16.06.2022, 17:21 Uhr
Nachdem die US-Notenbank bei ihrer gestrigen Sitzung den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte angehoben hat und die Europäische Zentralbank die Finanzmärkte in der Vorwoche auf baldige Zinsschritte vorbereitete, wagte...
Herabgestufte Anleihen können entweder "Fallen Angels" oder "fallende Messer" sein. Wer den Fokus auf die Engel legt und die Messer vermeidet, hat gute Chancen auf eine überdurchschnittliche Rendite, sagt Yannik Zufferey, CIO Fixed Income bei Lombard Odier Investment Managers, im Interview.
Herr Zufferey, Sie managen den neu aufgelegten Fallen Angels Recovery Fund. Woher kommt die Bezeichnung "Fallen Angels"?
Yannik Zufferey: Auf welchem Weg dieser Begriff in die Finanzwelt gelangt ist, lässt sich nicht mehr sagen. Mir ist auch nicht geläufig, woher der Begriff ursprünglich stammt. Er hat sich aber fest etabliert, vermutlich weil das Bild eines gefallen Engels sehr anschaulich ausdrückt, worum es bei dieser Strategie geht.
Und worum geht es konkret?
Ein "Fallen Angel" mag eine Zeit lang am Boden liegen, aber er bleibt ein Engel und wird als solcher auch eines Tages wieder auferstehen. In der Finanzwelt bezeichnen wir Anleihen, die seitens der Ratingagenturen von Investment Grade auf High Yield herabgestuft wurden als Fallen Angels.
Warum sind solche Titel für Investoren attraktiv?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Wird ein Unternehmen herabgestuft, führt das häufig zu Marktineffizienzen, weil die Marktteilnehmer zu Überreaktionen neigen. Unsere Untersuchungen zeigen jedoch, dass sich solche herabgestuften Wertpapiere innerhalb von maximal zwei Jahren erholen – der gefallene Engel steht also schnell wieder auf. Unsere Untersuchungen zeigen auch, dass Fallen Angels unabhängig vom Anlagezyklus durchschnittlich bessere Renditen erwirtschaften und eine bessere Sharpe Ratio aufweisen als Investment Grade Anleihen aus dem BBB Segment sowie BB und High Yield Anleihen. Die Spreads von Fallen Angels sind zudem deutlich grösser als diejenigen von vergleichbaren BB Anleihen.
Was macht Investitionen in hochverzinsliche Anleihen generell interessant?
High-Yield-Anleihen sind in der Regel risikoreicher als Investment-Grade-Anleihen. Andererseits bieten sie natürlich auch die Chance auf eine höhere Rendite. Durch einen Aufschlag auf den risikofreien Zinssatz bieten sie gleichzeitig einen grösseren Puffer gegen steigende Zinsen. Das macht sie im aktuellen Marktumfeld besonders interessant.
Die Strategie baut auf unserem marktführenden Research zu Fallen Angels auf und hat in den letzten sechzehn Jahren anhaltend überdurchschnittliche Renditen erzielt. In diesem Zeitraum haben die Fallen Angels über alle Rating-Kategorien hinweg am besten abgeschnitten, sowohl in Bezug auf den Total Return als auch den Credit Excess Return.
Das ist eine gute Frage, denn eine Anleihe wird ja nicht ohne Grund herabgestuft. Die meisten werden um eine Stufe auf BB+ herabgestuft und bleiben im Bereich BB oder höher. Aber einige werden danach auch noch weiter herabgestuft, manche davon werden sogar ganz ausfallen. Diese Papiere werden auch als "Falling Knives" bezeichnet. Bildlich gesprochen handelt es sich um fallende Messer an denen sich der unvorsichtige Anleger verletzen kann. Zur Maximierung der Portfoliorenditen gilt es daher einerseits, diese fallenden Messer zu identifizieren und auszuschliessen und andererseits die attraktivsten Fallen Angels entsprechend stärker im Portfolio zu gewichten.
Wie stellen Sie fest, wann ein Fallen Angel vielversprechend ist?
Neben der üblichen Kreditanalyse, die eine Beurteilung des Geschäftsprofils, des Finanzprofils, der technischen Aspekte der Anleihe und des relativen Wertes umfasst, stellen sich unsere Analysten auch fundamentale Fragen.
Welche sind das?
Grundsätzlich prüfen wir, ob es im Unternehmen einen Plan gibt, um die Ursache für die Herabstufung zu beheben, und ob die Geschäftsleitung in der Lage ist, diesen Plan umzusetzen. Wir untersuchen also zuerst den eigentlichen Grund für die Herabstufung und beurteilen, ob diese strukturell bedingt oder nur von vorübergehender Natur ist. Es macht einen fundamentalen Unterschied, ob eine grundlegende Verschlechterung des Geschäftsprofils der Grund für die Herabstufung eines Unternehmens war oder ob es möglicherweise seine Verschuldung absichtlich erhöht hat. Zum Beispiel, weil das Unternehmen eine Übernahme finanzieren will und bereits einen tragfähigen Plan zum Schuldenabbau aufgestellt hat. Wenn das der Fall ist, könnte dies in absehbarer Zeit zu einer Heraufstufung des Ratings führen.
Welche wesentlichen Punkte prüfen Sie bei der Kreditanalyse?
Zunächst prüfen wir, ob das Unternehmen überhaupt als Hochzinsunternehmen agieren kann. Das heisst, wir klären vor allem die Frage, ob es weiterhin Zugang zu ausreichender Finanzierung hat oder ob es das Finanzierungsmodell anpassen muss. Darüber hinaus legen wir ein besonderes Augenmerk auf die Liquidität des Unternehmens. Es muss sichergestellt sein, dass das Unternehmen über ausreichende finanzielle Mittel zur Überbrückung verfügt.
Was genau beschreibt der Begriff High Conviction Strategie?
Das bedeutet, dass der Analyst jede Anlage genau unter die Lupe nimmt und sich persönlich von jeder Position, die der Fonds hält, überzeugt. Denn hier wird kein Index passiv nachgebildet. Im Gegenteil: Deutliche Abweichungen vom Index sind durchaus möglich, wenn sie der Risikoreduktion und Ertragssteigerung dienen.
Können Sie noch ein paar Eckdaten des Fonds nennen?
Der Fallen Angels Recovery Fund hält rund 100 Positionen aus einem globalen Anlageuniversum von Fallen Angels, von denen etwa 90% mit BB bewertet sind. Die Abweichung von der Benchmark ist gering (Tracking Error kleiner als 3%), die Duration liegt bei ca. 3,8 Jahren und richtet sich am Bloomberg Global High Yield Corporate TR Index aus.
Werden die ESG-Kriterien beachtet?
Nachhaltigkeitsüberlegungen sind ein integraler Bestandteil von unseren Anlageentscheidungen. Auch beim Fallen Angel Recovery Fund bevorzugen wir Emittenten, die auf nachhaltige Geschäftsmodelle umstellen. Darüber hinaus schliessen wir Unternehmen aus bestimmten Branchen wie Tabak, Rüstung oder Kohle aus dem globalen Anlageuniversum aus.
In welchem Marktumfeld sind Fallen Angels vielversprechend?
Unsere Untersuchungen zeigen, dass Fallen Angels grundsätzlich in vielen verschiedenen Marktphasen ein vorteilhaftes Risiko-Ertrags-Profil aufweisen. Die höchsten Renditen ergeben sich jedoch während oder kurz nach Marktverwerfungen, weil dann die Fallen Angels ein besonders gutes Risiko-Rendite-Profil aufweisen. Im Vergleich zum Hochzinsmarkt schneiden Fallen Angels aber auch in negativen Märkten tendenziell besser ab, weil sie dann weniger stark nachgeben als der Gesamtmarkt.
Hat die Corona-Pandemie ein vorteilhaftes Marktumfeld für Fallen Angels geschaffen?
Ja, denn es gab viele neue Fallen Angels. Weil die Corona-Pandemie in Europa nun schon fast zwei Jahre andauert, hat sich ein Grossteil der Überreaktion bei den Bewertungen inzwischen korrigiert. Wir erwarten für 2022 keine weitere wesentliche Zunahme der Zahl von Fallen Angels, da die Fundamentaldaten weiterhin unterstützend wirken und sich die Wiederaufnahme der Wirtschaftsaktivität weltweit beschleunigt.
Wie beurteilen Sie die Chancen für Investitionen in Fallen Angels im Jahr 2022?
Der Fallen Angels Recovery Fund ist gut positioniert, um im Jahr 2022 erfolgreich zu sein. Er hat eine wesentlich niedrigere Duration als die Investment-Grade- und Fallen-Angel-Indizes, was einen gewissen Schutz gegen steigende Zinsen und eine bessere Kreditqualität als die High-Yield-Indizes bieten sollte.