27.11.2024, 10:30 Uhr
«Warum es bis zur Parität zwischen den beiden Währungen noch dauern kann und wo sich dabei bessere Einstiegszeitpunkte ergeben», erläutern Ashok Bhatia und Brad Tank, beide Co-Chief Investment Officer, Fixed...
In Zeiten der Krise nimmt die Value-vs-Growth-Debatte Fahrt auf. Experten von Neuberger Berman erläutern, inwiefern für sie Value-Titel im aktuellen Wirtschaftsumfeld die Nase vorn haben. Sie erwarten in den nächsten Jahren niedrigere und volatilere Aktienerträge.
Vor sechs Monaten hatten Value-Investoren gut reden. Nach dem Ende der Lockdowns wuchs die Weltwirtschaft stark an, mit den USA an der Spitze. Man rechnete mit einer höheren Inflation und dem Ende der Nullzinspolitik. "Wer als Antwort auf ein Jahrzehnt mit schwachem Wirtschaftswachstum auf Wachstumswerte gesetzt hatte, oder angesichts der niedrigen Leitzinsen weiterhin auf hohe zukünftige Gewinne spekulierte, begann nun nach einem Ausstieg zu suchen. Aber was war die Alternative? Wohl kaum passive 'Core'-Indexanlagen, da die Märkte von einer Handvoll extrem erfolgreicher Wachstumswerte bestimmt werden. Stattdessen setzten Investoren auf Value. Hier liessen sich konjunktursensitive Unternehmen finden, die von der Erholung profitieren – weniger zinssensitive, günstig bewertete Titel für eine Zeit voller spekulativer Übertreibungen", sagen Eli Salzmann und David Levine, Portfolio Manager bei Neuberger Berman.
Die Fondsmanager von Neuberger Berman hielten diese Argumentation immer für etwas zu einfach. Ende 2021 war die Inflation höher, hartnäckiger und umfassender als oft prognostiziert. Immer häufiger wurde befürchtet, dass die Teuerung ausser Kontrolle geraten könnte oder die Notenbanken gezwungen sein würden, mit einer massiven Straffung der Geldpolitik das Wachstum zu bremsen. Die grosse Sorge war, dass die Fed selbst nach einem Abschwung die Zinsen weiter anheben müsste. Die Märkte wurden volatiler.
Bei Neuberger Berman hatte man damit bereits gerechnet und sich entsprechend positioniert. Der Vermögensverwalter bleibt bei der Annahme, dass es gute Gründe für Substanzwerte gibt – obwohl der Krieg in der Ukraine das Wirtschaftswachstum dämpfen, die Inflation treiben und für mehr Volatilität sorgen kann. Er rechnet weiterhin mit schwierigen Zeiten für Wachstumswerte und günstigen Bedingungen für Value.
Warum sollte eine schwächere Konjunktur Wachstumswerten aber nicht nützen? Die Portfolio Manager von Neuberger Berman sehen dafür zwei Gründe: Erstens dürfte in diesem Konjunkturzyklus vielleicht erstmals seit 40 Jahren ein schwächeres Wachstum nicht die Inflation dämpfen und damit auch nicht für niedrigere Zinsen sorgen. Die Fed mag ihren Kampf gegen die Teuerung verlieren, jedoch sei es schwer vorstellbar, dass sie es nicht erst einmal mit Zinserhöhungen versucht. Höhere Zinsen bedeuten allerdings zwangsläufig niedrigere Bewertungen für Aktien mit einer langen Duration – also für Wachstumswerte.
Zweitens halten die Fondsmanager hochkapitalisierte amerikanische Wachstumswerte noch immer für stark überbewertet – obwohl sie in diesem Jahr bereits um über zehn Prozentpunkte hinter Substanzwerten zurückgeblieben sind. Ein wichtiger Indikator ist in den Augen des Vermögensverwalters der Unterschied zwischen den Kurs-Buchwert-Verhältnissen des Russell 1000 Growth und des Russell 1000 Value. Die Differenz ist heute sogar noch wesentlich grösser als auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase.
Werden jetzt also alle klassischen Value-Aktien vorn liegen? "Wohl kaum. Es ist schwer vorstellbar, dass konjunktursensitive Unternehmen generell mehr verdienen, wenn das Wachstum schwächelt und die Faktor- und Arbeitskosten steigen. Finanzwerte bekommen ausserdem Probleme bei einer flachen oder inversen Zinsstrukturkurve", erläutern Eli Salzmann und David Levine.
Manche Substanzwerte seien aber durchaus spannend, vor allem angesichts der Übertreibungen bei spekulativen Wachstumstiteln. Einige defensive Aktien hält Neuberger Berman für unterbewertet. Nur selten seien Cashflow-starke Qualitätsunternehmen aus den Sektoren Gesundheit, Versorger und Konsumverbrauchsgüter – wie Procter & Gamble – so günstig bewertet, dass sie auch für disziplinierte Value-Manager infrage kommen.
Jahrelang setzten viele Investoren unabhängig von den Bewertungen auf Wachstumstitel und hätten dabei schlichtweg übersehen, wie gut diese Unternehmen und ihre Alltagsprodukte sind. Auch ihre regelmässigen Cashflows und hohen Dividenden schützen vor steigenden Zinsen und Marktvolatilität.
Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Obwohl dieses Jahr ein niedrigeres Wachstum erwartet wird, rechnet man bei Neuberger Berman noch immer damit, dass die Weltwirtschaft Corona jetzt überwindet. Der Vermögensverwalter sieht darin eine Chance.
Viele Reise- und Freizeitunternehmen erscheinen laut den Fondsmanagern günstig bewertet, ebenso wie Nischenanbieter, die vom Neustart profitieren – etwa Hersteller von Orthopädie-Technik. Manche Unternehmen mögen zwar zyklisch sein, aber nach den Lockdowns sind ihre Aktien billig.
In den nächsten Jahren werde man sich wohl mit niedrigeren und volatileren Aktienerträgen abfinden müssen, als in den letzten drei Jahren. Und doch sei ein Mehrertrag von Value gegenüber Growth zu erwarten, wobei kurzfristig vor allem defensive Substanzwerte und Firmen interessant scheinen, die vom Neustart der Wirtschaft profitieren.
Mit dem derzeitigen Inflations- und Zinsumfeld und dem damit einhergehenden schwächeren Wirtschaftswachstum rechnet Neuberger Berman schon länger und hat sich entsprechend positioniert. Der Krieg in der Ukraine verschärfe diese Risiken auf tragische Weise. Einstweilen reiche das nicht, damit sich die Einschätzung des Vermögensverwalters ändert. Dennoch sollte die Lage genau im Blick behalten werden.