19.12.2024, 10:35 Uhr
Die schwedische Zentralbank hat ihren Leitzins schon zum fünften Mal in diesem Jahr gesenkt. Und weitere Schritte dürften folgen.
Die Inflation steigt zwar weltweit, die Reaktionen darauf unterscheiden sich allerdings stark zwischen den Industrie- und den Schwellenländern. Unter anderem dank proaktiver Zinserhöhungen seien letztere in einer guten Position, um die aktuellen und künftigen Herausforderungen zu meistern, meint Peter Becker von Capital Group.
Die Inflation wird trotz des Drucks auf die Realeinkommen und die Wirtschaftstätigkeit langfristig höher bleiben. Zu diesem Schluss kommt Peter Becker, Fixed Income Director bei Capital Group. Grund dafür sei der jüngste Anstieg der Rohstoffpreise, welcher die Effekte der Lieferkettenengpässe noch weiter verstärke.
"Eine interessante Beobachtung ist der Unterschied zwischen Industrie- und Schwellenländern, was die Auswirkungen und die Reaktion auf die Inflation betrifft", so Becker. "Die Zentralbanken der Industrieländer haben in den letzten zehn Jahren darum gekämpft, die Inflation auf das Zielniveau zu bringen, während die Zentralbanken der Schwellenländer ihre langfristigen Bemühungen um eine Senkung der Inflation grösstenteils fortgesetzt haben." Im Durchschnitt hätten die Zentralbanken der aufstrebenden Volkswirtschaften die Zinssätze im Vergleich zu den Zentralbanken der Industrieländer proaktiv erhöht – trotz schwacher inländischer Bedingungen.
Dafür gibt es laut Becker eine Reihe von Gründen. Einerseits beobachtet er, dass die Inflation zwar Konsumentinnen und Konsumenten auf der ganzen Welt belastet, der jüngste Anstieg der Rohstoffpreise habe aber erhebliche Auswirkungen auf viele Schwellenländer. Besonders die Lebensmittelpreise hätten sich im Rahmen des Angriffes auf die Ukraine erhöht. Diese sind in vielen aufstrebenden Ländern der Haupttreiber der Inflation.
Dazu komme, dass die Zentralbanken in Schwellenländern ihre Glaubwürdigkeit beweisen müssen. "Viele Inflationsursachen erscheinen vorübergehend, trotzdem steigen die Inflationserwartungen und das Ausgabeverhalten ändert sich, sobald die Inflation auf andere Bereiche übergreift", erläutert Becker. Dies könne in den Schwellenländern schneller geschehen als in Industrienationen, da die meisten Schwellenländer in der Vergangenheit keine niedrige Inflation aufgewiesen hätten.
Diese Erfahrung eröffne den Schwellenländern Möglichkeiten: Die Tatsache, dass die meisten Zentralbanken der Schwellenländer während der Pandemie keine quantitative Lockerung durchgeführt haben, zeige, dass sie im Gegensatz zu den Industrieländern die Zinssätze umfassender zur Bewältigung von Inflationsproblemen einsetzen können. Ausserdem versuchen sie, Zinserhöhungen der Fed vorwegzunehmen. Tun sie das nicht, besteht die Gefahr von Kapitalabflüssen: Höhere US-Zinsen machen relativ sichere Investments auch finanziell wieder attraktiver und lassen die Risikoprämie von Schwellenländeranleihen schmelzen.
Alles in allem ist Becker der Überzeugung, dass die meisten Schwellenländer weiterhin in einer guten Position sind, um die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen: "Die Fundamentaldaten sind überwiegend solide. Schwellenländeranleihen in lokaler Währung sind attraktiv und weisen hohe reale Renditeunterschiede auf."