09.12.2024, 11:55 Uhr
Der Zürcher Kantonsrat hat Kristine Schulze (SP) in den Bankrat der Zürcher Kantonalbank gewählt. Sie ersetzt den wegen der altersbedingten Amtszeitbegrenzung zurücktretenden Henrich Kisker (Grüne) ab Januar.
Die Ökonomen der Zürcher Kantonalbank erwarten für die Schweiz im nächsten Jahr ein Wachstum von einem Prozent. Ein wichtiger Grund sei die hohe Nettozuwanderung.
Insgesamt sei mit einer milden globalen Rezession mit überschaubaren Bremsspuren in der Realwirtschaft zu rechnen – dies dank eines robusten Arbeitsmarktes, dem zwar ausklingenden, aber nach wie vor vorhandenen Nachholeffekt im Dienstleistungskonsum sowie den gesunden Bilanzen der Unternehmen. Ab Mitte 2023 dürften die Chancen für eine weltweite Erholung laut ZKB wieder steigen. «Doch auch eine deutlichere Rezession wäre kein Beinbruch. Nach mehr als einer Dekade Goldilocks – moderates Wachstum und Inflation sowie niedrige Zinsen – würde ein bereinigendes Gewitter den Konjunkturzyklus wie ein Elektroschock wiederbeleben und dem Wirtschaftszyklus neue Impulse geben», sagt Christoph Schenk, Chief Investment Officer der Zürcher Kantonalbank.
Die Schweizer Wirtschaft hat in den letzten Monaten an Schwung verloren und «die Aussichten trüben sich weiter ein.» Dies unter anderem aufgrund der angespannten Energielage und den gestiegenen Inflationsraten. Ferner wirken die hohe Preisdynamik in der Europäischen Union und die global restriktivere Geldpolitik stark dämpfend auf die ausländische Konjunktur und somit auch auf die Schweizer Exporte.
Dennoch rechnet das CIO-Office der Zürcher Kantonalbank für das kommende Jahr nicht mit einer Rezession in der Schweiz – es geht von einem durchschnittlichen BIP-Wachstum von 1% aus. Die strukturellen Gegebenheiten der Schweizer Wirtschaft bewirken, dass die Schweiz die potenzielle Energiekrise im Vergleich zum nahen Ausland besser meistern dürfte.
Ein weiterer wichtiger Grund für das anhaltende Wachstum ist die hohe Nettozuwanderung. Seit Herbst 2021 hat nämlich die monatliche Bruttozuwanderung bei gleichbleibender Abwanderung deutlich angezogen. In diesem Jahr dürfte der Wanderungssaldo so hoch ausfallen wie seit Jahren nicht mehr und auch für 2023 zeichnet sich keine Trendumkehr ab. Die im Vergleich zum nahen Ausland bessere Konjunktur hat trotz Pandemie die Bereitschaft zur Arbeitsmigration nochmals erhöht. Die Bevölkerung in der Schweiz steigt aufgrund des Ukrainekrieges und der hohen Arbeitsnachfrage sprunghaft an. Dies stützt den privaten Konsum. «Wie aus früheren Abschwungphasen bekannt, wird auch 2023 das Wachstum der Bevölkerung mindestens so hoch ausfallen wie dasjenige der Wirtschaft. Das Pro-Kopf-Wachstum stagniert», sagt Dr. David Marmet, Chefökonom Schweiz bei der Zürcher Kantonalbank. Die Zahl der Arbeitslosen werde aufgrund des anspruchsvollen Wirtschaftsumfeldes 2023 wieder leicht zunehmen. «Der Fachkräftemangel bleibt indes für viele Unternehmen ein Problem, so dass die Arbeitslosenrate nicht über 2.5% steigen wird.»
Die im Herbst 2022 rückläufige Inflationsrate liess die Hoffnung keimen, der Teuerungsanstieg gehöre bereits der Vergangenheit an. Aber bereits zu Jahresbeginn wird es laut der ZKB-Analyse vorläufig höhere Inflationsraten geben: So werden die von der Eidgenössischen Elektrizitätskommission im Herbst 2022 kommunizierten höheren Strompreise den Landesindex der Konsumentenpreise im Januar 2023 um mindestens 0.5 Prozentpunkte nach oben drücken. Auch werden höhere Mietpreise, nicht zuletzt durch den dannzumal höheren Referenzzinssatz, ihren Niederschlag im Konsumentenpreisindex finden. Zudem beabsichtigen die Schweizer Unternehmen gemäss Umfragen in den nächsten Monaten ihre Endpreise anzuheben. Die Zürcher Kantonalbank rechnet für das kommende Jahr hierzulande mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 2.2%.
Franken nicht mehr überbewertet
Der sich abschwächende Geschäftsgang werde indes eine Lohn-Preis-Spirale in der Schweiz verhindern. «Dennoch wird sich die Inflation ohne Zutun der Schweizerischen Nationalbank nicht im preisstabilen Bereich einpendeln. Der Zinsanstieg in der Schweiz wird sich entsprechend auch 2023 fortsetzen, wenn auch in gemächlicherem Tempo», heisst es dazu.
Der Franken bleibe dabei dank der vergleichsweisen soliden Wirtschaft attraktiv und sei aufgrund der gegenüber dem Ausland tieferen Inflation nicht als überbewertet einzuschätzen. Sobald die globale Konjunkturerholung wieder einsetzt, werden sichere Häfen wie der Franken und der US-Dollar in den Hintergrund geraten. So prognostiziert die Zürcher Kantonalbank auf Zwölfmonatssicht einen festeren Euro-Franken-Kurs von 1.08 und einen nahezu unveränderten Dollar-Franken-Kurs von 0.95.
Inflation ist gekommen, um zu bleiben
Die CIO-Experten der Zürcher Kantonalbank erwarten, dass die globale Inflation im Verlaufe des kommenden Jahres zwar abnehmen, jedoch weiterhin über den historischen Niveaus verweilen wird. Für die Eurozone prognostizieren sie eine durchschnittliche Inflation von 5.5%, für die USA von 4%.
Daher werden die Notenbanken auch bei abnehmendem Inflationsdruck ihren geldpolitischen Kurs nicht grundlegend ändern. «Doch so erhöhen sie das Risiko, die Wirtschaft stärker zu bremsen als beabsichtigt», schreibt die ZKB. «Denn die heute rapportierte Inflation ist jeweils ein Blick in den Rückspiegel und sagt nichts über die zukünftige Wachstumskraft aus. Geldpolitische Massnahmen wirken immer verzögert auf die Realwirtschaft.»
Das CIO-Office sieht es als wahrscheinlichstes Szenario an, dass die Notenbanken ab dem zweiten Quartal 2023 eine längere Zinspause – aber ohne Zinssenkungen – einlegen werden. «Voraussetzung ist, dass die Konjunktur nicht abgewürgt wird und die aktuellen geopolitischen Spannungen keine substanzielle Veränderung erfahren. Eine Zinspause ist aber keine Entwarnung für das Wirtschaftswachstum. Das Realeinkommen der Haushalte ist aufgrund der Inflation geschrumpft und wird in der ersten Jahreshälfte den Konsum negativ beeinflussen – bei weiterhin teuren Finanzierungsbedingungen.»
Vier Gründe für eine höhere Inflation
Die erhöhte Grundinflation ist gekommen, um zu bleiben. Dies liegt an vier mittel- bis langfristigen strukturellen Entwicklungen, die als «4D» zusammengefasst werden:
Comeback der Obligationen
Die Auswirkungen der hohen Inflation und restriktiveren Geldpolitik sowie der geopolitischen Unsicherheit werden auch im Jahr 2023 die Entwicklung an den Finanzmärkten dominieren, ist die ZKB überzeugt. «Die Phase der Bewertungskorrektur, die auf die steigenden Zinserwartungen zurückzuführen ist, ist bereits weit fortgeschritten und hat zu einer starken Verschiebung der relativen Attraktivität der Anlageklassen geführt. Obligationen sind wieder eine echte Alternative», sagt Manuel Ferreira, Chefstratege der Zürcher Kantonalbank. «Die geldpolitische Straffung wirkt verzögert auf Konjunktur und Unternehmensgewinne. Ging es im Jahr 2022 darum, die Zinserwartungen zu verdauen, so stehen im Jahr 2023 die abnehmenden Gewinnerwartungen der Unternehmen im Vordergrund.» Entscheidend dabei ist, dass die Notenbanken im Hinblick auf die Inflation nicht mehr in den Rückspiegel schauen und das Tempo der Leitzinserhöhungen drosseln.
Für die Hauptanlageklassen Obligationen und Aktien bedeutet dies, dass die Renditen, die bereits im Vorfeld der Zinserhöhungen gestiegen waren, seitwärts bis rückläufig tendieren werden. Für Aktien erwartet die Zürcher Kantonalbank aufgrund der höheren Produktionskosten und tieferen Umsätze eine Schrumpfung der Unternehmensmargen.
Eine milde Rezession mit erhöhter Inflation – das Hauptszenario der Zürcher Kantonalbank – stellt ein herausforderndes Umfeld für Anleger dar. Denn während eine lauwarme Realwirtschaft die Vermögenspreise anheizt, führt ein Umfeld mit einer kühlen Realwirtschaft und erhitzten Preisen zu stark volatilen Finanzmärkten. Alternativ könnte eine kurze, sichtbarere Rezession den effektiveren Wiederbelebungseffekt auf die Finanzmärkte haben und dem Wirtschaftszyklus neuen Schwung geben – kurzfristig schmerzhaft, aber bereinigend.