10.02.2025, 11:16 Uhr
Raj Shant, Managing Director bei Jennison Associates schreibt über einen «Umdenkprozess beim Thema Energiewende und erläutert, dass ein grösseres Universum mehr Chancen bedeutet.»
«Nach der überdurchschnittlichen Entwicklung in den letzten Jahren stehen Growth-Anleger vor einem Umfeld im Wandel», sagt Mark Baribeau, Head of global equity bei PGIM. Im Interview geht er auf die drängendsten Anliegen von heute ein, darunter die erhöhten Bewertungen, potenzielle Entwicklungen auf politischer Ebene, disruptive Innovationen und die Dominanz der Glorreichen Sieben.
Was ist nach zwei Jahren mit starken Kursgewinnen in nächster Zeit für Growth-Aktien zu erwarten?
Mark Baribeau: Wir gehen davon aus, dass sich die wesentlichen Wachstumstreiber in den kommenden Jahren verändern werden. Während die letzten beiden Jahre von einer beachtlichen Resilienz und überaus hohen Renditen gekennzeichnet waren, erwarten wir für das Jahr 2025 aufgrund bedeutender Entwicklungen eine moderatere Performance. Gleichwohl beurteilen wir die langfristigen Aussichten für Anlagen in Growth-Titeln weiterhin optimistisch.
Wieso?
Die Wirtschaft scheint auf eine sanfte Landung Kurs zu nehmen, sofern grössere Überraschungen ausbleiben. Wachstumsfördernde politische Massnahmen wie die Deregulierung und potenzielle Unternehmenssteuersenkungen könnten zusätzlich für Aufwärtspotenzial sorgen. Die Inflation sinkt stetig, obgleich die Unsicherheit rund um die Zollpolitik für kurzfristige Preisschwankungen sorgen könnten. Die Zinssätze scheinen unterdessen den Zenit erreicht zu haben und tendieren im Einklang mit den gedämpften Erwartungen der Anleger in Bezug auf Zinssenkungen der US-Notenbank Fed allmählich nach unten.
Was hat sonst noch einen Einfluss?
Als eine transformative Kraft, die die Weltwirtschaft von Grund auf verändern dürfte, ist die künstliche Intelligenz nach wie vor ein beständiger, einflussreicher Faktor, der Growth-Aktien über Jahre hinweg Auftrieb geben könnte. Sehr gute gesamtwirtschaftliche Bedingungen sind für eine positive Entwicklung von Growth-Titeln mit Bezug zur KI und anderen langfristigen Trends zwar nicht entscheidend, tragen aber zu einem vorteilhaften Umfeld bei. Sofern sich die der positiven Stimmung zugrunde liegenden Trends fortsetzen, dürften Growth-Titel wahrscheinlich weiterhin Impulse erhalten.
Warum sollten Anleger in Anbetracht der aktuellen Bewertungen in Growth-Aktien investiert bleiben?
Die Bewertungen zahlreicher Growth-Aktien sind zwar überdurchschnittlich hoch, aber nicht zwangsläufig überzogen. Bei einer erhöhten Bewertung sind lediglich sehr gute zugrunde liegende Fundamentaldaten nötig, die den Aufschlag rechtfertigen. Nach der starken Entwicklung der Märkte in den letzten beiden Jahren hinterfragen einige Anleger aufgrund kurzfristiger Prognosen, ob diese Bewertungen nachhaltig und tragbar sind.
Sieht man über die kurzfristigen Kurs-Gewinn-Verhältnisse hinweg, wird ein erhebliches längerfristiges Wertpotenzial in fundamentalen Merkmalen offenkundig. Dazu zählen etwa das Umsatzwachstum, skalierbare Geschäftsmodelle und beständige Wettbewerbsvorteile. Während der Dot.com-Blase brachen die Kurse zahlreicher hoch bewerteter Aktien ein, weil es ihnen an echtem Gewinnpotenzial fehlte. Heute zeigen Unternehmen wie Nvidia, dass Aktien mit hohen Bewertungskennzahlen hohe Renditen erzielen können, wenn Innovation auf eine solide Umsetzung des Geschäftsmodells trifft.
Im Jahr 2024 waren die Gewinne weiterhin sehr wichtig für die Entwicklung von Growth-Aktien, während Value-Sektoren von einem Anstieg der Bewertungskennzahlen profitierten. Die Gewinnerwartungen für 2025 sprechen nach wie vor für Growth-Aktien.
Wie werden sich die jüngsten Durchbrüche durch DeepSeek auf die Technologiebranche und KI-Aktien auswirken?
Das chinesische Start-up DeepSeek macht mit einem Open Source grossen Sprachmodell (Large Language Model, LLM) Schlagzeilen, das eine beeindruckende Effizienz zu einem Bruchteil der Kosten von Konkurrenzprodukten verspricht. Hinter der Kosteneffektivität und Performance stehen zwar immer noch Fragezeichen, doch das Potenzial von DeepSeek, die Zukunft der KI zu beeinflussen und zu verändern, ist beachtlich.
Ausgangspunkt für die Entwicklung der KI ist der Aufbau von Infrastruktur wie Chips und Rechenzentren zum Trainieren der Modelle – ein teurer Prozess, der bislang für einen grossen Teil der Umsätze in dem Sektor verantwortlich gewesen ist. Die Fähigkeit von DeepSeek, Ergebnisse zu erzielen, die bei einem weniger aufwändigen Hardware-Einsatz mit denen vorhandener Technologien vergleichbar sind, wirft Fragen auf, ob die Ausgaben für die Infrastruktur auch künftig noch so hoch sein werden.
Wo werden sich die nächsten Möglichkeiten zur Monetarisierung der KI bieten?
Die KI-Revolution steht noch am Anfang und dürfte die Wirtschaft auf transformative Weise verändern. Die Nachfrage nach Infrastruktur für generative KI steigt, doch die Zukunft der KI liegt für Unternehmen wie auch für Verbraucher in proaktiver Intelligenz, die von zwei wesentlichen Trends vorangetrieben wird.
Welche?
Agentenunterstützte KI für Unternehmen. Unternehmenssoftware entwickelt sich weiter, weil Unternehmen KI und IT-Sicherheit als Prioritäten ansehen. Der nächste Sprung ist agentenunterstützte KI – die Technologie hinter selbsttätigen Tools, die eigenständig Entscheidungen treffen. Anders als die aktuellen Systeme, die Benutzereingaben erfordern, bearbeiten diese Tools Aufgaben proaktiv und verändern dadurch Arbeitsabläufe, IT-Vorgänge und die Cybersicherheit. Agentenunterstützte KI wird Vorgänge rationeller gestalten, die Produktivität steigern und branchenübergreifend neue Möglichkeiten eröffnen.
KI-Agenten für Verbraucher. Verbraucher sorgen für zügige KI-Fortschritte in Geräten wie Smartphones und Smart-Home-Geräten. KI-Agenten sind der nächste Schritt für LLMs für die Bewältigung mehrstufiger Aufgaben, die Problemlösung und die Interaktion mit Websites oder APIs. Diese Agenten passen Strategien an, um Ziele zu erreichen, und entwickeln sich von blosser Textgenerierung weiter, um reale Probleme zu lösen. Sie reduzieren Fehler, erweitern Funktionsumfänge und werden die nächste Welle technologischer Innovationen für Verbraucher unterstützen.
Wie wird sich Ihres Erachtens die Rolle der Glorreichen Sieben als Motor der Alpha-Generierung verändern?
Die Glorreichen Sieben – Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla – werden Eckpfeiler und wichtige Bestandteile von Growth-Portfolios bleiben. Diese Technologieriesen zeichnen sich durch robuste Cashflows, Resilienz gegen Marktschwankungen und fortlaufende Innovation aus. Im Jahr 2024 hatten sie im S&P 500 eine Gesamtgewichtung von 34 Prozent und steuerten beeindruckende 53 Prozent zur Gesamtrendite des Index bei.
Doch der Jahresauftakt 2025 ist bislang turbulenter, weil die durch DeepSeek ausgelöste Volatilität im Technologiesektor die Performance belastet. Die Erholung des Markts nach den ersten Reaktionen auf DeepSeek signalisiert zwar anhaltendes Wachstumspotenzial, jedoch sollten Anleger nach jahrelang ausserordentlich starken Kurszuwächsen der Glorreichen Sieben mit einer Verlangsamung rechnen.
Diese Technologieriesen haben zwar massgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Branche gehabt, doch in einer Growth-Strategie ausschliesslich auf diese Titel zu setzen, ist möglicherweise nicht die beste Strategie. Ihre Ressourcen und ihre Grösse treiben die Innovation an, doch diese Grösse sorgt andererseits auch dafür, dass sie vermutlich nicht mehr das extrem starke Wachstum wie bislang erzielen werden. Einige sind nach wie vor Unternehmen mit stabilem Wachstum, doch ein hohes langfristiges Alpha erfordert Engagements in aufstrebenden Wachstumsunternehmen.
Was heisst dies konkret?
Wir sind überzeugt, dass den Engagements in etablierten Marktführern Anlagen in aufstrebenden Akteuren mit disruptivem Potenzial gegenüberstehen sollten. Dieser Ansatz kombiniert die Stabilität bewährter erfolgreicher Anbieter mit dem Aufwärtspotenzial von Innovatoren. Das Ergebnis ist eine resilientere Growth-Strategie. Wir gehen davon aus, dass aufstrebende Wachstumsunternehmen bei der Generierung von Alpha mit der Zeit eine zunehmend bedeutende Rolle spielen werden.
Was sind die grossen langfristigen Themen für 2025?
Transformative Technologien. KI und Cloud-Computing treiben die Nachfrage nach moderner Infrastruktur und intelligenter Software weiter an. Wir erwarten ein starkes Wachstum bei Unternehmen, die die für Fortschritte in der KI und Anwendungen für Verbraucher nötige Rechenleistung und Plattformen bereitstellen.
Generative KI. Generative KI verändert die Geschäftsmodelle und definiert die Verbrauchererlebnisse neu. Sie ist der Motor für eine Revolution der Produktivität in der Art und Weise, wie wir arbeiten, konsumieren und interagieren. Als eine wesentliche Kraft im Technologiesektor treibt sie weiterhin Innovationen an. Dabei führen agentenunterstützte KI und autonome KI-Agenten die nächste Welle des transformativen Wachstums an.
Technologische Wegbereiter. Die technologiegestützte Fertigung erhöht die Produktivität durch Digitalisierung, Automation und Elektrifizierung. Letztlich verändert sie industrielle Prozesse grundlegend und treibt die Effizienz sektorübergreifend an.
Konsumgütermarken. Luxusgüter profitieren von einer beständig hohen Nachfrage, die durch jüngere Generationen mit hohen verfügbaren Einkommen unterstützt wird. Wir bevorzugen globale Konsumgütermarken mit starken Modellen für den Direktvertrieb an Verbraucher, mehreren Vertriebskanälen und einem effektiven Lagerbestandsmanagement.
Fintech-Plattformen. Fintech-Plattformen verzeichnen starkes Wachstum, vor allem in Regionen mit unterentwickelten Finanzsystemen. Wir konzentrieren uns auf Plattformen in Schwellenländern, die den Zugang der Verbraucher zu Finanzdienstleistungen verbessern und erweitern sowie das Wachstum fördern.
Innovationen im Gesundheitswesen. Das Gesundheitswesen erlebt eine Welle von Innovationen, die auf moderne Forschungen, bahnbrechende Therapien und digitalisierte Lieferketten zurückgehen. Dies schafft Nachfrage nach integrierten Ökosystemen, die bessere Ergebnisse erzielen und für eine höhere Effizienz sorgen.
Welche Regionen bieten aus Ihrer Sicht die besten Chancen?
Unser Anlageansatz konzentriert sich auf die Ermittlung der besten Wachstumschancen weltweit. Dabei beschränken wir uns nicht auf bestimmte Regionen. Unsere Priorität ist es, die Nachfragetreiber sowie die Quellen und die Nachhaltigkeit der Nachfrage zu verstehen. Diese Faktoren sind sehr viel wichtiger als der Standort eines Unternehmens. Gleichwohl lassen unsere Analysen häufig Regionen erkennen, die besonders viele oder besonders gute Chancen bieten.
Die USA bleiben ein Innovationszentrum, vor allem in Sektoren wie Technologie, Gesundheitswesen und Konsumgüter, und machen im KI-Bereich zügig Fortschritte. Europa ist bei Luxusmarken führend, während sich Fintech in den Schwellenländern besonders gut entwickelt. Vorsichtig bleiben wir gegenüber China und Brasilien. Dies liegt an makroökonomischen Bedenken, die die Nachfrage belasten könnten. Indien beurteilen wir dagegen zunehmend optimistisch. Dort treibt die junge und wachsende Mittelschicht die Nachfrage nach Verbraucherplattformen und Luxusmarken an. Darüber hinaus ist die Bevölkerung technologiekundig. Indem wir uns auf diese Nachfragetreiber konzentrieren, versuchen wir, nachhaltige Wachstumschancen in aller Welt aufzuspüren, die eine Wirkung erzielen können.