfallen wird, lässt sich schwer ermessen, aber er wird erheblich sein. "Die 'Schockfrostung' der Gesellschaft und Wirtschaft lässt die globale Konjunktur in Rekordzeit in eine scharfe Rezession stürzen", sagt Moryson.
Wie gross aber könnte der wirtschaftliche Schaden ausfallen, den die ergriffenen Präventionsmassnahmen verursachen? Mit welchen Mitteln wird und kann gegengesteuert werden? DWS versucht hier eine Einschätzung. Der wirtschaftliche Schaden entsteht in erster Linie dadurch, dass zur Verhinderung einer grossen Anzahl von Erkrankungen auch die wirtschaftlichen Interaktionen eines grossen Teils der Gesellschaft deutlich reduziert werden. Zahlreiche Länder befinden sich in einem Lockdown: Ausgangssperren wurden mittlerweile unter anderem in weiten Teilen der USA, in Italien, Frankreich, Spaniens, Grossbritannien und zuletzt in Indien verhängt. In Deutschland sind alle öffentlichen Veranstaltungen untersagt, sämtliche nicht "systemrelevante" Geschäfte haben geschlossen. Der internationale Flugverkehr ist weitgehend zum Erliegen gekommen, der freie Warenverkehr stark eingeschränkt.
"Zahlreiche dieser Massnahmen mögen gesundheitspolitisch geboten sein, solange die Erfahrung, die Methoden und die Instrumente fehlen, um das Virus effektiver einzuhegen. Der Krise könnte man sicherlich mit einem geringeren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kollateralschaden Herr werden, wenn gesundheitspolitische Massnahmen und Einschränkungen im internationalen Reiseverkehr, sowie die nun notwendigen fiskalischen und geldpolitischen Rettungsmassnahmen auf G7- oder besser noch auf G20-Ebene abgestimmt worden wären bzw. noch würden", meint Moryson. Doch leider treffe die Krise die Welt zu einem Zeitpunkt, in dem aktionistische, populistische und protektionistische Massnahmen auf fruchtbaren Boden fallen. Hinzu komme, dass – global betrachtet – das Pendel zwischen "Freiheit» und "Sicherheit» heute sehr weit in Richtung "Sicherheit» ausgeschlagen sei. Auch das führe tendenziell zu Massnahmen, die gravierende Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft hätten.
Eine erste Indikation, wie die Massnahmen auf die verschiedenen Sektoren wirken, dürfte China bieten. Es ist nicht nur das produzierende Gewerbe, das leidet, sondern auch der Dienstleistungssektor. Insgesamt zeichnen die Zahlen aus China ein beängstigendes Bild: so ging beispielsweise der Handel mit Pkw im Februar um rund 80% gegenüber dem Vorjahr zurück. Die Industrieproduktion sank um 13%, der Umsatz im Handel um 22%.
Wie unterschiedlich stark die einzelnen Sektoren getroffen sein können, zeigt exemplarisch für die Eurozone die nachfolgende Grafik. Einige Bereiche dürften – zumindest vorübergehend – kaum mit nennenswerten Ausfällen rechnen müssen. Einige könnten sogar profitieren, wie etwa die Hersteller von medizinischen Geräten und Ausrüstung, so denn ihre Lieferketten verschont bleiben. Andere Bereiche sind jedoch extrem getroffen: allen voran der Tourismus und der gesamte Kunst- und Kulturbereich, der faktisch über Nacht seinen Betrieb einstellen musste. Aber auch der Handel und die Industrie sind in einem ganz erheblichen Umfang getroffen.
Aggregiert man diese Ausfälle unter Berücksichtigung des Gewichts der einzelnen Sektoren, so kommt man für die Eurozone auf einen Ausfall von gut 17% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) oder als Faustformel rund 1,5% des jährlichen Bruttoinlandsprodukts pro Monat des Lockdowns. Dabei sind die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten unterschiedlich stark getroffen. Deutschland beispielsweise härter, weil das Verarbeitende Gewerbe einen grösseren Anteil an der gesamten Wertschöpfung hat. Italien und Spanien wiederum leiden stärker wegen des zum Erliegen kommenden Tourismus, der dort einen grösseren Anteil am Bruttoinlandsprodukt ausmacht.
Generell kann man feststellen, dass die wirtschaftliche Entwicklung der drei grossen Regionen (China, USA und Europa) aufgrund ihrer unterschiedlichen Struktur, der getroffenen Massnahmen und des zeitlichen Auftretens des Virus einen jeweils unterschiedlichen Verlauf nimmt. So kann China seine Produktion bereits wieder langsam hochfahren, trifft dabei aber auf eine gedrosselte Nachfrage aus dem Rest der Welt, während in Europa und den USA der Lockdown gerade erst begonnen hat.
Das Ausmass der Beeinträchtigung liegt jedoch für alle Regionen in der gleichen Grössenordnung. Man kann rund 1,5% vom jährlichen Bruttoinlandsprodukt pro Monat Lockdown abziehen. Die entscheidende Frage ist also, wie lange die jetzt beschlossenen Massnahmen, die sich sogar noch verschärfen könnten, anhalten werden. DWS geht davon aus, dass diese in Europa höchstens bis in den Mai hinein durchgehalten werden können. Im dritten Quartal sollte somit eine gewisse Normalisierung der Umstände einsetzen.