11.11.2024, 16:30 Uhr
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Im März 2011 wurde Japan von einem der verheerendsten Erdbeben heimgesucht das viertgrösste, das weltweit jemals aufgezeichnet wurde. Es forderte mehr als 16000 Menschenleben, zerstörte die Infrastruktur und die Versorgungskette Japans und verschlimmerte die anhaltenden wirtschaftlichen Probleme des Landes. Wie geht es weiter? Shogo Maeda, Leiter japanische Aktien bei Schroders, gibt einen Rück- und Ausblick.
Das verheerende Erdbeben im März des vergangenen Jahres forderte nicht nur viele Todesopfer, sondern stürzte ein ganzes Land ins Chaos und sorgte für Sturm an den weltweiten Aktienmärkten. Der anschliessende Tsunami fegte über viele Städte hinweg und richtete weitere Schäden an. Ein Jahr später blickt Japan auf einen beispiellosen Wiederaufbau zurück und arbeitet darauf hin, das Land wieder auf Kurs zu bringen. Kurz vor dem ersten Jahrestag des Bebens kann festgehalten werden, dass die bisherigen Fortschritte des Landes bemerkenswert sind.
Pragmatische Herangehensweise
Eines der folgenschweren Nebenereignisse des Erdbebens war die Nuklearkatastrophe von Fukushima. Die Weltbank schätzte die Kosten der Krise auf 235 Milliarden US-Dollar, was sie zu einer der teuersten Katastrophen der Welt macht. Die Behörden arbeiteten jedoch mit vollem Einsatz, um das Leck zu beseitigen, und inzwischen sinkt die Strahlung, aber leider nur langsam. TEPCO (Tokyo Electric Power Company), der Betreiber des Fukushima-Kraftwerks und grösster Stromversorger in Japan, verzeichnete im Zusammenhang mit der Katastrophe deutliche Einbussen. Ein Jahr später beobachtet man bei TEPCO positive Entwicklungen, wie etwa die Stabilisierung der beschädigten Atomreaktoren und die immer besseren Aussichten auf staatliche Unterstützung. Japans Premier Yoshihiko Noda ging die Frage um die Atomkraft pragmatisch an und ordnete nach dem Erdbeben eine Überprüfung an, um zu ermitteln, wie die Kernenergie auf die vor dem Beben fast ein Drittel der Stromerzeugung entfiel genutzt werden sollte.
Japans Verbraucher und Unternehmen prüfen jetzt aktiv ihre Energienutzung. Der Energieverbrauch ist um 10 bis 20 Prozent gesunken, und es besteht kein Zweifel daran, dass sich die Hersteller von Konsumgütern künftig auf energieeffiziente Produkte konzentrieren werden. Interessanterweise rechnet Sekisui Chemical, ein führendes japanisches Bauunternehmen, damit, dass der Anteil seiner mit Solarkollektoren ausgestatteten Häuser in der zweiten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres das im März2012 endet auf 90 Prozent ansteigen wird. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 77 Prozent. Als Folge der Katastrophe und der höheren Energiekosten wird Japan demnach noch energieeffizienter.
Unmittelbar nach dem Erdbeben richtete die japanische Regierung Notquartiere ein, die als zentrale Anlaufstelle für die Zusammenarbeit mit staatlichen Organen und örtlichen Behörden sowie zur Erleichterung der Rettungsarbeiten fungierten. Im Juni wurde ein Gesetz zur Förderung eines reibungslosen und zügigen Wiederaufbauprozesses erarbeitet. Obwohl das Land nach wie vor unter Sparzwängen leidet, hat die Regierung ihre Ausgaben für den Wiederaufbau effektiv verteilt und bis dato drei Zusatzhaushalte durchgesetzt. Dies hat den Aktienmarkt leicht gestützt und trägt zur wirtschaftlichen Erholung des Landes bei. Dennoch wurde die Regierung in den Medien vielfach für eine schlechte Koordination und verzögerte Reaktion kritisiert. Kein Politiker würde Herrn Noda um seine Position beneiden. Denn dieser ringt zurzeit um die Durchsetzung von Steuererhöhungen, um die finanzielle Stabilität seines Landes wieder herzustellen. Gleichzeitig muss er den Wiederaufbau bewältigen. Es ist ermutigend, dass sich die Menschen in den betroffenen Gebieten, deren Durchhaltevermögen im vergangenen Jahr bewundert wurden, auf den Wiederaufbau ihres Lebens konzentrieren, anstatt auf staatliche Hilfe zu warten.
Unternehmensgewinne haben sich erholt
Nach dem Erdbeben bestand die langfristig grösste Sorge für den Aktienmarkt und die Wirtschaft in einer massiven Belastung der Ertragskraft der japanischen Unternehmen. Diese Sorge hat sich zum Glück jedoch nicht bestätigt. Stattdessen haben sich die Unternehmensgewinne über das Jahr deutlich erholt und dürften dies auch noch weiterhin tun. Japans Unternehmen setzen ihren Aufstieg fort, weil sie weiterhin historisch hohe freie Cashflows erwirtschaften und die Umsätze nach dem Unglück schlagartig wieder angezogen haben.
Vor dem Erdbeben führten die steigenden Energiekosten, der hartnäckig starke Yen und höhere Steuern zu einer kontinuierlichen Produktionsabwanderung ins Ausland. Durch die Katastrophe hat sich dieser Trend beschleunigt, so dass der Fertigungssektor in Japan nach Meinung von Shogo Maeda weitere Stellen verlieren wird. Toyota, Honda und Nissan dürften binnen zwei Jahren über 70 Prozent ihrer Fahrzeuge ausserhalb Japans produzieren. Maeda glaubt nicht, dass das Just-in-time-Konzept (eine Lagerbestandsstrategie, die durch Reduzierung des Bestands an unfertigen Gütern und der Lagerkosten zu einer besseren Gesamtkapitalrentabilität führt) durch die Katastrophen einschliesslich der Überschwemmungen in Thailand, die für Japans Fertigungsunternehmen ein weiterer Schlag waren hinfällig geworden ist. Allerdings dürften die Unternehmen künftig einen grösseren Lagerbestand vorhalten und ihre Lieferanten- und Produktionsquellen geografisch stärker diversifizieren. Dies wird anfangs zu höheren Kosten führen, die aber langfristig durch Effizienzgewinne kompensiert werden.
Die Katastrophe hat kaum etwas an Maedas Meinung geändert, dass der japanische Aktienmarkt im historischen Vergleich und gegenüber anderen Regionen nach wie vor attraktiv bewertet ist. Das Wachstum hat, wenn auch nur langsam, in den vergangenen Monaten wieder an Fahrt gewonnen. Die Löhne beginnen sich zu erholen und die Verbraucherstimmung hellt sich auf. Während die globale Wirtschaft Anzeichen für eine Abkühlung zeigt, präsentiert sich Japan weiterhin robust und profitiert von den Bemühungen um den Wiederaufbau nach dem Erdbeben. Es ist offensichtlich, dass der japanische Aktienmarkt seinen erneuten Aufwärtstrend fortsetzen wird, solange sich das gegenwärtige weltwirtschaftliche Umfeld nicht erheblich eintrübt.
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