09.11.2024, 16:46 Uhr
Nach 13 Jahren tritt David Hunt als CEO von PGIM zurück. Sein Nachfolger war zuletzt Co-Leiter von Morgan Stanley Investment Management.
Corona zog starke Verwerfungen an den Arbeitsmärkten nach sich. In kurzer Zeit erlitten Hunderte Millionen Arbeitnehmer finanzielle Einbussen bis zum vollständigen Einkommensverlust. Was längerfristig Einfluss auf die globalen Arbeitswelt und die Wirtschaft haben wird, erläutert Shehriyar Antia, Head of Thematic Research von US-Asset-Manager PGIM.
Als erstes beeinflusst die demografischen Entwicklung die globale Erwerbsbevölkerungund schafft eine neue, stark differenzierte regionale Arbeitsmarksituation. In China, Thailand und Korea zum Beispiel, früher eine Quelle an Arbeitskräften, schrumpft die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter.
Zweitens werden sich die strukturellen Ungleichgewichte zwischen Arbeitskräftenachfrage und -angebot noch verschärfen. Mit dem Ende der «goldenen Ära» der Globalisierung, dem Wiedererstarken der Wirtschaftspolitik und dem Onshoring wichtiger Produkte werden sich diese Diskrepanzen wahrscheinlich noch verstärken. Diese Dynamik wird von den Anlegern häufig übersehen.
Drittens schlägt Künstliche Intelligenz (KI) ein neues Kapitel in der komplexen Beziehung zwischen Arbeit und Technologie auf. KI verspricht die Ausbreitung der Automatisierung von der Fabrikhalle ins Büro und so nach und nach Arbeitsplätze in Dienstleistungsbranchen wie Recht, Finanzen, Pharmaforschung und Bildung zu ersetzen.
Welche Auswirkungen werden diese Faktoren auf die zukünftige Inflation, das Wirtschaftswachstum und die Haushaltsausgaben haben?
Inflationsimpulse, die sich aus der zunehmenden Alterung der Bevölkerung ergeben, werden vermutlich überwiegen. Eine ältere Bevölkerung wird in der Mehrzahl der Volkswirtschaften zur Inflation beitragen. Die disinflationäre Historie Japans dürfte nicht repräsentativ sein bzw. sich nicht ohne weiteres wiederholen, da die Globalisierung erheblich an Schwung verloren hat und die Zahl der Arbeitskräfte in den einzelnen Ländern immer mehr abnimmt.
Dennoch werden die Länder, die unter einer schrumpfenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter leiden, aus mehreren Gründen einen Rückgang sowohl ihrer Wachstumsaussichten als auch ihrer tatsächlichen Wachstumsraten erleben, wenn sie keine Gegenmassnahmen ergreifen.
Tendenziell sinkt die allgemeine Arbeitsproduktivität mit zunehmender Überalterung, da sich eine alternde Erwerbsbevölkerung negativ auf Bereiche auswirkt, die Einfluss auf das Wachstumspotenzial haben, wie etwa Investitionen, Innovation und technologischer Fortschritt. Darüber hinaus wird die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden vermutlich zurückgehen, was sich ebenfalls negativ auf das Gesamtwachstum auswirken würde, sofern die Produktivität nicht im gleichen Masse steigt.
Die Alterung der Bevölkerung wird sich in vielen Schwellenländern beschleunigen, wobei diese über ein niedrigeres Wohlstandsniveau und eine geringere Finanzkraft verfügen als viele Industrieländer, die einen ähnlichen demografischen Übergang durchlaufen haben.
Am stärksten belastet und besonders gefährdet sind Schwellenländer, die mit dem stärksten Anstieg der Altersstruktur zu kämpfen haben und sich gleichzeitig in einer schwierigen Haushaltslage befinden.
Die Umgestaltung der Arbeitsmärkte wird je nach Branche und Region eine Reihe von Gewinnern und Verlierern hervorbringen. Für Investoren wird es wesentlich sein, die weitreichenden Auswirkungen dieser Dynamik zu verstehen.
Viele der derzeitigen Marktführer könnten Schwierigkeiten bekommen, den künftigen Bedarf an Arbeitskräften zu decken. In Asien stehen besonders China und Indien vor einer grossen Herausforderung. Chinas starker demografischer Einbruch und der Rückgang der Arbeitsmigration haben zu einem geringen Arbeitskräfteangebot geführt. In Indien ist die demografische Entwicklung zwar nicht ganz so dramatisch wie in anderen Ländern, aber es gelingt Indien nicht ausreichend, Talente zu halten und Kapital anzuziehen.
In dieser neuen Ära der Arbeitsmarktdynamik werden Singapur und Australien voraussichtlich eine führende Rolle in der Region einnehmen. Ihre kleinen und alternden Bevölkerungen könnten durch umfangreiche Arbeitsvisumsprogramme ergänzt werden, die auf bestimmte Qualifikationen abgestimmt sind. Sie leisten auch gute Arbeit bei der Anwerbung und Bindung globaler Talente und sind attraktive Ziele für Kapital.
Auch Malaysia ist für die Zukunft vergleichsweise gut aufgestellt. Das Land altert weniger schnell und ist offener für Einwanderung als etwa Thailand, Indonesien und die Philippinen. Zudem ist Malaysia vergleichsweise unternehmensfreundlich und ein attraktives Ziel für Kapital.
Zu den Branchen, in denen in den nächsten fünf Jahren mit dem grössten Beschäftigungswachstum zu rechnen ist, gehören Erneuerbare Energien, die Halbleiterindustrie und die Altenpflege.
Die Umstellung auf grüne Energie wird die Nachfrage nach Technikern für Solarzellen und Wasserstoff-Brennstoffzellen weiter ankurbeln. Nach Angaben der Australischen Agentur für erneuerbare Energien können beispielsweise im Rahmen des 'Coordinated Action Scenario' bis zum Jahr 2050 durch Investitionen in wichtige Infrastrukturen für erneuerbare Energien bis zu 1,35 Mio. Arbeitsplätze im gesamten australischen Energiesystem geschaffen werden.
In Singapur wird die Beschäftigungszahl im Bereich der sauberen Energien bis 2032 voraussichtlich um 80 Prozent steigen.
Der globale Halbleitersektor benötigt bis 2030 mindestens eine Million mehr qualifizierte Arbeitskräfte, da die Chip-Nachfrage um 80 Prozent über das Niveau von 2021 zunehmen wird. Die Beschäftigung in den Bereichen medizinische Dienstleistungen und Altenpflege könnte bis 2030 voraussichtlich um 40 Prozent wachsen.
Altenplfege Im Jahr 2050 werden rund 3,5 Mio. Australier Altenpflegedienste in Anspruch nehmen, was einen Bedarf an fast einer Million Altenpflegefachkräften bedeutet. In Singapur wird 2032 fast jeder Vierte über 65 Jahre alt sein, und Prognosen zufolge wird die Zahl der familiären Altenpflegedienste bis 2030 um 41 Prozent steigen. Gleichzeitig könnten Arbeitnehmer in Branchen wie der Fertigungsindustrie und dem Dienstleistungssektor durch neue Technologien wie KI ersetzt werden, welche die Produktivität steigern.
Für Investoren ist es entscheidend zu berücksichtigen, dass es keine eindeutigen Gewinner und Verlierer gibt, sondern dass die künftige Entwicklung stark von der Art der Antworten und Massnahmen seitens der Regierungen und Unternehmen abhängen wird.