18.12.2024, 10:08 Uhr
«Seit Jahren rüstet sich Indien auf, um mit China als führendem Technologieführer der Region konkurrieren zu können. Jetzt ziehen die Kapitalanlagen nach», schreibt Dina Ting von Franklin Templeton ETFs.
Willkommen in der Ära des New Space. Die Eroberung des Weltalls ist nicht mehr nur Staaten vorbehalten. Immer mehr private Akteure wagen sich ins All. Das hinterlässt auch Spuren an der Börse. Eben erst wurde der erste Raumfahrt-ETF in Europa lanciert. Wo sich Vision und Innovation treffen, bleiben risikowillige und -fähige Investoren nicht fern.
Tesla-Chef Elon Musk hat als erster die private Raumfahrt ins breite Rampenlicht gerückt. Mehr als 1000 Satelliten brachte er letztes Jahr bei 15 Starts seiner SpaceX-Rakete in die Erdumlaufbahnen. Ziel ist es, das schnelle Breitband-Internet überall auf der Welt zugänglich zu machen. Doch Elon Musk ist mit seiner SpaceX nicht allein. Der Brite Richard Branson mit Vrigin Galactic und Amazon-Boss Jeff Bezos mit seiner Blue Origin machen es ihm gleich.
"Wir treten in eine neue, sehr reale Dimension ein, die von visionären, ikonischen und aufstrebenden Unternehmern gestaltet wird", sagen Olivier de Berranger und Rolando Grandi, CIO und Fondsmanager des französischen Fondshauses La Financière de l'Echiquier (LFDE). Das Vordringen in den Weltraum ist nun nicht mehr den Staaten vorbehalten, sondern auch in der Hand der Akteure der privaten Raumfahrt, des Weltraums 2.0 oder New Space.
Der Senkrechtstart von SpaceX oder Blue Origin bringt immer mehr Unternehmen dazu, das Abenteuer Börsengang zu wagen, um sich mit dem daraus erhaltenen Kapital an der bevorstehenden Revolution zu beteiligen. "Noch nie waren wir der Entdeckung neuer Welten (und Ressourcen), die die Menschheit seit der Antike fasziniert haben, so nah", meinen die beiden Strategen. Und man mag ihnen glauben. La Financière de l'Echiquier ist bekannt als Spezialist für Stock Picking und hat schon manches aus der Erde gehoben, was später zum Anlageerfolg wurde.
Die Raumfahrt ist ein komplexes und spannendes Feld, geprägt von disruptiven Innovationen, aufstrebenden Hightech-Unternehmen und technologischen Fortschritten, wie zum Beispiel die "kostengünstige» Konstruktion von wiederverwendbaren oder recycelbaren Trägerraketen, die das Weltraum-Ökosystem revolutionieren. Der Markt der privaten Raumfahrt wird zurzeit auf 400 Mrd. Dollar geschätzt und könnte bis 2045 die Marke von 2,7 Bio. Dollar erreichen, rechnen de Berranger und Grandi vor.
Phantasie oder Realität? Die Antwort steht aus. Doch die Energie, Finanzkraft und Beharrlichkeit visionärer Unternehmer wie Musk, Branson und Bezos machen die private Raumfahrt, die Weltraumtouristik, die ein Teil davon sein soll, zum konkreten Stoff. Ab 2022 sollen von zwei zu schwimmenden Raketenstartplätzen umgebauten Bohrinseln vor der texanischen Küste die ersten wiederverwendbaren Raketen ins All starten.
Es wäre ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Raumfahrt, der – nicht verwunderlich bei der Faszination des Themas und dem Potenzial, das der Materie innewohnt – auch in der Börse niederschlägt. In den USA haben ETF-Anbieter die Space-Thematik schon länger entdeckt. Jetzt können sich auch in Europa Investoren daran beteiligen.
Anfang Juni in London und vor wenigen Tagen in Deutschland hat das erste kotierte Raumfahrt-Indexprodukt, der Procure Space ETF, Premiere gefeiert. Procure ist eine Asset-Manager-Firma aus Pennsylvania. Die Lancierung ging mit viel Pathos über die Bühne. Der ETF trägt das Tickersymbol Yota.
Yota ist eine prägende Figur der Star-Wars-Filme, ein kleiner, grüner humanoider Alien, aber mächtig und Grossmeister des Jedi-Ordens. So soll sich auch das Anlagethema entwickeln: erst klein, aber bereits mächtig und immer stärker werdend.
Sind Space-Aktien nicht eher etwas für spekulative Gemüter? Nein, meint Jürgen Brückner von der FV Frankfurter Vermögen gegenüber der Plattform Citywire. "Wir finden den Bereich interessant, insbesondere wegen der Bedeutung für die Menschheit, die sich durch die Erschliessung des Weltraumes ergibt. Sehr öffentlichkeitswirksam und auf den Bereich Weltraumtourismus fokussiert, wird die Entwicklung durch die private Initiative von Elon Musk, Sir Richard Branson, aber auch Jeff Bezos vorangetrieben".
Allerdings schränkt Brückner ein: "Der Business Case dieser Firmen ist jedoch noch nicht hinreichend bekannt, und so schenken wir unsere Aufmerksamkeit Firmen mit einem funktionierenden Geschäftsmodell".
Für ihn zählen dazu alle Aktien, die in irgendeiner Form davon profitieren, dass das Thema Raumfahrt an Bedeutung gewinnt. Dazu gehören direkt involvierte Unternehmen, die zum Beispiel Satelliten herstellen, aber auch Gesellschaften, für die die Raumfahrttechnik nur ein Teil des Programms ist. Beispiele interessanter Unternehmen sind für ihn Mynaric, ein Hersteller von Laserkommunikationstechnologie aus München, und der Bremer Luft- und Raumfahrt-Konzern OHB.
Aus den USA verweist er auf Namen wie Orbcomm (Internet-of-Things) oder Maxar Technologies. Maxar ist breitflächig in der Herstellung und im Betrieb von Satelliten tätig, die vor allem für die Erdbeobachtung eingesetzt werden.
Welcher Zeithorizont ist für Investitionen in Space-Aktien angebracht? "Raumfahrt ist ein Langfristthema, der Zeithorizont sollte mindestens drei bis fünf Jahre betragen", antwortet Brückner. In dieser Zeit würden die stärkere 5G-Durchdringung, das Internet der Dinge und völlig neue Antriebsmöglichkeiten und Anwendungen die Raumfahrt weiter revolutionieren.
Laut der Fachzeitschrift "Spaceflight Now" gab es im vergangenen Jahr 114 Startversuche und damit die meisten orbitalen Starts weltweit seit 1990, als die Militärbudgets der Ära des Kalten Krieges dazu beitrugen, mehr Missionen in den Orbit zu befördern.
Für BNY Mellon Investmentstratege George Saffaye, ist diese erhöhte Startkadenz aus Anlagesicht interessant. "Wir erwarten, dass die Raumfahrtindustrie im nächsten Jahrzehnt um 6 bis 8% oder mehr p.a. wachsen wird, angetrieben durch schnell sinkende Startkosten, vor allem, wenn wir uns auf die Kommerzialisierung der Raumfahrt zubewegen." Private Unternehmen würden immer stärker involviert. "Die wachsende Nachfrage wird den Entwicklern von wiederverwendbaren Raketen eine Plattform bieten, um ihre Produkte weiter zu verbessern und die Kosten weiter zu senken", fügt er an.
Warum also nicht auch als Anlegerin und Anleger nach den Sternen greifen? Dass Risikofähigkeit und langer Atem bei diesem so spektakulären wie visionären Thema dazu gehören, versteht sich von selbst.