29.11.2024, 13:56 Uhr
«Die Inflation im Euroraum steigt, aber die Daten ermöglichen der EZB einen geldpolitischen Kurswechsel», schreibt Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa bei T. Rowe Price in seinem aktuellen Marktkommentar.
Bei Zinsen nahe Null sind Staatsanleihen zwar immer noch eine valide Möglichkeit, Anleger greifen aber zunehmend auf Credit-Märkte zurück, um laufende Erträge zu generieren. Doch auch das sei aus mehreren Gründen mit Schwierigkeiten verbunden, sagt David Brown von Neuberger Berman.
In den letzten zehn Jahren wurde es immer schwieriger, allein oder überwiegend mit Staatsanleihen der Kernmärkte dauerhaft laufenden Ertrag zu erwirtschaften und die COVID-19-Pandemie hat es keineswegs besser gemacht. Im März dieses Jahres löste eine Liquiditätsklemme am Staatsanleihemarkt zwar einen Renditeanstieg aus – und das in einer Zeit, in der risikoreichere Titel einbrachen. Seitdem sind die risikolosen Renditen aber fast wieder zu ihren Allzeittiefs zurückgekehrt und trotz der starken Erholung der Credit-Märkte auch nicht erneut gestiegen (vgl. Grafik). "Es gibt also keinen Puffer, mit dem Staatsanleihen ein Portfolio beim nächsten Anstieg der Risikoaversion stabilisieren können", folgert David Brown, Senior Portfolio Manager und Global Co-Head of Investment Grade bei Neuberger Berman.
Wenn die Zinsen für risikofreie Anlagen nahe bei oder sogar unter Null liegen, neigen Anleger dazu, auf alte Gewohnheiten zurückzugreifen, um laufende Erträge zu erzielen. Eine Möglichkeit seien höhere Liquiditätsrisiken, um für den Besitz selten gehandelter Wertpapiere entschädigt zu werden, so Brown. Eine andere sei ein hoher Leverage, um neben dem Risiko auch die Ertragschancen zu steigern. Schliesslich könnten auch höhere Kreditrisiken helfen – also Anlagen in spekulativere Papiere, in der Hoffnung, dass es gut gehe.
Auch wenn Staatsanleihen für die meisten Anleiheninvestoren noch ihre Berechtigung haben, setzen viele daher jetzt auf Credit-Märkte, wenn laufende Erträge das Ziel sind. Doch selbst hier haben mehrere Jahre mit fallenden Spreads bewirkt, dass Anleger verstärkt in illiquide Titel investieren, mehr Leverage nutzen und immer höhere Kreditrisiken eingehen.
"Illiquidere Titel halten wir bei Neuberger Berman noch für das Beste. Trotzdem sollte man sie nicht allein wegen ihrer höheren Rendite halten. Bei Private Debt und weniger liquiden Loans und Verbriefungen sehen wir durchaus interessante Möglichkeiten. Aber das kann bei Marktrenditen nur ein Teil der Lösung sein und es ist keine Option für Anleger, die nur in liquide Credits investieren dürfen", hält Brown fest.
Die zweite Variante sei Leverage durch Kreditderivate, vor allem auf Investmentgrade-Titel. Die Experten von Neuberger Berman halten dies für sinnvoll, um das Risikoprofil eines Portfolios ausgewogener zu gestalten. Skeptisch sind sie aber bei einem hohen Leverage zur Steigerung von Renditen oder laufenden Erträgen, vor allem, wenn die Zinsen so niedrig sind wie jetzt. Bei diversifizierten Credit Portfolios seien 400 bis 600% Leverage zurzeit keineswegs ungewöhnlich. Das sei eine Menge Risiko und aus ihrer Sicht auch nicht sehr effizient, wenn man in Kreditrisiken investieren wolle.
Im März, auf dem Höhepunkt der COVID-19-Panik, befürchteten Experten eine kumulierte Ausfallquote von mehr als 30% bei High-Yield-Anleihen. Heute ist laut Brown die Bereitschaft wieder höher, Unternehmen mit Liquidität zu versorgen, damit sie die Krise überstehen. Aufgrund der beispiellosen geld- und fiskalpolitischen Hilfen seien auch die Erwartungen für die Ausfallquote in den Jahren 2020 und 2021 geringer. Allerdings seien die Zeiten vorbei, als die Notenbanken für ein niedriges, doch stetiges Wirtschaftswachstum gesorgt haben und die Ausfallquote von High Yield scheinbar nie über 2% stieg. Nicht jedes Unternehmen werde Covid-19 unbeschadet überstehen. Die Unternehmen verschuldeten sich stärker und die Notenbanken mögen zwar geholfen haben, doch würden davon vor allem stabilere Emittenten profitieren.
"Eine Alternative bietet ein Ansatz mit einem flexiblen Konzept, das in alle Segmente der internationalen Credit-Märkte investiert", erklärt Brown. Dieser alternative Ansatz habe drei Ziele:
Wie der Senior Portfolio Manager weiter ausführt, müssen Investoren flexibel sein, um all dies zu erreichen. Sie müssen in allen Segmenten des Credit-Marktes investieren können, denn aufgrund der derzeitigen Ereignisse und der aktuellen Phase des Marktzyklus können die höchsten risikoadjustierten Renditen überall zu finden sein. Ein Credit-Portfolio für dauerhaft laufende Erträge sollte daher flexibel in die fünf wichtigsten Marktsegmente investieren: In internationale Investmentgrade-Titel, in internationale High-Yield-Anleihen und Loans, in Emerging-Market-Titel – vorwiegend Fremdwährungs-Staatsanleihen mit Investmentgrade-Status und Unternehmensanleihen – und in Verbriefungen wie Asset-Backed Securities (ABS), Credit Risk Transfers (CRTs) und Collateralized Loan Obligations (CLOs).
Ein Schwerpunkt auf Credits ist nach Meinung Browns nötig, um Gesamterträge in gewohnter Höhe zu erzielen, zumal viele Investoren darauf angewiesen seien. Wer in alle Credit-Segmente investieren darf, könne sich stets für die Titel mit den interessantesten risikoadjustierten Erträgen entscheiden, auch in turbulenten Phasen mit grossen Kursverzerrungen, in denen oft viele Chancen winkten. "Fundamentale Einzelwertanalysen können verhindern, dass man unkontrollierte Wetten auf die Gesamtmarktentwicklung eingeht, für einen Ausgleich von Qualität- und Renditechancen im Portfolio sorgen und faire Bewertungsvergleiche ermöglichen", sagt er. Mit einem solchen Konzept wären Erträge wie bei High-Yield- oder Emerging-Market-Anleihen möglich – bei einer geringeren Volatilität, ähnlich der von Investmentgrade-Titeln.
"Veränderungen des Marktumfelds – von niedrigen Zinsen, engen Spreads und geringer Volatilität hin zu noch niedrigeren Zinsen, aber einer sehr viel höheren Volatilität am Credit-Markt – verlangen nach einem Ansatz, der dauerhaft laufende Erträge erzielen kann. Dieser Ansatz sollte auf Credits setzen", zieht Brown Fazit.