China: «US-Wahlen als Risiko»

Paulo Salazar, Head of Emerging Markets Equity bei Candriam über den Einfluss der US-Wahlen auf die chinesische Wirtschaft. (Bild pd)
Paulo Salazar, Head of Emerging Markets Equity bei Candriam über den Einfluss der US-Wahlen auf die chinesische Wirtschaft. (Bild pd)

«Egal wer in den USA gewinnt, in China wird das Stock-Picking in China immer wichtiger. Investoren sollten sich auf Sektoren konzentrieren, die von der Regierung aktiv unterstützt werden», schreibt Paulo Salazar, Head of Emerging Markets Equity bei Candriam.

25.10.2024, 07:48 Uhr

Die chinesischen Behörden haben begonnen, den Deflationsdruck durch eine Reihe von geld- und fiskalpolitischen Massnahmen zu bekämpfen und signalisieren damit ihre zunehmende Dringlichkeit, die Wirtschaft zu stabilisieren. Während China versucht, seinen Immobiliensektor zu stärken und das inländische Wachstum zu fördern, könnten die Wahlen in den USA laut Salazar die Handelsspannungen erneuern, was zu neuen Zöllen und einer Währungsabwertung führen könnte. Infolgedessen werde das Stock-Picking in China immer wichtiger.

Mehr Aufwärtspotenzial für die chinesischen Märkte

Die jüngsten Konjunkturimpulse haben eine rasante Rallye an den chinesischen Aktienmärkten ausgelöst, die zuvor unterdurchschnittlich abgeschnitten hatten und deutlich unterbewertet waren. Trotz eines Anstiegs um 40 Prozent seit dem Tiefpunkt im September besteht noch Spielraum für weitere Kursgewinne, wenn China seine Abwärtsspirale umkehren könne. Mehrere Faktoren unterstützen gemäss dem Experten diesen Optimismus:

• Chinesische Aktien werden auf Mehrjahreststief im Vergleich zu den US-Märkten gehandelt, was Raum für eine Neubewertung bietet (siehe Grafik).

• In der Vergangenheit hat China von niedrigeren US-Zinssätzen profitiert.

• Der Wiederanstieg auf historische Niveaus ist in erster Linie auf eine Neubewertung des Marktes und nicht auf eine Aufwärtskorrektur der Gewinne zurückzuführen. «Obwohl es noch keine konkreten Ertragsverbesserungen gibt, sind wir der Ansicht, dass die langfristigen Anleger konstruktiver werden und das Vertrauen in eine mögliche strukturelle Wende wächst», schreibt Salazar.

• Die Marktteilnehmer konzentrierten sich zunehmend auf die Möglichkeit tiefgreifenderer Reformen und einer stärkeren Unterstützung durch die Regierung, was die Voraussetzungen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und einen weiteren Marktaufschwung schaffen könnte.

Der Schlüssel für eine anhaltende Rallye

Um die Deflation zu beenden und die langfristige wirtschaftliche Erholung zu unterstützen, ist eine höhere Verschuldung der Zentralregierung erforderlich, die in den nächsten Jahren möglicherweise mehrere Billionen RMB überschreiten könnte. [SN1] Eine effektive Umsetzung dieser Massnahmen sei entscheidend. Sie sollten sich auf die Verbraucherausgaben, eine weitere Unterstützung des Immobilienmarktes und Strukturreformen konzentrieren, insbesondere auf jene, die auf eine Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen abzielen .

US-Wahlen als externes Risiko

Die US-Präsidentschaftswahlen am 5. November werden laut Candriam Auswirkungen auf China haben. Sowohl Demokraten als auch Republikaner erkennen, wie wichtig es ist, das Handelsdefizit mit China zu verringern und die Abhängigkeit von chinesischen Importen zu reduzieren. Im Jahr 2018 verhängte Trump Zölle in Höhe von 25 Prozent auf einige Waren, die auch unter der Regierung Biden fortgesetzt wurden. Zwar wollen sowohl Trump als auch Harris weiterhin gegen das chinesische Handelsungleichgewicht und die nationale Sicherheit vorgehen, doch unterscheiden sich ihre Ansätze voneinander.

Die Trump-Regierung könnte die Zölle auf chinesische Waren auf bis zu 60 Prozent anheben und möglicherweise auf andere Länder wie Vietnam ausdehnen, obwohl die Durchsetzung solcher Zölle schwierig sein könnte. Dies würde die ohnehin schon schwache, exportorientierte Wirtschaft Chinas weiter unter Druck setzen. Trump wird sich gemäss dem Experten gegenüber China wahrscheinlich aggressiver äussern und handeln als in der Vergangenheit und damit signalisieren, dass der Handelskrieg noch nicht vorbei ist! Dies könnte für chinesische Unternehmen zusätzlichen Gegenwind bedeuten, da die Verfügbarkeit internationaler Finanzierungsmöglichkeiten wahrscheinlich abnehmen würde.

Während die Einführung von Zöllen zu höheren Steuerausgaben auf zentralstaatlicher Ebene führen dürfte, rechnet Candriam in Zukunft mit einer grösseren Emission von internationalen Staatsanleihen durch China. «Infolgedessen gehen wir davon aus, dass die Renditen von Dollar-Anleihen [SN2] [CD3] leicht ansteigen werden, auch wenn jede Aufwärtsbewegung wahrscheinlich durch Chinas starke externe Position begrenzt wird», heisst es dazu.

Eine Harris-Regierung würde wahrscheinlich die derzeitige, vorhersehbare, schrittweise Strategie zum Schutz amerikanischer Interessen beibehalten, anstatt eine umfassende Abkopplung zu beschliessen. Obwohl sie wahrscheinlich keine neuen Zölle einführen würde, würde sie weiterhin strategische Sektoren wie Technologie und Halbleiter ins Visier nehmen und Chinas Hightech-Industrie unter Druck setzen .

China hat sich jedoch aktiv auf mögliche Zölle[SN4] vorbereitet, indem es seine Handelspartnerschaften weg von den USA diversifiziert hat. Der Handel zwischen China und anderen Schwellenländern hat ein Allzeithoch erreicht und verdeutlicht eine deutliche Verlagerung hin zu regionaler Interdependenz. Die Anpassungsfähigkeit chinesischer Unternehmen sollte nicht unterschätzt werden, da viele von ihnen alternative Vertriebskanäle effektiv genutzt und ihre Netzwerke erweitert haben, um sicherzustellen, dass sie ihre Endkunden trotz des äusseren Drucks weiterhin erreichen.

Druck auf den Renminbi

Die fiskalischen Impulse könnten zu einer allmählichen Schwächung des chinesischen Renminbi führen, da eine fiskalische Expansion dieses Ausmasses wahrscheinlich zu einer erhöhten Inflation führen wird. Die Gesamtauswirkungen auf das chinesische Preisniveau werden davon abhängen, wie sich die Konjunkturmassnahmen auf die chinesische Wirtschaft insgesamt auswirken.

Kurzfristig könnte ein Wahlsieg Trumps zu einer ausgeprägteren Schwäche des Renminbi führen, da die Märkte die Aussicht auf höhere US-Zölle einpreisen.

Ein Wahlsieg von Harris könnte dagegen zu einer allmählichen Verschlechterung des amerikanisch-chinesischen Handels führen und der Währung über einen längeren Zeitraum schaden. Die Renditen lokaler chinesischer Staatsanleihen bleiben im Vergleich zu anderen Anleihemärkten sehr niedrig. Aus diesem Grund dürfte der Markt für chinesische Staatsanleihen bei Investoren, die an globale Schwellenländer-Benchmarks in lokaler Währung gebunden sind, eine beliebte Untergewichtung bleiben. Da es kaum Spielraum für einen weiteren Rückgang der Renditen gäbe, halte Candriam die bevorstehende Erhöhung der Steuerausgaben für einen wahrscheinlichen Katalysator, der die Renditen von ihrem derzeitigen niedrigen Niveau nach oben treibe.

Taiwan, ein heikles Thema

Taiwan ist zwar kein Thema bei den US-Wahlen, sollte aber für den neuen Präsidenten ein geopolitisches Anliegen sein. Wenn Trump neue Zölle verhängt und die chinesische Wirtschaft in einer Deflationsspirale bleibt, könnte der Wunsch, die Insel zurückzuerobern, stärker werden. Die Reaktion der US-Regierung wird davon abhängen, wie die Beziehungen zwischen den USA und China sind, wie die amerikanische Führung auf die Probe gestellt wird und wie sich die globale Situation entwickelt.

Fokus auf Stock-Picking

«Wer auch immer die US-Wahl gewinnen wird, die Aktienauswahl in China wird zunehmend wichtiger», folgert Salazar. Der jüngste Aufwärtstrend der Märkte hänge davon ab, dass die jüngsten geldpolitischen und umfangreichen fiskalischen Anreize sowie die Strukturreformen auf den Arbeitsmärkten und im Immobiliensektor weiterverfolgt und wirksam umgesetzt würden. Dies könnte dazu beitragen, die Geschäftsbedingungen für chinesische Unternehmen und Verbraucher zu verbessern.

Darüber hinaus stelle die wirtschaftliche Entkopplung eine grosse Herausforderung für Chinas Wirtschaftsaussichten dar, biete aber auch Investitionsmöglichkeiten. Chinas Politik der «neuen produktiven Kräfte» legt den Schwerpunkt auf die Entwicklung strategischer Sektoren wie Technologie, grüne Energie und fortgeschrittene Fertigung als Teil der langfristigen wirtschaftlichen Umstrukturierung des Landes. Da diese Politik darauf abzielt, Selbstversorgung und Innovation zu fördern, sei die Ausrichtung der Investitionen auf diese politischen Entwicklungen entscheidend für die Nutzung von Wachstumschancen. Sein Fazit: «Investoren sollten sich auf Sektoren konzentrieren, die von der Regierung aktiv unterstützt werden.»





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