21.11.2024, 10:45 Uhr
In seinem wirtschaftlichen Ausblick für 2025 prognostiziert Robeco ein weiteres schwieriges Jahr für die Weltwirtschaft. Die US-Wirtschaft zeige sich trotz einer Abkühlung des Verbrauchs weiterhin...
Der britische Aktienmarkt hat laut Marco Bonaviri von Reyl besonders attraktive Eigenschaften: Seit dem Votum für den Brexit im Juni 2016 wurde er von internationalen Investoren vernachlässigt und nun feiert er seit der Einigung mit der EU ein umso stärkeres Comeback.
Trotz der weltweit noch laufenden Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie wird an den Finanzmärkten seit vielen Monaten mit einer Erholung der Weltwirtschaft gerechnet. "Dieses reflationäre Umfeld ist günstig für Finanzanlagen, die am empfindlichsten auf eine synchronisierte globale Erholung, den Rohstoffzyklus und die Zinssätze reagieren", sagt Marco Bonaviri, Senior Portfolio Manager Reyl. Am Aktienmarkt spiegelt sich dies in einem deutlichen Wiederaufleben des Interesses an zyklischen und Value-Aktien wider, die über ein erhebliches Aufwärtspotenzial verfügen.
Aus dieser Perspektive hat der britische Aktienmarkt – gemessen am FTSE 100 Large Cap Index – besonders attraktive Eigenschaften: Seit dem Votum für den Brexit am 23. Juni 2016 wurde der britische Markt von internationalen Investoren vernachlässigt. Doch erleben britische Vermögenswerte seit der in letzter Minute unterzeichneten und hart verhandelten Einigung mit der EU am 24. Dezember 2020 ein starkes Comeback. "Der Grund: Die politische Risikoprämie löst sich auf. Dies wird dadurch belegt, dass das Pfund Sterling in diesem Jahr die am schnellsten wachsende Währung in der G10 sowohl gegenüber dem US-Dollar als auch dem Euro ist", erklärt Bonaviri.
Seit dem Tiefpunkt der Covid-19-Börsenkrise im März 2020 hat der britische Index aufgrund von Ängsten vor einem harten Brexit einen beträchtlichen Performance-Rückstand von 20% gegenüber Aktien aus der Eurozone angehäuft. Das Ergebnis ist ein erheblicher Bewertungsabschlag zu den Weltaktien – der höchste seit mehr als 20 Jahren. Das mache den britischen Markt zum günstigsten der entwickelten Länder, so der Experte. Statistisch gesehen zeige der FTSE 100 eine fast doppelt so hohe Empfindlichkeit gegenüber dem Faktor Value wie gegenüber dem Wachstumsfaktor. Das sei einzigartig innerhalb der Hauptindizes.
Die Argumente für eine taktische Übergewichtung des britischen Marktes beschränken sich jedoch nicht auf Bewertungsüberlegungen. Britische Aktien haben mit 3,8% auch die höchste Dividendenrendite aller Märkte. Die EPS-Wachstumserwartungen für 2021 liegen bei 49% und übertreffen damit die USA (22%), die Eurozone (29%), Japan (46%) und die Schwellenländer (39%).
Wie Bonaviri weiter ausführt, ergibt sich die Zyklizität des FTSE 100 aus seiner Branchenzusammensetzung. Sie ist ein weiteres besonders interessantes Merkmal des britischen Index. Mit einem Gewicht von 19% in Finanzunternehmen, die direkt von einem Zinsanstieg profitieren, und 21% in Rohstoffen wie Energie und Grundstoffe sei der britische Markt besonders gut für das reflationäre Umfeld geeignet, meint der Senior Portfolio Manager. Einschliesslich der Sektoren Industrie und zyklische Konsumgüter, die ebenfalls sehr empfindlich auf die wirtschaftliche Erholung reagieren, sollten mehr als 60% des FTSE 100 Index von der wirtschaftlichen Erholung profitieren.
Grossbritannien ist eines der am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder und zwang die Regierung zu beispiellosen restriktiven Massnahmen. Sie haben 2020 zu einem Rückgang des BIP um mehr als 10% geführt. England ist jedoch das drittfortschrittlichste Land der Welt, was den Einsatz des Impfstoffs angeht: 30% der Bevölkerung haben bis Ende Februar 2021 eine erste Impfung erhalten. "Dies deutet darauf hin, dass die Wirtschaft vor den meisten europäischen Ländern wieder anspringt und eine spektakuläre wirtschaftliche Erholung eintritt. Grossbritannien hat auch das höchste erwartete durchschnittliche BIP-Wachstum über 2021-2022 unter den G10-Ländern", stellt Bonaviri fest.
Dieses günstige Szenario für britische Aktien ist nach Meinung des Senior Portfolio Managers jedoch nicht ohne Friktionen: Das reflationäre Umfeld könnte die Zinsen in die Höhe treiben und zu einer möglichen weiteren Aufwertung des Pfunds führen. Da fast 80% des Umsatzes des FTSE 100 im Ausland erwirtschaftet werden, könnte eine Aufwertung des Pfund Sterling die Gewinne der multinationalen Unternehmen und die Dynamik der Gewinnrevisionen belasten. "Doch auch wenn die relative Performance des FTSE 100 stark mit der Bewegung des Pfunds verbunden ist, schätzen wir die potenzielle Aufwertung der britischen Währung in den kommenden Monaten nach der beeindruckenden Aufwertung seit dem 3. Quartal 2020 als marginal ein", fügt er an.
Heute – nach mehr als fünf Jahren der Vernachlässigung des britischen Marktes – seien globale Investoren immer noch stark unterinvestiert in UK. "Angesichts der Zyklizität des FTSE 100, seiner attraktiven Bewertung und der Erwartung eines Gewinnwachstums vor dem Hintergrund einer sich wieder erholenden Wirtschaft mangelt es nicht an Katalysatoren, die Kapitalflüsse in britische Aktien antreiben können. In der Tat haben wir seit Jahresbeginn einen rasanten Anstieg der Vermögenswerte von FTSE 100-ETFs gesehen. Das ist ein Beweis dafür, dass die Umschichtung in britische Aktien bereits begonnen hat", sagt Bonaviri.