02.12.2024, 10:49 Uhr
«Europa steht wirtschaftlich unter Druck und muss seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen globalen Wirtschaftsmächten – insbesondere den USA – verbessern», heisst es im neuesten Marktausblick des...
Bayer streicht auch unter dem Druck milliardenschwerer Rechtsstreitigkeiten in den USA die Dividende zusammen. Für drei Jahre solle nur das gesetzlich geforderte Minimum ausgeschüttet werden, teilte der Pharma- und Agrarchemiekonzern kurz vor Börsenschluss mit.
Für 2023 ergäbe sich daraus eine Dividende von 11 Cent je Aktie, was die Konzernführung auch der Hauptversammlung im April vorschlagen will. Für 2022 hatte Bayer je Aktie noch 2,40 Euro ausgezahlt. Der Konzern erklärte die Einschnitte mit dem Schuldenstand, den hohen Zinsen und einer angespannten Situation beim freien Barmittelfluss (Free Cashflow).
Überraschend kommt der Schritt nicht. Analyst Charlie Bentley vom Investmenthaus Jefferies hatte schon im November geschrieben, dass die Dividende angesichts der rechtlichen und operativen Schwierigkeiten eigentlich ausfallen müsste, wenn der Konzern seine Bilanz in den Griff bekommen wolle.
«Unsere Schulden zu senken und unsere Flexibilität zu steigern, gehört zu unseren Top-Prioritäten», sagte der Bayer-Vorstandsvorsitzende Bill Anderson nun laut Mitteilung. Dabei helfen solle die Ausschüttungspolitik, in die auch Anregungen von Investoren eingeflossen seien.
An der Börse wurden die Neuigkeiten am Dienstag durchwachsen aufgenommen. Der Kurs schwankte um seinen Vortagesschluss herum. Zuletzt ging es um rund ein halbes Prozent auf 29,04 Euro nach oben.
Auf Dividenden fokussierte Investoren dürften sich nun von Bayer-Aktien trennen. Gleiches gilt für Fonds, die in dividendenstarke Titel investieren. Nach Ansicht von Analyst Richard Vosser von der US-Bank JPMorgan dürfte der Ausschüttungsschnitt angesichts Bayers Verfassung bei Investoren insgesamt aber durchaus gut ankommen. Schliesslich spare Bayer auf Sicht von drei Jahren rund 6 Milliarden Euro. Die Nettoverschuldung könne bis 2026 auf geschätzte 24 Milliarden Euro gesenkt werden.
Bayer steckt in einer schwierigen Lage. Grund ist die Klagewelle in den USA wegen angeblicher Krebsrisiken durch glyphosathaltige Unkrautvernichter. Die Klagen beschäftigen das Unternehmen schon seit Jahren und haben schon Milliarden verschlungen. Analysten sehen zudem grosse finanzielle Risiken durch weitere Klagen in den USA wegen PCB. Dabei handelt es sich um ein Umweltgift, das schon seit Jahrzehnten verboten ist.
Beide Fälle sind ein Erbe des US-Agrarchemiekonzerns Monsanto, den Bayer im Jahr 2018 für über 60 Milliarden US-Dollar übernommen hatte. Der damalige Bayer-Chef Werner Baumann hatte den Kauf auch gegen den Widerstand nicht weniger Investoren durchgeboxt.
Der Konzern aus Leverkusen ist nach dem jahrelangen Kursverfall an der Börse derzeit nur noch gut 28 Milliarden Euro wert. Zum Vergleich: Vor der ersten Niederlage in einem US-Glyphosatprozess hatte eine Bayer-Aktie noch gut 93 Euro gekostet. Nun liegt ihr Kurs seit Ende Januar unter 30 Euro.
Zudem bringen bisherige Medikamenten-Klassenschlager dem Konzern wegen nach und nach auslaufender Patente immer weniger Geld ein, ohne dass ähnlich lukrative Nachfolgepräparate in Sicht sind. Ende 2023 floppte zudem eine wichtige Studie zu einem Mittel, das helfen sollte, diese Lücke zu schliessen.
Für den Branchenexperten Bentley von Jefferies ist der Dividendenschnitt angesichts all dieser Probleme erst einmal nur eine kleine positive Nachricht. Der Barmittelabfluss werde dadurch deutlich reduziert. Gleichwohl verdeutliche die Massnahme das Ausmass der finanziellen und operativen Probleme von Bayer. Es brauche weitere umfangreiche strategische Massnahmen, um die Bilanz zu reparieren.
Eine solche Massnahme könnte der Verkauf eines Unternehmensteils sein, ganz oder anteilig. Ein solcher Schritt wird auch innerhalb des Konzerns diskutiert. Laut Experten kommt dafür allerdings im aktuellen Umfeld wohl nur die Sparte Consumer Health rund um rezeptfreie Medikamente in Betracht.
UBS-Analyst Jo Walton hält eine Aufspaltung des Konzerns weiterhin für wahrscheinlich. Allerdings dürfe dieser Prozess nach seiner Einschätzung mehr als zwei Jahre dauern. Bei den anstehenden Jahreszahlen erwartet Walton keine Überraschungen. Sie dürften den Erwartungen entsprechen, da es vorab keine Eckdaten gegeben habe.
Entsprechend gespannt blicken Analysten und Aktionäre daher auf Anfang März - nicht nur wegen der Jahreszahlen. Dann will Bayer-Chef Anderson auch seine Pläne für die Zukunft der Leverkusener vorstellen. Er hat die Führung des Konzerns erst im Juni 2023 übernommen.