Brexit ist kein Lehman-Fall

Der Brexit hat die Märkte erschüttert. Turbulenzen à la Lehman Brothers erwartet SZKB-CIO Thomas Heller aber nicht.

06.07.2016, 15:08 Uhr

Redaktion: jod

Ist der Brexit gut für die Konjunktur und die Märkte? Nein, das ist er nicht. Hat er die Kraft, die globale Konjunkturentwicklung und die Finanzmärkte nachhaltig zu beeinträchtigen? Ebenfalls nein. Der öfter bemühte Vergleich mit dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 hinkt deshalb. Der Brexit ist ein politischer Lehman Fall, aber - abgesehen von den Turbulenzen unmittelbar nach dem Referendum - kein Lehman-Ereignis für die Finanzmärkte. Dazu fehlen wesentliche Eigenschaften:

  • Fehlender Überraschungseffekt: Beim Brexit kannte man das Datum und die beiden möglichen Ergebnisse ('remain' oder 'leave'). Auch wenn die meisten von einem Verbleib ausgegangen waren, so wusste man, dass auch das Gegenteil passieren kann. Insofern sind die Märkte nicht blind ins Verderben gerutscht. Lehman kam für alle überraschend und die Auswirkungen waren nicht absehbar.
  • Keine Systemgefährdung: Banken gehören zwar zu den Hauptleidtragenden des Brexit (wie man an den Kursen ablesen kann), aber die Funktionsfähigkeit der Märkte ist nach dem Brexit kaum beeinträchtigt, wie das nach Lehman der Fall war
  • Geringere Tragweite: Für die Finanzmärkte ist der Brexit eher kurzfristig ein Faktor. Auf mittlere bis längere Sicht sind die Auswirkungen für die Märkte als Ganzes gering. Der Kollaps von Lehman hatte eine ganz andere Tragweite.

Wohlgemerkt: Wir sprechen hier von den globalen Auswirkungen auf die Konjunktur und die Finanzmärkte. Das sieht insbesondere für Grossbritannien selber oder verschiedene Unternehmen im Einzelfall durchaus anders aus. Ausserdem hat der Brexit sehr wohl Folgen. Diese sind aber in erster Linie politischer und gesellschaftlicher Natur. Deren Aufarbeitung hat gerade begonnen und wird sich über längere Zeit hinziehen.

Nachdem die Brexit-Abstimmung in den vergangenen Wochen alles überstrahlt hatte, kehren die Märkte nun zu einer relativen Normalität zurück. Relativ deshalb, weil die aktuelle Lage im historischen Kontext natürlich alles andere als normal ist, und das nicht nur wegen des Brexit. Rückkehr zur Normalität heisst aber nicht, dass sich alles positiv entwickeln wird. Es ist nicht unser Hauptszenario, doch die Konjunktur kann sich stärker abschwächen, als wir dies heute erwarten oder die Aktienmärkte können einen unerwarteten Rückschlag erleben. Aber Schuld daran ist nicht der Brexit.

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